Autonomie (der Literatur)
Stand 15. Januar 2024
gr. αὐτονομία; lat. autonomia; engl. autonomy; frz. autonomie; ital. autonomia; span. autonomía
,Autonomie‘, aus dem Griechischen αὐτονομία als Zusammensetzung aus αὐτός (‚selbst‘) und νόμος (‚Gesetz‘), bedeutet allgemein Eigengesetzlichkeit und Freiheit von äußeren Normen oder Zweckbestimmungen; der Gegenbegriff ist ,Heteronomie‘ (Fremdbestimmung). Als staatsrechtlicher Begriff wird autonomia seit der Antike für die kollektive Selbstbestimmung bzw. von fremder Herrschaft unabhängige Normsetzungsautorität einer politischen Körperschaft verwendet. Davon zu unterscheiden ist das neuzeitliche philosophische Konzept personaler Autonomie bzw. individueller Willens- und Handlungsfreiheit. Wenn von ‚Autonomie der Literatur‘ oder allgemeiner ‚der Kunst‘ gesprochen wird, bezieht sich dies entweder im engeren Sinn auf literarische Werke respektive Kunstwerke, für die der Anspruch erhoben wird, dass sie jeweils nur ihrem eigenen, werkspezifischen Gesetz verpflichtet seien und daher unter ihnen äußerlichen Maßstäben nicht angemessen beurteilt werden könnten, oder im weiteren Sinn auf literaturbezogene bzw. ästhetische Praktiken der Produktion, Rezeption oder Kritik literarischer Texte oder anderer Kunstwerke, für die wiederum der Anspruch erhoben wird, dass die betreffenden Praktiken nur ihren eigenen Gesetzen unterworfen sein sollten – den Normen der betreffenden literarischen Gattung oder allgemeiner den gesellschaftlichen Konventionen der literarischen oder ästhetischen Kommunikation. Die Autonomie der Literatur in diesem weiteren Sinn wird in erster Linie ästhetisch begründet, allerdings im modernen Rechtsstaat notwendigerweise auch durch positiv-rechtliche Normen garantiert und zugleich eingegrenzt. Deskriptiv verstanden bezeichnet die Rede von der Autonomie der Literatur die seit dem 18. Jh., insbesondere seit dem Sturm und Drang und der Romantik, erfolgte Emanzipierung des literarischen Schreibens und der Bewertung literarischer Texte von jeglichen Ansätzen, die der Literatur und Kunst im Allgemeinen eine Zweckhaftigkeit (u. a. religiöser, politischer, sozialer oder didaktischer Art) auferlegen. Normativ reklamiert die autonomieästhetische Kunstlehre den Selbstzweck ästhetischer Werke und steht Versuchen zur Vereinnahmung von Kunst kritisch gegenüber. In juristischer Hinsicht ist mit der Verwendung des Autonomiebegriffs in Bezug auf Literatur oder Kunst üblicherweise der Schutz vor staatlichen Eingriffen in den Werk- und Wirkbereich der Kunst gemeint.
1. Einleitung: Vom staatsrechtlichen zum ästhetischen Begriff
Vor seiner Übertragung auf den Kunstbereich ab dem ausgehenden 18. Jh. und seinen modernen ästhetischen Umformulierungen taucht der Autonomiebegriff seit der Antike vornehmlich in politischen Staatstheorien auf und avanciert seit dem 17. Jh. zum staatsrechtlichen, seit dem späteren 18. Jh. auch zum moralphilosophischen Begriff. Exemplarisch für eine frühe Verwendung der Autonomiekategorie sind Thukydides und Herodot, in deren Schriften αὐτονομία bzw. das zugehörige Adjektiv αὐτόνομoς die nach innen oder außen gerichtete staatliche Freiheit, Selbstgesetzgebung und Souveränität bezeichnet (s.u. 2.1, vgl. a. Vollhardt 2007, 173). Ab dem 17. Jh. wird Autonomie schwerpunktmäßig als staatsrechtlicher, auch staatskirchenrechtlicher Begriff verwendet und entwickelt sich ab dem 18. Jh. allmählich und wesentlich durch Kants kritische Schriften initiiert zu einem philosophischen Grundterminus (vgl. Schneewind 1997, insb. Kap. 22, 483–507).
