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Woyzeck

Stand 15. Mai 2023

Der Name ,Woyzeck‘ wird vorrangig in Bezug auf das im 20. Jahrhundert unter diesem Namen bekannt gewordene Dramenfragment von Georg Büchner (1813–1837) gebraucht, das 1878 aus Büchners nachgelassenen Papieren für eine erste Druckausgabe unter dem Titel Wozzeck (Büchner 1879, 161–201) rekonstruiert und 1913 ebenfalls unter diesem Titel als Bühnenstück uraufgeführt wurde. Im besagten Bühnenstück, das Büchner vor seinem frühen Tod nicht mehr fertigstellen konnte, wird die Mordtat eines fiktiven Soldaten, dem Büchner in den fortgeschritteneren Entwürfen den Namen ‚Franz Woyzeck‘ gab, an seiner Geliebten ‚Marie Zickwolf‘ dargestellt. Als Vorbild und Namensgeber für den literarischen Woyzeck diente der Kriminalfall des Gelegenheitsarbeiters und ehemaligen Soldaten Johann Christian Woyzeck, der im Jahr 1821 in Leipzig seine Geliebte erstochen hatte und nach einer aufsehenerregenden Prozessgeschichte 1824 öffentlich hingerichtet wurde. Die Bezeichnung ,Woyzeck‘ wird somit für mindestens vier verschiedene Gegenstände gebraucht: (1) in Bezug auf die Person Johann Christian Woyzeck, (2) für den historischen Kriminalfall, die Causa Woyzeck, (3) für die dramatische Adaption Büchners bzw. für die verschiedenen Editionen seiner Dramenfragmente, die seit 1920 unter diesem Titel publiziert wurden, sowie (4) für die literarische bzw. dramatische Figur Franz Woyzeck in diesem Bühnenstück.

1. Einleitendes

Bei der Causa J. C. Woyzeck handelt es sich um die Mordtat und die darauffolgende Prozessgeschichte um den ehemaligen Soldaten und arbeitslosen Perückenmacher Johann Christian Woyzeck (1780–1824), der 1821 die 46-jährige Johanna Christiane Woost erstochen hatte. Der Fall erlangte Aufsehen, weil erhebliche Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Täters bestanden. Das ungewöhnlich langwierige Prozessverfahren wurde begleitet durch anhaltende außergerichtliche Debatten. Namhafte Vertreter der Medizin, der Forensik und der damals erst aufkommenden Psychiatrie positionierten sich öffentlich zu dem Fall und trugen fachdisziplinäre Dispute aus. Im Kontext der Auseinandersetzung über die Zurechnungsfähigkeit des bereits zum Tode verurteilten Delinquenten wurde der Vorwurf eines möglichen Justizirrtums erhoben. In rechtsgeschichtlicher Perspektive gibt der Kriminalfall ansatzweise auch Aufschluss über die weitreichenden zeitgenössischen Reformen innerhalb der Strafjustiz.

Zwölf Jahre nach der öffentlichen Hinrichtung J. C. Woyzecks erfuhr der im öffentlichen Gedächtnis bereits verblassende Kriminalfall eine literarische Aufarbeitung durch den jungen Mediziner und Bühnenautor Georg Büchner in Entwürfen für ein Bühnenstück, das im 20. Jh. unter dem Namen der Hauptfigur als Woyzeck bekannt wurde. Wenn hier wie auch im Folgenden vom Dramenstück Woyzeck die Rede ist, so gilt es zu präzisieren, dass ein solches als fertig ausgearbeiteter literarischer Text nicht existiert und vielmehr ein editionsphilologisches Produkt darstellt, das aus zahlreichen hinterlassenen Manuskripten und Szenenentwürfen zusammengestellt wurde (zur problematischen Editionsgeschichte des Woyzeck vgl. Bockelmann 1991).

Büchner arbeitete an seinem Woyzeck-Projekt überwiegend im Züricher Exil vermutlich seit Herbst 1836; er konnte es vor seinem Tod Anfang 1837 nicht vollenden. Die erste Aufführung einer rekonstruierten Fassung des Stücks unter dem Titel Wozzeck erfolgte erst 1913 am Münchener Residenztheater. Entgegen der Annahme, wonach sich Büchners Stück auch als Gegenplädoyer gegen das historische Gerichtsurteil auffassen lasse (vgl. u.a. Glück 1984, 247), handelt es sich bei Büchners Drama nicht um eine literarische Exkulpation des Delinquenten J. C. Woyzeck; die literarische Adaption neutralisiert vielmehr die Dichotomie schuldig / nicht-schuldig (vgl. u.a. Niehaus 2015, 197). Für den Recht-und-Literatur-Diskurs ist Büchners Beitrag deswegen nicht minder interessant: Während das positive Recht in Büchners Adaption weitgehend unberücksichtigt bleibt und sich zudem keinerlei unmittelbare Rechtsreflexionen finden lassen, werden täterpsychologische Aspekte umso stärker in den Vordergrund gerückt. Vor diesem Hintergrund kann das Stück als literarischer Beitrag verstanden werden, der zwar keine alternative Gerichtsbarkeit anvisiert, jedoch natur- und strafrechtliche Fragen, etwa im Hinblick auf die Frage nach einem angemessenen strafrechtlichen Umgang mit potenziell unzurechnungsfähigen Tätern, fokussiert.

2. Historischer Kriminalfall

2.1. Johann Christian Woyzeck – Mordfall von 1821 und juristischer Ausgang

Der zum Zeitpunkt der Mordtat 41-jährige ehemalige Soldat Johann Christian Woyzeck, Sohn eines Perückenmachers und auch selbst in diesem Gewerbe einst ausgebildet, allerdings schon länger nicht mehr tätig, erstach am Abend des 2. Juni 1821 in Leipzig die 46-jährige Chirurgenwitwe Johanna Christiane Woost im Hausflur zu ihrer Wohnung. Dem Obduktionsbericht zufolge hatte er siebenmal mit einer abgebrochenen Degenklinge auf sein Opfer eingestochen (vgl. Schiemann 2017, 22).

Die Tat wird in erster Linie als Eifersuchtsmord angesehen. Der mittellose, bisweilen obdachlose Täter sei Berichten zufolge wiederholt übergriffig und gewalttätig geworden (vgl. u.a. Clarus 1979 [1823], 496, 521). Als mittelbare Teilursache für den tödlichen Streit wird Woyzecks Eifersucht genannt, als unmittelbare das Fernbleiben der Woost bei einer Verabredung zwischen ihr und Woyzeck am Nachmittag des Tattages. Die Begegnung zwischen den beiden am Abend fand dem gerichtlichen Gutachten zufolge bloß zufällig statt (vgl. Clarus 1979 [1823], 502). Im Prozess verdichteten sich allerdings Anzeichen für einen Wiederholungstäter: Nur wenige Monate vor der Mordtat war bereits eine aktenkundige Gewalttat Woyzecks an Woost dokumentiert, die er mit einer Scherbe bewaffnet angegriffen hatte (vgl. Clarus 1979 [1823], 521). Er wurde daraufhin für acht Tage unter Arrest gestellt. Laut mehreren Zeugenhinweisen häufte sich bei Woyzeck die Zahl der Verfehlungen (vgl. Clarus 1979 [1823], 492). Seine unstete Lebensführung mit häufigen Ortswechseln, Phasen der Arbeitslosigkeit und wiederholter Obdachlosigkeit dürfte zu einem spezifischen Gesamtbild bei der forensischen Begutachtung des Täters beigetragen haben.

Kurz nach der Mordtat an Woost wurde Woyzeck von der Polizei gestellt. Er gestand den Mord; eine dreijährige Prozessgeschichte folgte. Vor dem Leipziger Gericht berief sich der Angeklagte darauf, durch eine imaginäre Stimme aufgestachelt worden zu sein, die ihm zugerufen habe: „Stich die Frau Woostin todt!“ (Clarus 1979 [1823], 501). Für das Gericht scheint die Schuldfrage zu Beginn eindeutig. Erst als die Debatte um Woyzecks Zurechnungsfähigkeit maßgeblich und öffentlich durch den Leipziger Publizisten Johann Adam Bergk in die Wege geleitet wird und sich u.a. in Fachzeitschriften unter Juristen, Medizinern und Privatleuten (vgl. Meier 1993, 18 f.) fortsetzt, tritt eine Wende ein. Allerdings ist Bergks Kritik nicht ausschließlich gegen das Urteil zur Causa Woyzeck gerichtet, sondern befasst sich umfassender mit der Zurechnung in der Rechtspraxis (vgl. viele Jahre vor der Causa Woyzeck bereits Bergks Überlegungen hierzu in einem Aufsatz von 1800; vgl. hierzu auch MBA VII.2, 361). In seinem öffentlichen Schreiben merkt der Privatgelehrte, der als liberaler Gegner der Todesstrafe (vgl. Greiner 2010, 301) Einfluss auf das weitere Verfahren ausübte, ausdrücklich an, Woyzeck habe insbesondere in der wärmeren Jahreszeit wiederholt mit „Verstandesverirrungen“ zu kämpfen gehabt (Bergk, zit. nach MBA VII.2, 334, 361). Die Strafe schätzt Bergk entsprechend als fragwürdig ein. Die Folgen dieser öffentlichen Diskussion waren zunehmende Zweifel an der Angemessenheit des Strafmaßes, die auch das Gericht unter Druck setzten.