Autonomie als ursprünglich rechts- und staatstheoretische Kategorie meint grundsätzlich die Fähigkeit zu bzw. das Recht auf selbstbestimmtes Handeln (vgl. Gutmann 2024). Diese Grundbedeutung wird bei der Verwendung des Begriffs in aestheticis beibehalten. In ästhetischer Hinsicht meint Autonomie darüber hinaus die „Herauslösung der Kunst aus lebenspraktischen Bezügen“ (Costazza 2010, 139), soweit das möglich ist. Bei der Rede von der Autonomie der Kunst besteht, sofern mehr als die rechtlich garantierte Freiheit der Kunst (s.u. 5) gemeint ist, Präzisierungsbedarf. Während oft unklar bleibt, gegenüber welchen konkreten Faktoren und Bereichen eine Autonomie angezeigt werden soll, lassen sich in programmatischer Hinsicht zumindest zwei Kernmöglichkeiten bestimmen: zum einen Autonomie im Hinblick auf die Wirklichkeit und ihre etwaigen normativen Bestimmungen und Funktionszuschreibungen der Kunst für andere gesellschaftliche Teilsysteme, zum anderen Autonomie des aktuellen Werkschaffens bzw. des einzelnen Werks gegenüber bestehenden ästhetischen Regeln und Normen. Auch wenn ästhetische Autonomie und soziale Autonomie nicht deckungsgleich sind (siehe hierzu ausführlich Bennett 2010, 251–276), wird unter der Autonomie der Literatur üblicherweise beides subsumiert. Einen der neueren und nochmals differenzierteren Versuche, die literarische Autonomie bzw. den Autonomisierungsprozess zu beschreiben, bietet Andrew Goldstone (2013) an, der vornehmlich am Beispiel britischer, US-amerikanischer und französischer Literatur der Moderne die folgenden vier Autonomisierungen der Literatur behandelt: „the refusal of social realism through literary form, artistic impersonality, apolitical artistic exile, and linguistic nonreferentiality“ (Goldstone 2013, 2).
Insgesamt lässt die Begriffsgeschichte der Autonomie bei genauerer Untersuchung einige Konjunkturwellen feststellen: Während sich der Autonomiebegriff für das Mittelalter nicht nachweisen lässt, ist das Auftauchen und die politische Semantisierung im 17. Jh. und, nochmals prominenter, die Verwendung als staatsrechtlicher Begriff im späten 18. Jh. auffällig (vgl. Wolfzettel/Einfalt 2000, 432). Maßgeblich und prominent ist die Kategorie der Autonomie insbesondere in theologisch-religionsphilosophischen und nochmals stärker in religionspolitischen Diskursen, vorwiegend im ausgehenden 18. und 19. Jh. (vgl. Lehmann-Brauns 2005, Sp. 889), und kommt zudem in der praktischen Philosophie häufig vor. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die philosophische Verwendungsweise und Zentralität des ursprünglich genuin juristischen und staatsrechtlichen Terminus der Autonomie in Immanuel Kants Transzendentalphilosophie. Im Anschluss an Kant entwickelte Friedrich Schiller den Autonomiebegriff zu einem ästhetischen weiter, wie er heute noch oftmals gebraucht wird. Seit dem 19. Jh. gehört der Autonomiebegriff ununterbrochen zum Grundinventar von Disziplinen wie der Rechtswissenschaft und -theorie.
Konzeptuell und literaturhistorisch wird die Autonomie der Literatur in ihrer Diskurstradition zumeist mit der Autonomieästhetik gleichgesetzt (vgl. 3.1). In wirkungs- und rezeptionsästhetischer Hinsicht betonte die Autonomieästhetik die Kantische Prägung des „interesselosen Wohlgefallens“, in werkästhetischer Hinsicht wurde die auf Mimesis gründende Fremdreferenz zugunsten einer auf Fiktionalität basierenden Selbstreferenz zurückgedrängt und in produktionsästhetischer Hinsicht galt als Ideal nicht mehr das handwerkliche Können, sondern die im Sinne der Genieästhetik nobilitierte Kategorie der (Neu-)Schöpfung (vgl. Zelle 2005, Sp. 897 f.).
Inzwischen spielt der Begriff der Autonomie neben der Ästhetik und dem Recht längst auch für andere Disziplinen wie die Soziologie, Psychologie, Pädagogik und die Theologie eine zentrale Rolle und kann disziplinübergreifend als einflussreicher Terminus gelten. Im Folgenden wird die (literar-)ästhetische Autonomie zunächst historisch skizziert, danach ihre einschlägigen Konzeptionen nebst Abgrenzungen zu benachbarten Phänomenen dargelegt, die rechtlichen Dimensionen einer literarischen Autonomie diskutiert sowie abschließend ein Einblick in neuere Autonomiedebatten innerhalb der Literaturwissenschaft präsentiert.
2. Ästhetische Autonomie: Historische Stationen und Paradigmen
2.1. Antike
Der athenische Stratege Thukydides (ca. 460–400 v.Chr.) bezeichnet in seiner Geschichte des peloponnesischen Krieges (3.46) mit αὐτονομία die „Selbstgesetzgebung eines Gemeinwesens in Anerkennung einer übergreifenden Rechtsordnung“ (vgl. Ubl 2019, 45). Grundsätzlich ist festzustellen, dass Autonomie als politische Kategorie in der Antike vorwiegend für Städte und Staatengebilde gebraucht wird, die über eigene Angelegenheiten unabhängig von anderen Staaten und Mächten entscheiden und eigene Gesetze erlassen können (vgl. Prechtl 2008, 56). Daneben wird der Autonomiebegriff bisweilen auch für das einzelne Subjekt verwendet (vgl. Dietz 2013, 256). Die wohl älteste überlieferte Verwendungsweise von ‚Autonomie‘ in Bezug auf einen einzelnen Menschen findet sich in Sophokles’ Dramenstück Antigone (ca. 442 v. Chr.): Die Hauptfigur Antigone, Tochter des unseligen Königs Ödipus, möchte ihren Bruder Polyneikes bestatten, nachdem dieser im Kampf mit seinem Bruder Eteokles um die Herrschaft über Theben ums Leben kam. Die Bestattung des Polyneikes wird von ihrem Onkel Kreon, der nach dem Tod beider Söhne des Ödipus die Herrschaft in Theben übernommen hat, verboten, weil dem neuen Herrscher der Angreifer Polyneikes als Hochverräter gilt. Antigone widersetzt sich dem Befehl des neuen Königs und plant die Bestattung auch ihres politisch diskreditierten Bruders. Dafür erwartet sie die Todesstrafe. In den Worten des Chors während der Abführung Antigones verhielt sich diese, als lebte sie „nach eignem Gesetz“ (Antigone, Vers 821). Im griechischen Original verweist αὐτόνομoς ζῶσα auf Antigones politisch eigenwilliges, als antipolitisch verurteiltes Handeln. Dietz (2013, 256 f.) macht in diesem Zusammenhang auf die Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Freiheit aufmerksam, die den Gegenstand zahlreicher politischer und philosophischer Schriften und Theorien (u. a. des Euripides, Platons, Aristoteles’) im antiken Griechenland darstellt.
Es ist vor allem die Semantisierung von Autonomie als eine Form staatlicher Souveränität, die die weitaus später stattfindende, (früh-)neuzeitliche Prägung des Begriffs ausmacht. Eine Verwendung des Autonomiebegriffs als genuin ästhetischer findet in der Antike weitgehend nicht statt. Eine der wenigen (spät-)antiken Ausnahmen bildet der griechische Rhetoriklehrer Himerios (ca. 315–386), der in einer Hochzeitsrede für seinen ehemaligen Schüler Severus (Or. 9.1) der rhetorischen Kunstfertigkeit (τέχνης καιρός) kontrastiv eine αὐτονομία ποιητική entgegensetzt, was an der Stelle wohl als frühes Konzept dichterischer Freiheit zu verstehen ist (vgl. Völker 2003, 154).