Auch weil sich neben Bergks Schreiben auch von anderer Seite die Hinweise mehrten, wonach der Gefangene „früher mit periodischem Wahnsinn behaftet gewesen“ (Clarus 1979 [1823], 491) sei, hielt das Gericht eine medizinische Begutachtung seines mentalen Zustandes für erforderlich. Als Sachverständiger beauftragt wurde der Leipziger Stadtphysikus, Professor, Hof- und Medizinalrat Dr. Johann Christian August Clarus, der fünf Unterredungen mit dem Täter führte. In diesen legte der Befragte seine biografischen Umstände ausführlich dar und gab unter anderem an, er habe bereits sehr früh seine Eltern verloren (Clarus 1979 [1823], 494), als Söldner in den Napoleonischen Kriegen gedient (Clarus 1979 [1823], 495) und in der Folge Wahnvorstellungen (Clarus 1979 [1823], 496) entwickelt.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis dieses (ersten) gerichtsmedizinischen Gutachtens vom 16. September 1821 (zuerst veröffentlicht im Jahr 1823), das Woyzeck als zurechnungsfähig einstufte, wurde der Delinquent als schuldfähig angesehen und das Todesurteil gesprochen (vgl. umfassender zum Todesurteil Schmideler/Steinberg 2006). Die Verteidigung legte dagegen Widerspruch ein und berief sich auf Woyzecks „periodischen Wahnsinn“, der ein milderes Strafmaß verlange. Der Einspruch blieb jedoch erfolglos. Nichtsdestoweniger wurden weiterhin große Zweifel an der Angemessenheit des Urteils öffentlich geäußert. Clarus’ psychiatrisches Gutachten, das Woyzeck uneingeschränkte Zurechnungsfähigkeit attestierte, wurde daraufhin kontroverser und breiter als zuvor diskutiert. Daher beauftragte das Gericht erneut Clarus mit einem Zweitgutachten (s.u. 2.2). Auch das zweite, wesentlich detailliertere Gutachten vom 28. Februar 1823, das auf weiteren fünf Unterredungen mit Woyzeck basiert, kam zum selben Befund wie das erste. Es wurde anschließend von der medizinischen Fakultät zu Leipzig bestätigt (vgl. Schmideler/Steinberg 2005; Steinberg/Schmideler 2006a; Neumeyer 2015, 105) und das Todesurteil durch den sächsischen König zusätzlich bekräftigt (vgl. Neumeyer 2015, 105). Die bereits im Oktober 1821 erfolgte Verurteilung konnte somit auch nicht durch Gnadenersuchen aufgehoben werden. Am 17. August 1824 wurde Woyzecks Todesurteil schließlich öffentlich vor ca. 5000 Schaulustigen in Leipzig vollstreckt. Diese öffentliche Hinrichtung stellte zugleich die letzte in Leipzig dar.

Entgegen vielen Stimmen, die den Prozessausgang wesentlich durch Clarus’ Gutachten entschieden glaubten, hatten gerichtsmedizinische Gutachten zum damaligen Zeitpunkt wenig Entscheidungsgewicht und wurden bisweilen (wie etwa von dem angesehenen und einflussreichen preußischen Juristen Julius Eduard Hitzig) vonseiten der kompetenzbewussten Gerichte abgelehnt (vgl. Kubik 1991, 162; MBA VII.2, 81).

2.2. Der gutachterliche Kompetenzstreit

Der Fall Woyzeck hat sich in mehrfacher Hinsicht zu einem Referenzfall entwickelt, der insbesondere für die Gerichtsmedizin einige bedeutsame Impulse lieferte. In diesem Zusammenhang erlangten vor allem die Clarus-Gutachten, die 1824 und 1826 auch veröffentlicht wurden, große Bekanntheit und wurden in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Führende Forensiker, Mediziner und Juristen äußerten sich in der Debatte über die Zurechnungsfähigkeit: Johann Christian August Heinroth, Adolph Christian Heinrich Henke, Johann Christian August Grohmann, Carl Joseph Mittermaier und Julius Eduard Hitzig sind nur einige wenige von vielen Namen, die Udo Roth in diesem Kontext als richtungsweisend erwähnt (vgl. Roth 2007, 299). Dass Clarus nur einige Zeit nach der Hinrichtung des Täters seine beiden Gutachten (zunächst das zweite, ein Jahr später auch das erste) in der vielbeachteten Zeitschrift für die Staatsarzneikunde veröffentlichen ließ (vgl. Greiner 2010, 301), trug zur weiteren Prominenz und Debattierung des Kriminalfalls in Fachkreisen bei.

Die Clarus-Gutachten sind auch insofern bahnbrechend, als sie eine lange Serie an forensischen Gutachten, die Unzurechnungsfähigkeit erkannten, unterbrachen. Bis zum Woyzeck-Prozess hatten gerichtsmedizinische Gutachten einige Jahrzehnte lang fast ausschließlich für Unzurechnungsfähigkeit entschieden. Zu dieser Beobachtung kommt auch Albrecht Meckel in seiner Statistik, für die 42 Fälle der ca. 50 Jahre vor der Causa Woyzeck untersucht wurden, bei denen lediglich zweimal für zurechnungsfähig plädiert wurde (vgl. Meckel 1820, 53 f.). Mitunter werden die beiden Clarus-Gutachten als Versuch eingestuft, der Gerichtsmedizin und -psychiatrie zu höherem Ansehen in der Gerichtspraxis zu verhelfen (vgl. Kubik 1991, 165).

Im Vordergrund der Kontroverse um die Clarus-Gutachten steht das Verhältnis zwischen der Forensik, der allmählich aufkommenden Psychiatrie und dem Strafrecht. Das Verhältnis zwischen den genannten Bereichen war bis dato noch weitgehend unbestimmt. Zur Zeit der Mordtat Woyzecks bestanden keine einheitlichen Regularien für das Verfassen psychiatrisch-forensischer Gutachten (Wübben 2013, 350). Unklar war schon, wer überhaupt für eine gutachterliche Tätigkeit infrage kommen sollte und welche Kompetenzen im Konkreten vorauszusetzen seien. So hat der Fall Woyzeck nicht im eigentlichen Sinne einen Verfahrens- und Methodenstreit ausgelöst, sondern überhaupt erst dem Fehlen an Methodik und dem Mangel an gefestigten Richtlinien etwa bei der Gerichtspsychiatrie und -medizin zur Sichtbarkeit verholfen (vgl. Campe 1998, 217; Kubik 1991, 162).

Nach dem ersten Clarus-Gutachten meldeten sich zunehmend kritische Stimmen, die den Aspekt möglicher Wahnvorstellungen diskutierten. Woyzeck selbst erklärte, dass er seit Jahren fremde Stimmen höre. Daher beantragte seine Verteidigung ein zweites Gutachten. Als geeigneter Kandidat für ein Zweitgutachten wurde der Leipziger Arzt und Lehrstuhlinhaber für „Psychische Therapie“ Johann Christian August Heinroth (1773–1843) genannt. Heinroth hatte sich mit seinen Arbeiten zu seelischen Störungen bereits einen Namen gemacht; u.a. hat er den Begriff „Psychosomatik“ geprägt (vgl. Greiner 2010, 301). Allerdings wurde diese Empfehlung vom Gericht nicht berücksichtigt, stattdessen erneut Hofrat Clarus beauftragt.

Wird Büchner seinen Woyzeck später als unstet, gehetzt und fahrig darstellen, weist Clarus nach seinen Unterredungen mit dem Täter darauf hin, dass dieser „weder Unstätigkeit und Zerstreuung, noch Ueberspannung, Abspannung, Vertiefung oder Verworrenheit der Gedanken und Vorstellungen“ (Clarus 1979 [1823], 504) gezeigt habe. Zudem erkennt Clarus im zweiten Gutachten zwar an, dass Woyzeck Anzeichen moralischer Deklassierung aufweise, kommt in der Summe jedoch zu dem Ergebnis, dass der Delinquent keinerlei Anzeichen an Geistesverwirrung zeige und grundsätzlich über einen intakten Gemütszustand verfüge. Es seien somit keinerlei Einschränkungen auf seine Willensfreiheit beobachtbar.

2.3. Die Sattelzeit der Gerichtsmedizin: Zur zeitgenössischen Zurechnungsdebatte

Einer der zentralen Kritikpunkte an Clarus’ Vorgehensweise betrifft die als unzureichend behauptete Berücksichtigung der seelisch-psychischen Krankheit Woyzecks. Nach seinen Gesprächen mit Woyzeck hatte Clarus lediglich eine „Sinnestäuschung“ ausgemacht (Clarus 1979 [1823], 534), während andere von Wahnvorstellungen, krankhaften seelischen Störungen und Unzurechnungsfähigkeit ausgingen. Vor diesem Hintergrund verbreitete sich dann auch die Rede von einem Justizirrtum, in der Folge wurde gar von einem „Justizmord“ gesprochen (so etwa der Psychiater J. A. Schilling oder auch der Gerichtsmediziner Johann Baptist Friedreich [1835, 299 f.], vgl. hierzu MBA VII.2, 81, 432; Kubik 1991, 164; vgl. auch Schäfer 2013, 6).

Dass Clarus Woyzecks Wahnanzeichen durchaus registrierte, lässt sich seinen Gutachten entnehmen. Während er in seinen Unterredungen mit dem Delinquenten einerseits ein besonnenes, ruhiges und aufmerksames Gemüt feststellt, spricht er andererseits von der „desto mehr aber moralische[n] Verwilderung“ des Täters und notiert dessen „Abstumpfung gegen natürliche Gefühle und von Gleichgültigkeit in Rücksicht der Gegenwart und Zukunft“ (Clarus 1979 [1821], 547). Jedoch meint er das Vermögen einer „freie[n] Selbstbestimmung“ (Clarus 1979 [1823], 492) bei Woyzeck deswegen nicht schon in Abrede stellen zu müssen. In der Folge haben sich vornehmlich in der Forensik, allen voran der psychiatrischen, einige versierte Gegner der Clarus-Gutachten zu Wort gemeldet.