Ist der Autonomiebegriff in seiner ästhetischen Verwendungsweise einerseits vornehmlich erst ein Produkt der Moderne, lässt sich andererseits ein begrifflich zwar nicht verwandtes, aber konzeptuell ähnliches Vorgängerkonzept zur ästhetischen, hier: literarischen Autonomie bereits in antiken Dichtungslehren feststellen: Eine inhaltliche Nähe weist die Vorstellung einer Autonomie der Literatur zur licentia poetica auf, die im Wesentlichen die dichterische Freiheit bezeichnet, „von sprachlichen und sachlichen Darstellungskonventionen abzuweichen“ (Stockhorst 2008, Sp. 885). Gleichwohl stehen antikes Dichtungsverständnis und -praxis unter dem Anspruch der Überlieferung; die Dichtung verpflichtet sich daher weniger der Erfindung neuer Inhalte (vgl. Schmitz-Emans 2017, 207). Die Abweichungsmöglichkeiten, von denen die Dichtung Gebrauch zu machen legitimiert war, beschränkten sich primär auf vorrangig formale Aspekte wie die Drei-Stil-Theorie und die Metrik (vgl. Stockhorst 2008, Sp. 885), später auf literarisch-ästhetische Normen insgesamt sowie schließlich auf die Möglichkeit zur freien Sujetwahl und Abkehr von der Wahrheitsverpflichtung, die auch die Erdichtung fiktiver Wirklichkeiten erlaubte. Die dichterische Freiheit umfasste außerdem die „Freistellung von den moralischen Pflichten, Anstandsgeboten, kultischen Obliegenheiten und politischen Sprachregelungen der herrschenden Gesellschaftsordnung“ (Ortland 2006, 52). In dieser doppelt ausgerichteten Freiheit – Freiheit gegenüber Normen innerhalb des literarischen Systems, Freiheit gegenüber Normen außerhalb des literarischen Systems – zeigt sich die große konzeptuelle Nähe der licentia poetica zum modernen, seit der Autonomisierung des Kunstsystems leitgebenden Prinzip der literarisch-ästhetischen Autonomie.
Jedoch basiert auch die licentia poetica, die keineswegs zu jeder beliebigen Abweichung legitimiert (vgl. Stockhorst 2008, Sp. 885), auf Normhaftigkeit und Regelhaftigkeit. Denn es gilt auch für eine Abweichung, nicht zuletzt, um diese von Fehlern und Widersprüchen unterscheiden zu können, das Funktionsprinzip, das eine jeweilige Normabweichung überhaupt erst rechtfertigt. Funktionslose Abweichungen hingegen fallen nicht unter die dichterische Freiheit. Dies verdeutlicht außerdem das Potenzial der licentia poetica, der unverkennbar eine „Dialektik von etablierter Norm und kalkulierter Abweichung“ (Stockhorst 2008, Sp. 886) zugrunde liegt, selbst auch als normgebendes Instrument eingesetzt zu werden: Mit gezielten Normbrüchen können neue Normen begründet werden (zum Verhältnis von Norm und Abweichung in der Literatur siehe Fricke 1981 sowie ders. 2000). Es gilt mit Fricke somit zu präzisieren, dass „die ästhetische Freiheit nicht in blinder Regel-, Norm- oder Zwecklosigkeit besteht, sondern allein darin, daß der Dichter sich vom Zwang äußerer Regeln, Normen und Zwecke befreit, um sich innerhalb eines Werkes seine Regeln, Normen und Zwecke selbst zu setzen“ (Fricke 1981, 92). Vor diesem Hintergrund spricht Carolin Amlinger von einer „Poetik der Arbeit […], die sich selbst die Regeln ihrer Produktivität setzt und eine relative Autonomie des Autors von außerliterarischen Bindungen erfordert“ (Amlinger 2021, 617).