Befürwortet wird Clarus’ Befund vom Leipziger Professor Johann Christian August Heinroth, der sich als entschiedener und rechtskonservativer Gegner der Unzurechnungsfähigkeit (vgl. Heinroth 1833) sowie etwaiger psychosomatischer Erklärungsansätze profilierte (der Begriff „Psychosomatik“ geht jedoch auf Heinroth selbst zurück, vgl. direkt hierzu schon Greiner 2010, 301) und die moralische Freiheit des Menschen als uneingeschränkt auffasste (vgl. Neumeyer 2015, 105). Zu den schärfsten Kritikern der Vorgehensweise Clarus’ gehört der Philosoph und Psychologe Johann Christian August Grohmann (1769–1847). Wenige Jahre nach der Hinrichtung Woyzecks äußert sich Grohmann in seiner Gegenschrift umfassend zu Clarus’ gutachterlichem Vorgehen und bemängelt daran insbesondere einen moralisierenden Blick und eine einseitige Aufstellung der Zurechnungsfähigkeit. Clarus’ Methode, moralische Urteile mit psychiatrischen Analysen zu vermischen, ersteres in zweiteres einfließen zu lassen, stellt sodann auch einen der zentralen Kritikpunkte in der Debatte dar. Nicht zuletzt, weil die Frage nach der juristischen Zurechnung mit der Frage nach der moralischen Zurechnung zusammengebracht wird, erweisen sich moralisierende Ansätze für die Rechtspraxis als problematisch (vgl. beispielhaft Friedreich 1835, 229 f.). Für die juristische Zurechnung ist der (willentlich erfolgte und somit verantwortbare) Verstoß gegen das Strafgesetz ausschlaggebend, für die moralische Zurechnung jedoch das Sitten- und Tugendgesetz (vgl. Greve 1998, 113). Anstelle des Einflusses moralisch-sittlicher Aspekte plädiert Grohmann dafür, bei der Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit drei Faktoren gleichermaßen zu berücksichtigen: Zum einen die körperliche Verfasstheit des Täters (physische Faktoren), außerdem die geistige, mentale oder auch seelische Disposition (psychische Faktoren) sowie schließlich äußere Umstände (soziale Faktoren) (vgl. Grohmann 1833).

Zu einer anderen Einschätzung als Clarus gelangte u.a. der bayerische Landgerichtsphysikus Carl Moritz Marc (1784–1855). Nach vollzogener Hinrichtung kommt er anhand der von Clarus geschilderten Symptome zu dem Ergebnis, Woyzeck habe an einer somatisch-psychischen Erkrankung gelitten und hätte somit als unzurechnungsfähig gelten müssen (Marc 1825; vgl. auch Wübben 2013, 349). Zugleich gesteht er Clarus im Vorwort seiner Stellungnahme eine beispiellose Gewissenhaftigkeit in der Arbeitsweise zu und verweist auf die besonderen Komplikationen, unter denen die Gutachten verfasst wurden. Auch der angesehene Erlanger Rechtsmediziner Adolph Henke (1775–1843), u.a. Herausgeber der Zeitschrift für Staatsarzneikunde, lobte ausdrücklich Clarus’ „Scharfsinn und Gründlichkeit“ (Henke 1825, hier zitiert nach MBA VII.2, 379).

Sandra Kubik weist darauf hin, dass die moralisierenden Abschnitte, die aus den Gutachten Clarus’ immer wieder zitiert werden, nicht aus dem eigentlichen Gutachtentext stammen, sondern dem Vorwort, das Clarus erst bei der Veröffentlichung seinen Gutachten vorangeschickt hat (vgl. Kubik 1991, 166). Daher empfiehlt Kubik, die „Clarus-Gutachten […] im Zusammenhang mit dem Kampf der Gerichtsmedizin um Anerkennung im Strafvollzug“ (Kubik 1991, 163) zu betrachten und eine voreilige Pauschalkritik zu vermeiden. Auch methodisch kann die Kritik, Clarus habe voreilig für zurechnungsfähig entschieden, nicht standhalten: Bereits in seinem ersten Gutachten wählt der Amtsarzt eine sorgfältige Herangehensweise und berücksichtigt biografische Umstände, potenzielle erblich-genetische Vorerkrankungen, die konkreten Tatumstände als auch die körperliche sowie psychische Disposition des Täters. Dabei stellt er keinerlei Anzeichen fest, die irgendeine Form von Geistesverwirrung vermuten lassen, und führt etwa das Wahrnehmen von Stimmen und die Phobie vor Freimaurern (vgl. Clarus 1979 [1823], 496 u. 510 f.), kurz: seine „Einbildungskraft“ (Clarus 1979 [1823], 521) stattdessen auf den hohen Alkoholkonsum (vgl. Clarus 1979 [1823], 532) und die „Täuschung des Gehörsinnes“ (Clarus 1979 [1823], 521) des Delinquenten zurück. Bisweilen wird hieraus eine Skepsis des Psychikers Clarus’ gegenüber psychosomatischen Erklärungsansätzen und der Lehre der amentia occulta (verborgener Wahnsinn), die im 19. Jh. zur „Königsdisziplin“ (Roth 2007, 289) der forensischen Psychiatrie avancierte, herausgelesen (vgl. Kubik 1991, 161).

Mit seiner kritischen Distanz zur amentia occulta stand Clarus nicht allein: Die Theorien zur amentia occulta erzeugten viel Gegenwehr und wurden mit der Begründung abgelehnt, dass andernfalls jede Straftat als Ergebnis einer verborgenen Triebfeder entschuldbar sei. Als Folge wurde nicht selten häufige Unzurechnungsfähigkeit befürchtet. Vor diesem Hintergrund warnt unter anderem Heinroth, unter Berufung auf vorrangig theologische Argumente (vgl. Heinroth 1821, 376; siehe zum Gesamten MBA VII.2, 336), vor einer gerichtsmedizinischen Entwicklung, die zur Entschuldigung aller denkbaren Straftaten herzuhalten drohe (vgl. Henkelmann 1976, 95). Der eigentliche Kompetenzstreit kann somit zwischen den Psychikern und den innerhalb der Psychiatrie liberal eingestellten Somatikern vermutet werden (vgl. Kubik 1991, 162; s.a. Stiening 2019, 582). Zu den Befürwortern psychosomatischer Theorien zählten u.a. der Franzose Philippe Pinel (1745–1826), der auf diesem Gebiet einflussreiche Überlegungen anstellte und dessen Wirken bis nach Deutschland reichte (vgl. Roth 2007, 293 f.), der deutsche Psychiater Johann Christian Reil (1759–1813) sowie der Somatiker Friedrich Nasse (1778–1851), einer der führenden Kritiker Heinroths (vgl. MBA VII.2, 337).

Skeptische Positionen hinsichtlich der Möglichkeit eines verborgenen Wahnsinns wie der amentia occulta wurden bisweilen durch einen anderen Grund erklärt: Wurde bei einem Täter eine Form von Wahnsinn vermutet, so war sodann nicht mehr der Richter zuständig, sondern zu einem erheblichen Anteil der jeweilige Gerichtsmediziner. Als mögliche Folge wurde ein Kompetenzverlust der Gerichte an der Medizin befürchtet; die Konkurrenz zwischen diesen beiden Instanzen, deren Zuständigkeitsgrenzen nicht eindeutig bestimmt waren, wird nicht zuletzt hierdurch erkennbar (vgl. Roebling 2007, 167 f.).

Insgesamt kann das frühe 19. Jahrhundert am Beispiel der Gutachtendebatte als eine Sattelzeit der Gerichtsmedizin bestimmt werden. Neue Methoden, Theorien und Krankheitsbefunde finden Eingang in die juristisch-forensische Verfahrenspraxis, wobei sich insbesondere die Gerichtsmedizin in ihrem konkreten methodischen Vorgehen noch formieren musste. Die Unsicherheit und Unbestimmtheit der forensischen Praxis verdeutlicht der Fall Woyzeck, der wie kaum ein anderer die Forderung nach stärker psychologisierendem Sachverstand zutage treten ließ. Doch erst sukzessive finden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts psychologisierende Gutachten Eingang in die Strafjustiz.

2.4. Umbrüche in der Strafjustiz um 1800: Das Aufkommen der Imputationslehre

Im 19. Jh. finden weitreichende Veränderungen in der Strafjustiz statt, da zunehmend die Forderungen nach Reformen und Anpassungen strafrechtlicher Verfahren und Standards erstarken (vgl. Cesare Beccarias einflussreiches Werk Dei delitti e delle pene von 1764; dt. Übersetzung Beccaria 2005). Die Bemühungen zielen primär auf grundlegende Rationalisierung, Humanisierung und Säkularisierung der Strafjustiz ab.

Leitgebend ist auch die ab dem 18. Jh. ins Strafrecht aufgenommene Willensfreiheit und die Vorstellung eines vernunftüberlegten Handelns beim menschlichen Subjekt: Das einzelne Subjekt wurde hierbei betrachtet „als ein aus einem materiellen Körper und einer immateriellen Vernunft-Seele zusammengesetztes Wesen“ und dessen „Vernunft als Vermögen der freien Willensbestimmung definiert“ (MBA VII.2, 333). Weil der Mensch in diesem Sinne als vernunftbestimmt aufgefasst wird, ist es zunächst umso schwieriger, neue strafrechtliche Phänomene und Entwicklungen wie die Unzurechnungsfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit, die bereits seit der Antike diskutiert, jedoch verhältnismäßig spät als Rechtsfigur explizit aufgenommen wird, anzuerkennen. Die rechtsaufklärerischen Tendenzen sahen sich etwa in der Gerichtsmedizin zugleich auch mit einer restaurativ eingestellten Gegenseite konfrontiert, die sich gleichermaßen auf die neuzeitlich-naturrechtliche Vorstellung der Willensfreiheit beruft. In die Debatte, die „zumindest teilweise den Diskussionen zwischen den geläufigen politischen Gruppierungen von christlich-konservativen einerseits, revolutionär-liberalen andererseits entsprach“ (MBA VII.2, 337), mischten sich neben Juristen und juristischen oder medizinischen Fakultäten auch Vertreter theologischer Fakultäten, politische Liberale sowie christliche Konservative ein (vgl. MBA VII.2, 334).

Wird auf der einen Seite dafür plädiert, die körperliche und mentale Disposition und Hintergründe von Tätern adäquat beim Strafmaß zu berücksichtigen, Täterpersönlichkeiten in ihrer psychologischen Individualität also ausreichend zu erfassen (etwa mittels psychologischer Gutachten) und gegebenenfalls Strafmilderungen vorzunehmen, wird auf der anderen Seite davor gewarnt, aufgrund von strafmildernden Urteilen und der Fokussierung auf die Täterpsyche die Rechtsstaatlichkeit sukzessive außer Kraft zu setzen. Zudem befürchten einige in der Zusammenführung von Psyche und Soma die Gefahr einer Entwürdigung des Menschen (vgl. zur Debatte Roth 2007, 291). Ein Schlaglicht auf die Leidtragenden dieser Konfliktlage wirft der Woyzeck-Prozess, der sich aufgrund von Uneinigkeit unter den Entscheidungsträgern über mehrere Jahre hinzog.

Jedoch beeinflussten neue medizinische Erkenntnisse im Hinblick auf Krankheitsbilder die Strafrechtslehre maßgeblich, die zunächst noch dem aufklärerisch-naturrechtlichen Programm verpflichtet auf der Forderung eindeutiger Verantwortlichkeit beharrt hatte. Diese führten im 19. Jh. zu einer Ausweitung anerkannter Krankheiten in Bezug auf Unzurechnungsfähigkeit. Zuvor wurden neue Krankheitsbilder sowie die begriffliche Ausdehnung bereits bekannter Krankheiten wie Wahnsinn und einzelner Monomanien in die Lehrbücher des Strafrechts aufgenommen (vgl. Greve 1998, 117; vgl. einschlägig u.a. Tittmann 1806; Metzger 1814) und trugen wiederum zur Etablierung von Kategorien verminderter Schuldfähigkeit in der Rechtspraxis bei. Die rechtsreformativen Bestrebungen hatten zur Folge, dass in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Gros der deutschen Staaten neue Strafgesetzbücher erließ (vgl. Greve 1998, 131) oder bestehende durch eine neue Klausel flexibilisierte, „die nicht nur bei bisher bekannten, sondern auch bei neu aufgefundenen und noch aufzufindenden Formen von Wahnsinn die Unzurechnungsfähigkeit des Täters festzustellen erlaubte“ (MBA VII.2, 334), wiewohl die in den 1820er-Jahren in Sachsen gültigen Gesetze davon unbetroffen blieben. Grundsätzlich jedoch lässt sich beobachten, dass zahlreiche Krankheitsbilder ergänzt wurden, die die Attestierung einer Zurechnungsfähigkeit erschwerten.

Andererseits wurden im Rechtssystem noch vor dem eigentlichen Aufkommen der Unzurechnungsfähigkeit als viel diskutierter Gegenstand und der grundlegenden Liberalisierung des Strafrechts (vgl. Reuchlein 1985, 10 f.) bereits seit der Antike einige Ausnahmen festgelegt (vgl. Friedreich 1835, 243–254; MBA VII.2, 333). Zu diesen gehörten zunächst vornehmlich Kinder, Geisteskranke sowie Personen mit spezifischen Gemütszuständen wie Trunkenheit oder Melancholie (vgl. Roth 2007, 290; vgl. ausführlicher das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 [1970], §§ 27 f.). Erst viel später, als im Zuge der aufkommenden Psychologie bzw. der anthropologischen und erfahrungsseelenkundlichen Disziplinen (vgl. Niehaus/Schmidt-Hannisa 1998, 8) neue Krankheitsformen registriert wurden, wurde dieser Katalog umfassender gestaltet. Diese Entwicklung wurde im Rechtssystem, durch eine „Auffächerung der Unzurechnungsfähigkeiten“ (Niehaus/Schmidt-Hannisa 1998, 8) aufgenommen. Der einstige Schwerpunkt des Strafrechts und der Strafrechtslehre verschiebt sich mit dem Aufkommen der „Criminalpsychologie“ (Roth 2007, 277) von der Tat nunmehr auf den Täter sowie auf die Täterpsychologie. Die zunehmende Psychologisierung des Täters unter Berücksichtigung neuerer Ansätze aus den hierfür relevanten Disziplinen und Neudisziplinen schlägt sich innerhalb der Strafrechtspraxis dann in der rasant steigenden Anzahl von Fällen anerkannter Unzurechnungsfähigkeit nieder (vgl. exemplarisch von Jagemann/Brauer 1854, 291 f., 354 f.).

Die Frage der Zurechnung war schon seit alters her ein zentraler Gegenstand der Moral- sowie der Rechtsphilosophie, erst viel später auch der Strafrechtslehre. Joachim Hruschka setzt den Beginn der modernen Zurechnungstheorien gegen Ende des 17. Jahrhunderts an, wenn ab den 1670er-Jahren durch Samuel von Pufendorf (1632–1694) der Begriff der imputatio eingeführt (vgl. Aichele 2017, 401) und zunächst für die praktische Philosophie zentralisiert wird (vgl. Hruschka/Nüssel 2004, Sp. 1445). Erst viel später, ab der „nach-kantischen-Moderne“ (Aichele 2017, 401) werden die philosophischen Imputationslehren auch in der Rechtswissenschaft aufgenommen und weiterentwickelt (vgl. für einen Überblick Hruschka 2011 [1976]; vgl. außerdem Roxin/Greco 2020, insb. § 11).

Die Zurechnung als alltägliche soziale sowie anthropologisch-psychologische Kategorie gilt es von der Zurechnungsfähigkeit als juristischer Kategorie zu unterscheiden: Zurechnung meint „das allgemeine Urteil über die Verantwortlichkeit für eine Handlung“ (Greve 1998, 112), Zurechnungsfähigkeit hingegen „die psychische Grundvoraussetzung der Strafbarkeit, die Eigenschaft des Menschen, aufgrund der ihm eine Tat zugerechnet werden kann“ (ebd.). Konkreter bestimmt Zurechnung einer Tat, dass „die zugerechnete Tat die eigene des Täters ist, d. h., daß sie in seinem freien Willen ihren Ursprung hat“ (Regenbogen/Meyer 2013, 752). Immanuel Kant definiert Zurechnung als dasjenige „Urtheil, wodurch jemand als Urheber (causa libera) einer Handlung, die alsdann That (factum) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird“ (AA VI, 227). Eine zurechenbare Tat und der verursachende Täter (bzw. Täterin) unterliegt vollumfänglich den bestehenden Gesetzen. Zurechnungs- sowie Unzurechnungsfähigkeit werden ihrerseits noch weiter unterschieden in partielle Zurechnungs- bzw. Unzurechnungsfähigkeit sowie vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit (vgl. Niehaus/Schmidt-Hannisa 1998, 7).

Grundsätzlich ist im Hinblick auf Zurechnung von einem Stufenmodell auszugehen (vgl. Sinn 2007, 230). Hierbei gilt es zu unterscheiden zwischen einer imputatio facti, der wertneutralen, objektiven Zurechnung einer äußeren Handlung zu einer Person, und der imputatio iuris, der subjektiven Zurechnung zur Schuld (Sinn 2007, 230) im juristischen Sinne, d.h. eine Person kann für eine von ihr vollzogene rechtswidrige Tat juristisch verantwortlich gemacht werden. Kann für eine Tat die Zurechnung attestiert werden und gilt es anschließend die Zurechnungsfähigkeit zu bestimmen, so muss hierfür zwischen Vorsätzlichkeit und Fahrlässigkeit der Tat, d. h. zwischen dolus als dem „Wollen und Wissen der Tatumstände“ (Kaufmann 1997, Sp. 1062–1065: vgl. direkt hierzu auch Roth 2007, 286) und culpa aus fahrlässigem Handeln entschieden werden. Richtungsweisend ist vor diesem Hintergrund der Begründer der modernen deutschen Strafrechtslehre, Paul Johann Anselm von Feuerbach, der in seinen Schriften, insbesondere in Revision der Grundsätze und Grundbegriffe des positiven Peinlichen Rechts (1799/1800) sowie im Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden peinlichen Rechts (1801), die Theorie des psychologischen Zwangs entwickelte, der zufolge die primäre Funktion der Strafe in einer allgemeinen Abschreckung des Bürgers vor dem Begehen von Straftaten liege. Strafwürdig und strafbedürftig seien daher insbesondere vorsätzliche Verbrechen. Strafe für fremdschädigendes Verhalten eines Unzurechnungsfähigen sei sinnlos.