2.2. Frühe Neuzeit
Für das Mittelalter lässt sich keine Verwendung des Autonomiebegriffs belegen. Erst ab der Reformationszeit und im Anschluss an den Augsburger Religionsfrieden von 1555 (vgl. Lehmann-Brauns 2005, Sp. 889) taucht dieser erstmalig im deutschsprachigen Raum als Entlehnung des Griechischen autonomía auf (vgl. Vollhardt 2007, 173) und wird in der Frühen Neuzeit vorwiegend juristisch sowie außerdem religiös und bereits vereinzelt philosophisch gebraucht.
Neben der seit der Spätantike kursierenden Unterscheidung zwischen den artes liberales, jenen sieben ‚freien‘ Künsten wie u. a. der Rhetorik und der Musik, die nicht als Broterwerbstätigkeit, und den artes mechanicae, die als Broterwerbstätigkeit angesehen und gegenüber den artes liberales als niederrangig gewertet wurden, bieten das Mittelalter und insbesondere die Frühe Neuzeit für die Autonomieentwicklung der Literatur historisch gesehen wichtige Impulse. Ähnlich wie schon mit dem Grundsatz der licentia poetica spielen in der europäischen Frühneuzeit Dichtungsfreiheiten eine maßgebliche Rolle. Als wesentlich zu nennen ist beispielsweise die in der italienischen Renaissance-Dichtung kursierende licenza del fingere, wie sie mit Torquato Tasso (u. a. im Epos Gerusalemme Liberata von 1581) einen namhaften Vertreter im 16. Jh. hat. Anders als die licentia poetica, die vorrangig auf formale Abweichungen abzielt, sind es die Abweichungen von der Wirklichkeit und somit die Möglichkeit zu erfinden, zu der die Dichtungskonvention der licenza del fingere berechtigt. Als verhältnismäßig autonome Dichtungskonvention ihrer Zeit erweist sich die licenza del fingere somit als ein Vorgängermodell zum modernen Fiktionalitätskonzept, insofern mit dieser die Freiheit zur Erfindung legitimiert wird.
Ab dem Spätmittelalter beginnt sukzessive der institutionelle und soziale Eigenständigkeitsprozess von Literatur, der die autonomieästhetischen Bestrebungen der Moderne maßgeblich vorbereitet. Ab der Neuzeit lassen sich dann verstärkt literarische Ausdrucksformen ausfindig machen, „die sich von vornherein dem Druck der Institutionen Schule und Kirche entziehen und dem Kanon der Erbauungsliteratur fern liegen, in denen also die Tendenzen zur Abhebung vom religiösen Alltag sich stärker behaupten“ (Lefebvre 2007, 21).
Eine Rehabilitierung der „poetischen Erdichtungen“ nimmt – wesentlich später – auch Baumgarten in seiner Ästhetik-Schrift vor, konkret in den Abschnitten XXX (Fictiones) und XXXI (Fictiones Poeticae). Baumgarten geht davon aus, dass eine natürliche Affinität zwischen poetischen Erdichtungen und Wahrheit bestehe: „Nicht nur Dinge, die dem Wahren am nächsten sind, sondern auch die meisten im strengsten Sinne wahren Dinge selbst können nur mit Hilfe von Erdichtungen im weiteren Sinne auf schöne und sinnliche Weise erdacht werden“ (Aesthetica, Teil I, § 506, S. 485). Allerdings ergänzt Baumgarten, dass Erdichtungen, die über keine Äquivalenz in der Wirklichkeit verfügen und auch nicht an bereits bestehende poetische Erdichtungen anknüpfen, zumindest im Hinblick auf innere Wahrscheinlichkeit und Kohärenz zu überzeugen in der Lage sein sollten (vgl. Aesthetica, Teil I, §§ 518–525, S. 494–503). Die Verbindung zur licenza del fingere und zum modernen Fiktionalitätskonzept, das jedoch, wie etwa in Gottscheds Dichtungstheorie prononciert dargelegt, zunächst die Wahrscheinlichkeitsbedingung zu erfüllen hat und erst ab dem 18. Jh. zur Legitimation der Einbildungskraft und somit zunehmend neuer bzw. erfundener Inhalte fungiert, wird hierbei eindeutig erkennbar.