Die zentralen Entwicklungen im Strafrecht und der Gerichtsmedizin im 19. Jh. lassen sich Georg Reuchlein (1985, 10–19) zufolge in aller Knappheit wie folgt zusammenfassen: 1) Entwicklung vom Tatstrafrecht hin zu einem, das den Fokus stärker auf den Täter setzt, 2) Aufstellung neuer Kriterien für Unzurechnungsfähigkeit, 3) Kompetenz- und Einflussgewinn der Gerichtsmedizin, 4) Erweiterung des Wahnsinnsbegriffes sowie 5) die Konkurrenz zwischen Rechtsaufklärung und Restauration im Rechtssystem.

3. Georg Büchner: Woyzeck

Eine literarische Bearbeitung des Woyzeck-Falls findet sich bei Georg Büchner in dessen Entwürfen für ein Drama um die ähnlich, aber nicht gleich benannte Figur Franz Woyzeck.

3.1. Zur Entstehungs- und Editionsgeschichte

Aller Einschätzung nach begann Büchner mit der Arbeit an seinen Woyzeck Materialien im Zürcher Herbst 1836 (vgl. Hofmann/Kanning 2013, 153). Das geht aus einem Brief an seine Familie hervor, in der die Arbeit an zwei Dramen erwähnt wird, hinter denen zum einen das Lustspiel Leonce und Lena und zum anderen ,der‘ Woyzeck vermutet werden. In einem auf Ende Januar 1837 datierten Brief aus Zürich an seine Verlobte Wilhelmine Jaeglé kündigt Büchner schließlich an, er werde „in längstens acht Tagen Leonce und Lena mit noch zwei anderen Dramen erscheinen lassen“ (Brief an Wilhelmine Jaeglé vom 20. Januar 1837, MBA X.1, 117). Dazu kam es nicht. Büchner erkrankte an Typhus und starb am 19. Februar. Er hinterließ kein singuläres Manuskript des Woyzeck, sondern mehrere Text- und Entwurfsstufen.

Die Publikation des Woyzeck erfolgte erst viele Jahre nach dem frühen Tod Büchners: In den aller Vermutung nach 1850 von Ludwig und Alexander Büchner, den Brüdern des Autors, herausgegebenen „Nachgelassenen Schriften“ findet sich der Woyzeck aufgrund fehlgeschlagener Transkriptionsbemühungen noch nicht (vgl. MBA VII.2, 141). Erst der österreichische Publizist Karl Emil Franzos, Herausgeber der 1879 veröffentlichten ersten kritischen Gesamtausgabe zu Büchners Werk, berücksichtigt das Woyzeck-Fragment und trug durch seine Edition maßgeblich dazu bei, dass Büchners Fragment in der Folge Aufmerksamkeit zuteilwurde. Nach umfangreichen Papier- und Tintenstudien des Manuskripts veröffentlichte er 1875 einen Teildruck in der Wiener Neuen Freien Presse (Nr. 4022 sowie Nr. 4039) und 1878 einen Vorabdruck der stark überarbeiteten Fassung in der Berliner Kulturwochenschrift Mehr Licht! (vgl. MBA VII.2, 147). Zur Wiederherstellung der Lesbarkeit des längst verblassten Manuskripts wandte Franzos ein eigens von ihm entwickeltes chemisches Gemisch an (vgl. MBA VII.2, 151). Jedoch unterlief ihm im schwer entzifferbaren Manuskript u.a. der Lesefehler, als Namen der Hauptfigur „Wozzeck“ anstelle von „Woyzeck“ anzunehmen und diesen Namen auch als Titel für die Erstedition der titellosen Handschriften anzugeben (vgl. MBA VII.2, 147, 150). Die Unsicherheit des Herausgebers zeigt, dass die Causa Johann Christian Woyzeck im späten 19. Jh. bereits weitgehend aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden war. Da Büchner keine autorisierte Szenenanordnung hinterlassen hatte, entschied Franzos selbst über eine möglicherweise vom Verfasser intendierte, ihm sinnvoll erscheinende Reihenfolge.

Das Dramenfragment Woyzeck, wie es von Büchner hinterlassen wurde, erweist sich als ein Konvolut und „Entwurfskomplex“ (Röcken 2008, 170) aus mehreren Textgrundlagen und -fassungen. Vor diesem Hintergrund lässt sich diskutieren, inwiefern für das Fragment der Werkbegriff greifen kann und ob nicht Bezeichnungen wie „Entwurf“ oder „Fassung“ adäquater erscheinen (vgl. zu diesen Fragen ausführlich Röcken 2008). Ist der Status als Dramenfragment und somit das Fehlen einer Reinschrift in Deutungsfragen nicht schon intrikat genug, bewirken die unterschiedlichen Handschriftenfassungen eine zusätzliche Herausforderung. Auch die von Büchner wahrscheinlich anvisierte Szenenreihenfolge (keine Seitennummerierung in den Manuskripten enthalten) ist nach wie vor Gegenstand der Forschung. Der Autor hinterließ Niederschriften zu 49 Szenen. Abzüglich der gestrichenen oder neu konzipierten Szenen ergeben sich 31 Szenen oder Szenenentwürfe, von denen eine Vielzahl sich aufgrund von handschriftlicher Unleserlichkeit, nicht entschlüsselbarer Abkürzungs- oder Auslassungstendenzen oder dialektaler Ausdrucksverwendungen in ihrer Semantik nicht vollständig ermitteln lassen (vgl. MBA VII.2, insb. 160–215). Die Schreibarbeit am Woyzeck verlief in mehreren Entstehungsstufen, wobei die heute vielerorts als Lesefassung verfügbare Version jene von Werner R. Lehmann (1967) darstellt.

Aufgrund von Tinten- und Papieranalysen (vgl. MBA VII.2, 89–102) unterscheidet die Forschung vier gesonderte Entwurfsstufen, die in Anlehnung an Werner R. Lehmann mit H1 – H4 bezeichnet werden, wobei H4 als die „am weitesten fortgeschrittene Entwurfshandschrift“ (MBA VII.2, 130) gelten kann. Das Verfassen von H1 und H2 wird vornehmlich für den Zeitraum von Juli bis August 1836 im Straßburger Exil vermutet, die Niederschrift von H3 und H4 zu Züricher Zeiten in Büchners letzten Lebensmonaten angenommen. Die in Straßburg getätigte Arbeit an H1 ist auf Folio verfasst und verfügt über 21 Szenen. In dieser Fassung heißen die beiden zentralen Figuren noch Louis und Margreth und die Handlung endet mit einer Gerichtsszene. H2, ebenfalls auf Folio geschrieben, ist als Erweiterung zu H1 zu verstehen und beinhaltet neun Szenen. In dieser Handschrift wird erstmals der Name Woyzeck verwendet, der Bezug zum realen Kriminalfall ist somit erst ab der H2 zu erkennen. H3, die auf Quart-Papier verfasst ist und an der Büchner in Zürich schrieb, verfügt lediglich über zwei Szenenentwürfe. H4, ebenfalls Quart-Papier, beinhaltet insgesamt 17 größtenteils ausgearbeitete Szenen. Dabei entspricht die als Lese- und Bühnenfassung erhältliche Version von Woyzeck der Entwurfsstufe H4, die als „vorläufige Reinschrift“ vermutet werden kann. Allen Handschriften ist gemeinsam, dass sie weder über eine Seitenpaginierung, eine Szenenanordnung noch über eine Einteilung in Akte, auf die Büchner bei diesem Dramenentwurf gänzlich verzichtete, verfügen.

Nach Franzos (1879) machte sich zunächst Georg Witkowski 1920 an eine neue Edition des Woyzeck und nur wenige Zeit später, im Jahr 1922, außerdem Fritz Bergemann (vgl. MBA VII.2, 150), dessen zentraler Einschnitt in der Wahl von Beim Hauptmann als Anfangsszene liegt. Die lange Zeit führende Edition von Bergemann, die sich gegen weitere, in der Zwischenzeit entstandene Editionen durchsetzen konnte, wurde ab den 1960er-Jahren von der Ausgabe Werner R. Lehmanns sukzessive abgelöst. Im Kontrast zu vorhergehenden Versuchen verzichtet Lehmann weitgehend auf eine sprachliche Überarbeitung und Anpassung. Mit Harald Neumeyer (2015, 102) lassen sich v.a. vier Fassungen bestimmen, die für die breite öffentliche Rezeption gegenwärtig von Interesse sind: neben der erwähnten ‚Hamburger‘ bzw. (seit der 4. Aufl. 1980) ‚Münchener‘ Edition von Werner R. Lehmann, die richtungsweisend ist, Henri Poschmanns Ausgabe (zuerst 1985) im Deutschen Klassiker Verlag (1992) sowie Burghard Dedners neuere Ausgabe bei Reclam (2005); für einen neueren Einblick in die komplexe Editionsgeschichte vgl. Poschmann 2012. Für die Forschung ist heute der von Dedner et al. emendierte und 2005 in der Marburger Ausgabe (MBA VII.2, 1–32) abgedruckte Text maßgeblich.

3.2. Unterschiede zum Kriminalfall

Seit dem späten 18. Jh. werden reale Fallgeschichten zunehmend als Stoffquelle für literarische Aushandlungen genutzt, die ihrerseits um erhöhte „Aktualität“ und „Wirklichkeit“ bemüht sind (vgl. Lehmann 2009, 361; Greiner 2010, 299, sowie MBA VII.2, 79). Erst nach dem 18. Jh. tauchen Fragen im Hinblick auf Zurechnungsfähigkeit respektive das „Interesse an menschlichen ,Verirrungen‘“ (Reuchlein 1985, 4) vermehrt als literarisches Thema auf. Büchners Bearbeitung eines tatsächlichen Kriminalfalls bildet vor diesem Hintergrund keine Ausnahmeerscheinung.

Aller Vermutung nach lässt sich Georg Büchners Bekanntschaft mit dem Kriminalfall J. C. Woyzeck auf seinen Vater Ernst Karl Büchner zurückführen, der als Medizinalrat in Darmstadt arbeitete und Leser der Zeitschrift für die Staatsarzneikunde war, in der er 1825 (im selben Jahrgang wie der Neudruck des Clarus-Gutachtens) selbst einen Fall zweifelhafter Zurechnungsfähigkeit diskutierte (vgl. MBA VII.2, 252). In besagter Zeitschrift veröffentlichte Clarus seine beiden Gutachten zum Woyzeck-Fall. Neben dem Mordfall J. C. Woyzeck bezieht sich Georg Büchner mit seinem Bühnenstück auf mindestens zwei weitere, in ihren Mordmotiven und dem Tatvorgehen analoge Rechtsfälle, namentlich auf den Fall um den Tabakspinnergesellen Daniel Schmolling, der 1817 seine Geliebte erstochen hatte (vgl. das Gutachten von E.T.A. Hoffmann zu diesem Fall [1825]), u. a. abgedruckt in Hoffmann, SW 6, 691–730) sowie auf den Fall um den Leinwebergesellen Johann Dieß, der seine Geliebte 1830 erstochen hatte (vgl. MBA VII.2, 79 sowie Neumeyer 2015, 107). Die genannten Fälle, bei denen jeweils über die mögliche Zurechnungsfähigkeit und etwaige manische Erkrankungen der Täter spekuliert wurde, finden jedoch unterschiedlich stark Niederschlag in Büchners dramatischer Fallgestaltung. Anders als beim Kriminalfall Woyzeck führten die beiden anderen Fälle nicht zu einer Hinrichtung. Im Fall Schmolling wurde aus Mangel eines erkennbaren Tatmotivs für schuldunfähig plädiert und dessen Mordtat als ein „Anfall von amentia occulta“ (Hoffmann, SW 6, 697) behandelt, der Täter jedoch zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund des Mordes an einem Mithäftling hingerichtet, vgl. hierzu Roebling 2007, 167; im Fall Dieß, dessen Verteidiger für „partielle Verrücktheit“ plädierte (vgl. MBA VII.2, 84), wurde zwar eine Zurechnungsfähigkeit attestiert, der Delinquent jedoch zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt.

Büchner erfindet seinen Woyzeck „mit und gegen die Quellen“ (Lehmann 2009, 380). In diesem Zusammenhang verweist Rüdiger Campe dann besonders auf den Namen „[Friedrich] Johann Franz Woyzeck“, der eine „Hybridform“ (Campe 1998, 210) und ein „Amalgam“ (Greiner 2010, 310) zwischen dem realen Fall und der Büchner’schen Erfindung signalisiert. Wird der reale J. C. Woyzeck als trunksüchtiger, von Eifersucht getriebener Wiederholungstäter beschrieben, so lassen sich diesbezüglich grundlegende Unterschiede zur literarischen Figur beobachten: „Friedrich Johann Franz Woyzeck“ ist bei Büchner mit seinen 30 Jahren deutlich jünger als seine historische Vorlage, zeigt vor der Mordtat keinerlei Anzeichen übermäßigen Alkoholkonsums und erscheint streckenweise kaum bis gar nicht eifersüchtig (vgl. MBA VII.1, Szene H4,4, 156). Wird außerdem beim realen Woyzeck keine Ausprägung von Wahnsinn vom Gerichtsmediziner festgestellt, verdichten sich die Anzeichen eines solchen beim literarischen Woyzeck, für den der Autor erwiesenermaßen psychiatrische Quellen konsultierte (vgl. Wübben 2016, 207): Bei der Untersuchung seines Probanden bemerkt der Doctor eine „aberratio mentalis partialis“ (MBA VII.1, H4,8, 160). Das erinnert unmittelbar an die vielen Hinweise der Apologeten des realen Woyzecks, die diesem noch einen zeitweiligen Wahnsinn zu attestieren versuchten. Büchners Woyzeck leidet unverkennbar an Krankheitssymptomen wie Wahnvorstellungen respektive Verfolgungswahn, die ihn mal die Ankunft von Freimaurern (vgl. MBA VII.1, H4,1, 153), anderen Gestalten und Phänomenen (vgl. MBA VII.1, H4,2, 155) und fremde Stimmen (vgl. MBA VII.1, H4,1, 153) zu vernehmen glauben machen. Auch die Äußerungen über Woyzeck vonseiten Dritter weisen wiederholt auf mögliche Anzeichen von Wahnsinn oder benachbarten Psychosen hin: Marie nimmt bei ihm eine „Vergeisterung“ wahr, bezeichnet ihn als „hirnwüthig“ (MBA VII.1, H4,7, 158) und prognostiziert: „Er schnappt noch über mit den Gedanken“ (MBA VII.1, H4,2, 155), der Hauptmann bemängelt wiederholt dessen Unruhe und Gehetztheit (MBA VII.1, H4,5, 156–158; H4,9, 161), und der Doctor schließlich stellt eine teilweise Verwirrung seines Probanden fest (vgl. MBA VII.1, H4,8, 160).

Als eine weitere genuin Büchner’sche Zutat gegenüber dem historischen Kriminalfall erweist sich der Menschenversuch an Woyzeck (vgl. zur Rolle des Menschenversuchs Glück 1985 sowie jüngst auch Stiening 2019, 661–696, insb. 677–679). Der prekären finanziellen Situation geschuldet bietet sich dieser als Versuchsobjekt beim Doctor an. Aufbau und Vorgehen des Ernährungsexperiments setzen sich wie folgt zusammen: Der Proband ist dazu verpflichtet, sich über einen längeren Zeitraum einer ausschließlichen Erbsendiät zu unterziehen und während dieser Zeit zwecks regelmäßiger Untersuchungen beim Doctor zu erscheinen. Einigen Hinweisen im Stück zufolge ist Woyzeck zum Zeitpunkt der Dramenhandlung, die sich über nur wenige Stunden erstreckt, bereits „seit einem Vierteljahr“ (MBA VII.1, H3,1, 151) auf Erbsendiät. Darauf verweisen auch seine körperlichen Werte, die ein besonderes Tief erreicht haben (vgl. MBA VII.1, H4,8, 159). Der Menschenversuch trägt in weitreichender Weise zum physischen und psychischen Verfall Woyzecks bei. Die wiederholt ausgedrückten Wahnvorstellungen einschließlich Verschwörungsglauben und schizoider Anzeichen lassen sich vor diesem Hintergrund als unmittelbare Negativfolgen des Experiments beobachten, dessen Einseitigkeit zu erheblichen physiologischen und psychischen Beeinträchtigungen führt. Obwohl bereits beim realen Woyzeck in beiden Gutachten mehrfach auf dessen Wahnvorstellungen hingewiesen wird, erfahren diese bei Büchners Woyzeck eine Steigerung, die bis hin zu einem halluzinierten Mordaufruf führen (diesen Aspekt entnimmt Büchner immerhin dem Clarus-Gutachten, in dem bereits zur Sprache kam, Woyzeck sei der eigenen Aussage zufolge von einer fremden Stimme zum Mord beauftragt worden, vgl. Clarus 1979 [1823], 501).

Wurde zuvor bereits darauf hingewiesen, dass Büchner Grohmanns Forderung nach Berücksichtigung physischer, psychischer sowie sozialer Faktoren in der Anlage seines Woyzeck-Dramas in nahezu jeder Hinsicht gerecht wird, darf jedoch ein wesentlicher Unterschied nicht unterschlagen werden: Büchners Adaption enthält einige Ergänzungen und Zusätze, die die genannten drei Bereiche deutlicher zur Darstellung bringen, beim realen Woyzeck aber keine direkte Vorlage hatten. Insbesondere in dem von Büchner erfundenen und im Stück vom Doctor initiierten Ernährungsexperiment, das zugleich die euphemistische Umschreibung eines riskanten Menschenversuchs darstellt, kulminieren alle drei Faktoren. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die nach wie vor weit verbreitete These, wonach Büchner ein historisches Vorbild zum Experiment in dem Gießener Chemiker und Universitätsprofessor Justus von Liebig (1803–1873) fand, der ähnliche ernährungsphysiologische Experimente an Soldaten durchführte und dessen Vorlesungen Büchner während seiner Gießener Studienzeit im Jahr 1833 nachweislich besuchte (vgl. z.B. Krätz 2009; die Annahme, Liebigs Ernährungsexperimente hätten Büchner als Anregung gedient, wird zwar nicht explizit, so doch implizit formuliert auch bei Greiner 2010, 303; siehe zum Ganzen differenzierter Neumeyer 2009, der über reale ernährungsphysiologische Experimente jenseits von Liebig referiert). Wie schon Udo Roth (2000), Burghard Dedner (2000) und nicht zuletzt etwa Gideon Stiening (2019, 674) richtigstellen, führte Liebig seine Experimente allerdings erst weit nach Büchners Gießener Zeit und nach der Entstehung der Woyzeck-Fragmente durch, sodass er nicht als Vorbild für Büchners Figur des Doctors angenommen werden kann.

Während bei der juristischen Aufarbeitung des Kriminalfalls im Vergleich weniger Ursachenkunde betrieben wurde, fokussiert sich Büchners literarische Adaption umso konzentrierter auf Krankheitssymptome, soziale Gegebenheiten, Machtstrukturen und anderweitige mögliche Tatursachen und -motive. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die pauperistischen Leidensumstände, denen Woyzeck ausgesetzt ist.