2.3. Moderne und Gegenwart
Die Autonomisierung der Literatur und ihr grundlegender Legitimationswandel fanden vorrangig in der kulturellen Moderne als Ergebnis eines zunehmenden Ausdifferenzierungsprozesses des Kunstsystems statt. Begünstigt wurde die Autonomisierung der Literatur in der Moderne, allen voran in der idealistischen Periode (siehe die einflussreichen ästhetischen Programmschriften von Immanuel Kant, Karl Philipp Moritz, Friedrich Schiller usw.), durch mehrere unterschiedliche gesellschaftliche und ästhetische Faktoren und Entwicklungen: Zu nennen wäre zum einen die Absetzung eines einstmals vorrangig allegorischen Literaturverständnisses zugunsten eines zunehmend selbstreferenziellen (vgl. Wolfzettel/Einfalt 2000, 437). Die Autonomisierung des literarischen Feldes haben zum anderen auch die Änderungen im Bereich der Öffentlichkeitsstruktur sowie die Vergrößerung des Lesepublikums befördert, zudem die Durchsetzung eines neuen Stilideals, das die einstige Vorherrschaft der Formalsprache zugunsten einer natürlichen, dem Alltagsgebrauch näheren Sprache zurückdrängte (vgl. Zelle 2005, Sp. 897). Eine wesentliche Rolle spielte in diesem Zusammenhang auch der „Bruch mit der rhetorischen Tradition“ (Ubl 2019, 45) ab dem späten 18. Jh. sowie die Aufwertung bis hin zu Nobilitierung der Künstlerfigur, wie sie prominent in der Genieästhetik ihren bisherigen Höhepunkt fand. Die Aufwertung der Künstlerfigur wiederum basierte auf der Herauslösung der künstlerischen Praxis aus ihrem Status als bloße handwerkliche Praxis.
Allgemeinhin wird die Autonomisierung des Kunstsystems der Sattelzeit um 1800 zugeschrieben, als sich die Vorstellung weitgehend etablieren konnte, der zufolge das literarisch-ästhetische „Symbolsystem nicht verlustlos in ein anderes, diskursives übersetzt werden kann“ (Hiebel 2013, 43). In der Folge konnte sich das Kunstsystem von traditionellen Institutionen, Regeln und Wertungskriterien lösen (vgl. Thomé 2011, 33). Zu den unmittelbaren Folgen dieses Paradigmenwechsels gehörte der Geltungsverlust einstiger rhetorischer, thematischer und didaktischer Vorgaben an die Kunst. Im engeren Sinne ist es jedoch erst die Romantik, die einem weit verbreiteten Verständnis nach „die Poetisierung der Welt im Sinne von Autonomie und Zweckfreiheit“ (Hiebel 2013, 44) zum Programm erhob. Für die moderne Literatur und Kunst leitgebend ist hierbei die Neubestimmung des Verhältnisses von Ethik und Ästhetik, wiewohl sich am Beispiel von Schillers ästhetischen Abhandlungen und zahlreichen anderen ästhetischen Programmschriften darlegen lässt, dass die verbreitete Vorstellung von einer Trennung von Ästhetik und Ethik der Entwicklung nicht gerecht wird. Wie Joachim Jacob klarstellt, vollzieht sich im 18. Jh. „keineswegs die Abtrennung von Ethik und Ästhetik, sondern im Gegenteil, die ethische Dimension wandert tief in die Kunst ein, und zwar noch viel tiefer, als bisher denkbar war“ (Jacob 2010, 52).
Begünstigt durch die Herausbildung der Ästhetik als eigenständige philosophische Disziplin und damit einhergehend der Aufwertung der Sinnlichkeit als mögliches Erkenntnisinstrument, außerdem durch die Verbreitung einer Genieästhetik sowie durch Auflockerung bis hin zur Ablehnung ästhetischer Regeln und Normen, erfuhr das ästhetische Feld einen grundlegenden Betrachtungswandel (vgl. Witt 2019, 219). In ästhetischer Hinsicht erfolgte die zunehmende Losbindung der Literatur gegenüber regelpoetischen Vorgaben, hierbei insbesondere dem der Dichtkunst auferlegten horazischen Diktat eines prodesse et delectare und dem Ideal einer Lehrdichtung, wie sie noch von der europäischen Aufklärung und dem Humanismus maßgeblich vertreten wurden. Denn noch in der europäischen Aufklärung wird die Dichtung bisweilen funktionalisiert, wenn auch nicht mehr primär nach regelpoetischen Maßstäben, sondern nunmehr verstärkt als Mittel zur ethischen Belehrung und politischen Bildung. In sozialer Hinsicht ist es die Abkehr von ihrer einstigen Repräsentationsfunktion (etwa politisch-staatlicher, religiös-christlicher oder moralischer Ideale), die die autonome Entwicklung beförderte.
Die Autonomievorstellung von Literatur hat unmittelbar bis mittelbar Auswirkungen auf produktions-, werk- und rezeptionsästhetische Aspekte. In produktionsästhetischer Hinsicht wird der Autorrolle die Bedeutung zugeschrieben, nur er (oder sie) könne das jeweilige Werk erschaffen, in werkästhetischer Hinsicht wird der Zweck des literarischen Textes allein literaturspezifisch verortet und in wirk- und rezeptionsästhetischer Hinsicht die Rezeptionshaltung affirmiert, keine Zweckabsichten außerhalb der kontemplativen Lektüre zu verfolgen (vgl. Thomé 2011, 33).
Wie gesehen, ist es erst die Moderne im weiten Sinne, die den Autonomiebegriff auf den Bereich der Ästhetik überträgt. Der Gedanke von der Autonomie der Kunst als fehlender Zweckhaftigkeit außerhalb ihrer selbst und somit des Anspruches, „nicht die Verkündung moralischer Thesen oder die Erzielung moralischer Wirkung“ (Adorno 1973, 344) als Ziel zu setzen, wird in zahlreichen philosophisch-ästhetischen Theorien des ausgehenden 18. und frühen 19. Jh.s formuliert und befürwortet. Der philosophische sowie auch spezifisch ästhetische Autonomiebegriff verdankt seine hauptsächliche Prägung und Relevanz jedoch erst der Philosophie Kants. Kant gebraucht den Autonomiebegriff erstmals in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785), wo er das oberste Prinzip der Sittlichkeit darstellt (vgl. GMS, AA IV, 440) und sich im Anschluss zur Schlüsselkategorie der praktischen Philosophie durchsetzt. In Kants Philosophie entwickelt sich die Autonomiekategorie verstanden als Freiheit vor institutioneller Fremdbestimmung zum Diktum, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und sich jeglicher Form von Fremdbestimmung (Heteronomie) zu widersetzen (vgl. GMS, AA IV, 440). Im engeren Sinne erfordert die Selbstbestimmung des Einzelnen die Distanzierung von äußeren Einflüssen wie etwa sinnlichen Neigungen und zweckdienlicher Interessen als Handlungsmotivationsgrund. Der Mensch gilt Kant zufolge als autonom, sobald sich dessen Wille eigene Gesetze gibt, d. h. insofern sich der Mensch selbst in seiner Eigenschaft als Vernunftwesen zu bestimmen imstande ist; hingegen „[w]enn der Wille irgend worin anders, als in der Tauglichkeit seiner Maximen zu seiner eigenen allgemeinen Gesetzgebung, mithin, wenn er über sich selbst hinausgeht, und in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus“ (GMS, AA IV, 441). In der Folge verlieren jene Normen ihren Geltungsanspruch, die nicht aus der alleinigen Vernunftbestimmung resultieren, sondern Ergebnis von etwa autoritären, gesellschaftlichen oder rechtlichen Wesensbestimmungen sind (vgl. zur Übersicht Lehmann-Brauns 2005, Sp. 890).