3.3. Deutung und Deutungsoffenheit der Zurechnungslage

Sprechen die direkten Verweise auf den Fall Woyzeck und die indirekten Verweise auf die Fälle Schmolling und Dieß zunächst einmal dafür, dass es Büchner um eine literarische Aufarbeitung realer Kriminalfälle ging, zeigt eine genauere Lektüre, dass Büchners Woyzeck nicht als Fallstudie und noch weniger als Justizkorrektur zu verstehen ist (vgl. einschlägig Canetti 1985, 23; Niehaus 2015). Ein zentraler Grund für diese Annahme besteht in der Nichtbeantwortung der Schuldfrage, die deutungsoffen bleibt (vgl. alternativ hierzu Kubik 1991, 172, die den problematischen Vorschlag macht, Woyzeck als „schuldlos schuldiges Opfer“ zu bestimmen; vgl. für eine abweichende Position, mit der Büchners Woyzeck stattdessen als unzurechnungsfähig eingestuft wird, etwa Glück 1984, 245). Für eine solche Deutungsoffenheit ist der Ausgangspunkt der Betrachtung anders als bei der historischen Vorlage nicht die Tat, sondern die unmittelbaren Umstände und möglichen Ursachen für diese. Damit verlagert sich der Blick weg vom Mord hin zur Mordursache bzw. den zur Straftat führenden Umständen, wobei dieser Perspektivwechsel nicht den Zweck einer nachträglichen Exkulpation des Täters verfolgt.

Das Recht spielt, jedenfalls in seiner positiven Ausprägung, weder in Büchners Schriften noch bisher in der Büchner-Forschung insgesamt eine tragende Rolle. Wie schon Michael Niehaus hervorhebt, endet Büchners Anverwandlung des Kriminalfalls Woyzeck gerade dort, wo der eigentliche Rechtsfall in einem Entwurf des Dramas mit dem Auftritt des Gerichtsdieners erst beginnt (vgl. Niehaus 2015, 196). Der Rechtsraum findet abgesehen von der angedeuteten Obduktionsszene in dem frühen Entwurf H1,21 keine unmittelbare Erwähnung im Stück. Während der Kriminalfall mit der Mordtat seinen Anfang nimmt, bricht Büchners Adaption just dort ab. Infolgedessen scheint auf den ersten Blick nicht die Rechtspraxis der primäre Gegenstand des Stückes zu sein. Auch wenn die strafrechtliche Verfolgung von Woyzecks Mordtat mit Ausnahme von H1.21 (vgl. MBA VII.2, 20), die noch eine Gerichtsszene andeutet, in keinem der zahlreichen hinterlassenen Szenenentwürfen thematisiert wird, lässt sich bei näherer Betrachtung zumindest eine privatrechtliche Dimension aufweisen: Sowohl in H2,6 als auch in H4,8 wird deutlich, dass Woyzeck ein „vereinbarungswidriges Verhalten“ (Stiening 2019, 672) zeigt, da er sich in den genannten Szenen nicht an die zwischen ihm und dem Doctor vereinbarte Regelung hält, seinen Harn zur Untersuchung im Rahmen des Experiments für einen begrenzten Zeitraum abzuliefern (vgl. MBA VII.1, H4,8, 26 f.). Durch die Thematisierung des Vertragsbruchs wird das Privatrecht als für das Handeln und Leiden der Personen relevante Dimension im Woyzeck-Fragment angesprochen.

Grundsätzlich jedoch ist festzuhalten, dass das positive Recht nur eine marginale Rolle in Büchners Dramenfragment spielt. Das „überpositive“ (Niehaus 2015, 192) Recht hingegen findet seine Thematisierung durchaus bei Büchner. Auch wenn das positive Recht nicht von unmittelbarer Bedeutung für Woyzeck ist, kann und muss das Stück vor dem Hintergrund naturrechtlicher respektive menschenrechtlicher Überlegungen betrachtet werden.

Zum Recht und dessen „Theorie und Praxis“ bzw. „Sein und Sollen“ (Stiening 2012, 21) hat sich Büchner außerhalb seiner literarischen Arbeiten in verschiedenen Zusammenhängen positioniert. Dabei bezieht er sich auf naturrechtliche Argumente bzw. Forderungen (vgl. Stiening 2012, 26), während er die Praxis der Institutionen des positiven Rechts mit Argwohn betrachtet und der Richterschaft stellenweise sogar Skrupellosigkeit vorwirft (vgl. Stiening 2012, 36). Trotz seiner kritischen Distanz zum Rechtssystem (vgl. Niehaus 2015, 192) ist Büchner kein Gegner der Rechtsstaatlichkeit, er sieht diese jedoch machtmissbräuchlichen Tendenzen unterlegen und daher als reformbedürftig an.

Wie bereits mehrfach betont wurde, spielt im Drama Woyzeck die Zurechnung als juridischer Begriff eine zentrale Rolle, indem nicht von der Mordtat ausgegangen wird, stattdessen jedoch die Disposition des literarischen Woyzeck zum Gegenstandsinteresse avanciert. Die Rechtssphäre ist daher nicht im unmittelbaren, sondern bloß im mittelbaren, übertragenen Sinne im Stück allgegenwärtig (vgl. hierzu ausführlicher Niehaus 2015, 191). So etwa schon bei der Figur Woyzeck selbst, dessen Visionen, die wiederholt von Freimaurern und Feuerszenarien handeln, einen Hinweis auf das göttliche Strafgericht bieten. Durch die Verlagerung auf ein göttliches Gericht sieht Hans Dieter Schäfer einen Abgesang an die Justiz gegeben, aus deren Zuständigkeitsbereich der literarische Woyzeck falle (vgl. Schäfer 2013, 13). Der gerichtliche Bezug findet sich außerdem bei der Unterredung Woyzecks beim Doctor, die einer Verhörsituation gleichkommt, wobei dem Stück bereits als Theaterstück ein Verhör- und Inszenierungscharakter im weiten Sinne naheliegt (vgl. Pethes 2012, 201).

Im Hinblick auf Büchners Perspektive auf die Zurechnungsfrage (vgl. hierzu ausführlicher Reuchlein 1985, 45–76) konkurrieren gegenwärtig zwei grundlegende Deutungsansätze: Eine Hypothese lautet, dass Büchner mit seinem Woyzeck einen sympathieträchtigen Pauper gezeichnet habe, der als Leidtragender prekärer sozio-ökonomischer und medizinisch-experimenteller Umstände kaum als zurechnungsfähig gelten durfte. Befürworter der anderen These hingegen beharren auf Büchners analytisch-sezierender Methode der Autopsie und Anatomie, d. h. „Teile herauszupräperieren und Verbindungslinien herzustellen“ (Schäfer 2013, 5), die zwar eine umfassendere Perspektivierung auf die Zurechnungsfrage erlaubt, sich jedoch einer zuverlässigen Positionierung verweigert. Alfons Glück fasst den Text als „dichterischen Einspruch gegen das Urteil im historischen Prozeß [auf], in dem ein seelisch schwer kranker Pauper geköpft wurde, nach einem Verfahren, das schon 1824 umstritten war, […] und das nach Maßstäben, wie sie Büchner anlegte, […] an Justizmord grenzte“ (Glück 1984, 245). Dagegen hat Michael Niehaus (2015, 197) geltend gemacht, dass Büchner nicht auf ein Eigenurteil und eine Justizrevision abzielte, denn Büchner habe seinen Woyzeck als weder eindeutig zurechnungsfähig noch unzurechnungsfähig bestimmt. Auch Bernhard Greiner stimmt dieser Einschätzung bei und verweist unter anderem auf die Vorsätzlichkeit der Mordtat, die der literarische Woyzeck ausübt (vgl. Greiner 2010, 310). Zudem kann festgestellt werden, dass Büchner eine – schon durch die abweichenden Rufnamen deutlich unterschiedene – eigene Woyzeck-Figur konstruiert und somit eine unmittelbare Anknüpfung an den realen Rechtsfall verunmöglicht. Der Name ,Woyzeck‘ „fungiert … diskursanalytisch gesehen als Signifikant, der die juridische Frage nach der Zurechnung in diese Szenenfolge importiert“ (Niehaus 2015, 196). Mithin wird die offene Dramenform, die jedoch aufgrund des Fragmentstatus’ notwendig spekulativ verbleibt, als Hinweis dafür aufgefasst, dass es dem Dramatiker Büchner wesentlich um die Erzeugung von Deutungsoffenheit und die Verweigerung einer literarischen Justizkorrektur ging (vgl. Niehaus 2012). Unabhängig von der jeweiligen Positionierung kann es als unbestritten gelten, dass Büchner mit seiner Gestaltung des Kriminalfalls die forensische Kernproblematik aufgreift und sich in der Folge Fragen nach Woyzecks Schuldfähigkeit aufdrängen.

Was den interpretatorischen Zugriff jenseits der Zurechnungs- und Schuldfrage betrifft, so lassen sich innerhalb der Forschung gegenwärtig zwei gegenläufige Tendenzen beobachten (vgl. Schwarzer 2017, 120): Die eine Seite beruft sich auf die fragmentarische Faktur des Dramas, bei der nicht einmal die Szenenfolge abschließend geklärt ist. Textimmanent wird eine zuverlässige Bestimmung einer potenziellen Kausalkette, die die Bühnenfigur Woyzeck zu ihrer Mordtat veranlasst haben könnte, für nicht abschließend begründbar gehalten; Interpretationsansätze werden in der Folge bestenfalls als spekulativ eingestuft. Dem stehen kontextualistische Ansätze gegenüber wie insbesondere die „autorintentionalistische Bedeutungskonzeption“ (Röcken 2008, 200): Der Fragmentstatus des Textes wird nicht als entscheidendes Interpretationshindernis angesehen; Lücken im Text werden kompensiert durch hermeneutische Rekonstruktionen unter Rekurs auf das generelle Weltbild, die politischen Überzeugungen, wissenschaftlichen Studien und den Briefwechsel des jungen Dichters.

Beide Zugriffsmöglichkeiten sind in ihrer Reinform mit Vorsicht zu betrachten: Die textimmanente vernachlässigt die historische sowie wissenssoziologische Dimension, die dem Stück bereits qua Sujetwahl im Ausgang von einer realen Fallgeschichte zukommt. Die kontextualistische Strömung wiederum misst dem Briefwechsel und anderen außertextuell dokumentierten Aussagen des jungen Büchner u.U. allzu viel Bedeutung bei. Wie grundlegend problematisch die Deutungslage ist, resümiert Arnd Beise (2010, 116): „Im Grunde kann man Woyzeck so wenig interpretieren, wie es das Drama als solches gibt.“

Unstrittig ist jedoch, dass Büchner mit seinem Stück über die eng gefasste Frage nach der Zurechnungs- und somit Schuldfähigkeit hinausgeht. Er präsentiert ein komplexes Panorama, das weder eine unmittelbare Exkulpation des Täters ermöglicht noch einen moralisierenden Impetus erkennen lässt. Dass moralisierende Erklärungen nicht zum Inventar Büchners gehörten, lässt sich auch mit Verweis auf eine studentische Schrift bekräftigen, in der sich Büchner im Wintersemester 1830/31 von jeglichen moralisierenden Erklärungsversuchen bei der Beurteilung von Suiziden distanziert und die moralische Beurteilung von an geistigen Erkrankungen Leidenden vehement ablehnt (vgl. MBA VII.2, 79 f.). Im Woyzeck wird stattdessen der Begutachtungshorizont um ein Vielfaches erweitert und verkompliziert, die möglichen Ursachen einer Tat umfassender behandelt: „Was ist das, was in uns lügt, mordet, stiehlt?“ (Brief an Wilhelmine Jaeglé, nach Mitte Januar 1834, MBA X.1, 31), heißt es in einem Brief. Daher lässt sich die Annahme plausibilisieren, wonach das literarische Gewicht auf die Verbrechensentwicklung und weniger auf das Verbrechen als solches fällt.

Hierfür werden die krankheitssymptomatischen Anzeichen der Figur Woyzeck stärker forciert. Dass psychotische Aspekte für Büchner im Laufe seiner Schreibarbeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, zeigt sich im Vergleich zwischen den Szenen Freies Feld und Woyzeck und Andres in einem Bett, die sowohl in H1 (H1,6 sowie H1,7) als auch in H4 (H4,12 sowie H4,13) überliefert sind (vgl. hierzu auch Neuhuber 2017, 332). Anzeichen von Schizophrenie und halluzinatorischen Wahrnehmungen („Akoasmen und verbalakustische Aberrationen“, Neuhuber 2017, 334) Woyzecks sind bereits in H1 erkennbar und verdichten sich in H4 um ein Vielfaches.

Allerdings zielen solche Aspekte nicht auf eine Pathogenese der Figur Woyzeck ab und sind daher nicht als Beitrag zur Schuldfrage zu deuten. Vielmehr lässt Büchners Anverwandlung des historischen Stoffes einen wertneutralen Blick erkennen, der sich eines moralischen Urteils enthält. Die Literatur wird hierbei nicht zum Gerichtshof letzter Instanz überhöht, sondern verweist vornehmlich auf ihre Darstellungsfunktion. Eine solche kann zwar mittels Darlegungen möglicher Ursachen und Motive des Täters Woyzeck ein umfassenderes Bild erzielen, steuert jedoch nicht darauf zu, einer metajuristischen Ersatzfunktion nachzukommen. Büchners Drama verschließt sich „auf verschiedene Weise gegen die Fälle und Diskurse, die es aufgreift“ (Lehmann 2009, 369). Johannes F. Lehmann schlägt daher vor, das Bühnenstück selbst als Darstellung verschiedener Fallrepräsentationen und -konstitutionen aufzufassen (u. a. juristische, medizinische, wissenschaftliche, dramatisch-theatralische Fälle; vgl. ebd.), denen allesamt und in verschiedenen Diskursbereichen ein „Beobachten, Protokollieren, Experimentieren, Diagnostizieren“ (ebd.) zugrunde liegt.

4. Ausblick: Büchner zur Gerichtsbarkeit der Literatur

Büchners Woyzeck-Fragment wurde lange Zeit vorrangig als literarische Antwort auf einen Justizirrtum, mithin als Gerechtigkeitsstück (vgl. zu dieser Einschätzung schon Greiner 2010, 297) und Gegengutachten aufgefasst. Dem ersten Eindruck nach ließe sich eine solche Annahme sogar mit Büchners poetologischem (Selbst-)Verständnis in Einklang bringen. So käme der Literatur eine Gerichtsbarkeit, ein hyper-juridischer Status als das gerechtere Weltgericht zu. Hierfür könnte dann auf einzelne Briefe des jungen Dichters verwiesen werden, in denen er die Literatur als ein verspätetes Gerechtigkeitsinstrumentarium ansieht. So äußert der damals erst 19-jährige Büchner in einem mit radikalen Bekenntnissen („Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt“, MBA X.1, 19) versehenen Brief an seine Eltern vom 5. April 1833 sein umfassendes Misstrauen in die Justiz, die er als bloßes Machtinstrumentarium der herrschenden Klasse beanstandet:

Was nennt Ihr denn gesetzlichen Zustand? Ein Gesetz, das die große Masse der Staatsbürger zum fronenden Vieh macht, um die unnatürlichen Bedürfnisse einer unbedeutenden und verdorbenen Minderzahl zu befriedigen? Und dies Gesetz, unterstützt durch eine rohe Militärgewalt und durch eine dumme Pfiffigkeit seiner Agenten, dies Gesetz ist eine ewige, rohe Gewalt, angethan dem Recht und der gesunden Vernunft, und ich werde mit Mund und Hand dagegen kämpfen, wo ich kann. (Brief an die Eltern vom 5. April 1833, MBA X.1, 19)

Dass epistolare Aussagen des jugendlichen Autors zur Unterstützung herangezogen werden, erweist sich jedoch als bedenklich. Zudem lässt sich mit anderen Aussagen Büchners just für die entgegengesetzte These argumentieren, dass Literatur im Allgemeinen weder die Rolle einer Gerichtsbarkeit noch der Dichter im Besonderen die Rolle eines moralisch differenzierteren Richters einzunehmen habe. Als aufschlussreich hierzu zeigt sich die poetologische Diagnose des 21-jährigen Büchners: „Der Dichter ist kein Lehrer der Moral, er erfindet und schafft Gestalten, er macht vergangene Zeiten wieder aufleben, und die Leute mögen dann daraus lernen“ (Brief an die Eltern vom 28. Juli 1835, MBA X.1, 66 f.). Noch deutlicher äußert sich Büchners Abgesang an ein zweckdienliches Literaturprogramm, das der Beförderung einer ausgleichenden Gerechtigkeit dienen soll, in einem nochmals späteren Brief:

Ich gehe meinen Weg für mich und bleibe auf dem Felde des Drama’s, das mit all diesen Streitfragen nichts zu thun hat; ich zeichne meine Charaktere, wie ich sie der Natur und der Geschichte angemessen halte, und lache über die Leute, welche mich für die Moralität oder Immoralität derselben verantwortlich machen wollen. Ich habe darüber meine eignen Gedanken […]. (Brief an die Eltern vom 1. Januar 1836, MBA X.1, 79)

Damit positioniert sich Büchner zugleich gegen Friedrich Schillers (vgl. zu Büchners Verhältnis zu Schiller beispielsweise Glebke 1995, 137–140) vielzitierte Vorstellung der Schaubühne als moralischer Anstalt:

Die Gerichtsbarkeit der Bühne fängt an, wo das Gebiet der weltlichen Gesetze sich endigt. Wenn die Gerechtigkeit für Gold verblindet, und im Solde der Laster schwelgt, wenn die Frevel der Mächtigen ihrer Ohnmacht spotten, und Menschenfurcht den Arm der Obrigkeit bindet, übernimmt die Schaubühne Schwert und Waage, und reißt die Laster vor einen schrecklichen Richterstuhl. (Schiller 1962 [1785], 92)

Während Schiller mit seiner Forderung der Literatur und dem Theater eine Zweckmäßigkeit dahingehend aufsetzt, eine höhere Gerechtigkeit zu erzielen als die manchmal defizitäre praktizierende Justiz, verweigert Büchner eine solche Vereinnahmung seiner Dichtung energisch. Damit können Teile seiner Dichtung, allen voran seine Woyzeck-Adaption, zwar als Gegenstand für die Recht-und-Literatur-Forschung betrachtet werden, allerdings nur insofern von einem Law-in-literature- und weniger von einem Literature-as-law-Standpunkt ausgegangen wird.

Jenseits von Büchners literarischem Woyzeck lässt sich die Frage nach der Gerichtsbarkeit der Literatur jedoch weniger eindeutig beantworten. In der Recht-und-Literatur-Forschung sind hierzu verschiedene Ansätze eruierbar, die der Literatur mal die Rolle einer gerechteren, weil polyperspektivischeren Justiz zu attestieren versuchen, mal den Eigenständigkeitscharakter literarischer oder literarisch verarbeiteter Kriminalfälle hervorheben.

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Zitationsvorschlag

Nursan Celik (2023): Woyzeck, in: Thomas Gutmann, Eberhard Ortland, Klaus Stierstorfer (Hgg.), Enzyklopädie Recht und Literatur (Stand: 15. Mai 2023),
doi: 10.17879/00089711297
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