Einflussreich für den Autonomiegedanken in der modernen Kunst ist Kant insbesondere deshalb, weil er die ästhetische Freiheit bzw. Produktion als selbstgesetzgebend, anstelle von regelbefolgend bestimmt. In seiner Kritik der Urteilskraft (1790) wird das ästhetische Urteil vornehmlich als „Wohlgefallen ohne alles Interesse“ (KdU § 2, B 5 [AA V, 204]; § 5, B 16 [AA V, 211]) umschrieben. Laut Kant findet ein „interesseloses Wohlgefallen“ bei einer ästhetischen Betrachtung immer dann statt, wenn ein ästhetisches Objekt nicht in einer Zweckmäßigkeit im Verhältnis zu einem außer ihm liegenden Zweck wahrgenommen wird, wenn also etwa Literatur „nicht mit ihren Inhalten interessiert, sondern die Leserin und den Leser in ein von den Inhalten distanziertes Wohlgefallen versetzt“ (Matuschek 2021, 229).
In der Fähigkeit, eine Handlung nicht basierend auf äußeren Motivationszwecken, sondern allein aus der Vernunft heraus und selbstgesetzgebend auszuführen, liegt im Sinne Kants die eigentliche Freiheit des Menschen begründet, die er als autonom verstanden wissen will. Diese Bestimmung der menschlichen Autonomie mitsamt ihren zahlreichen Umformulierungen und Interpretationen im deutschen Idealismus ebnet den Weg für autonomieästhetische Ansätze. Kants Prägung des Autonomiebegriffs wird wenig später prominent u. a. von Friedrich Schiller aufgegriffen und zu einem dichtungstheoretischen Begriff und Konzept umfunktioniert. Schiller knüpft an Kants autonomen Freiheitsgedanken unmittelbar an, formuliert diesen jedoch von einem wesentlich durch das universale Sittengesetz, das der Vernunft zugrunde liegt und durch sie zu Bewusstsein gebracht werden muss, geprägten Freiheitsbegriff zu einem individuellen (Heautonomie) um. Autonom ist nach Schiller das Schöne, insofern es den Eindruck vermittelt, als agiere es selbstbestimmt. In der Folge bestimmt Schiller die schöne Kunst als „Freyheit in der Erscheinung“ (23. Brief, NA 20, 386). In seinen ästhetischen Schriften fasst Schiller Schönheit und Freiheit zusammen bzw. ernennt die Kunst zur „Tochter der Freyheit“ (2. Brief, NA 20, 311), womit die selbstgesetzgebende Kraft der künstlerischen Form zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Zelle 2005, Sp. 898). Damit wird freilich auch der Versuch unternommen, die Kunst zu nobilitieren und sie aus der zum damaligen Zeitpunkt noch dominierenden Nützlichkeitsverpflichtung zu befreien:
Der Nutzen ist das große Idol der Zeit, dem alle Kräfte frohnen und alle Talente huldigen sollen. Auf dieser groben Waage hat das geistige Verdienst der Kunst kein Gewicht, und, aller Aufmunterung beraubt, verschwindet sie von dem lermenden Markt des Jahrhunderts.
(2. Brief, NA 20, 311)
In den 1795 in den Horen publizierten Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen knüpft Schiller neben dem Kant’schen Autonomiebegriff auch an Karl Philipp Moritz’ Vorstellung einer autonomen Kunst aus dessen Programmtext Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (s.u. 3.1) an „und verleiht ihr die für die westlichen Gesellschaften der Moderne wirkmächtige ‚klassische‘ und zugleich auch eine sehr deutsche Gestalt“ (Albers 2022, 3): „Freyheit zu geben durch Freyheit ist das Grundgesetz dieses [ästhetischen] Reichs“ (27. Brief, NA 20, 410). Zudem bestimmt Schiller die ästhetische Erfahrung als „das Schlüsselerlebnis […], in dem Menschen fühlen, was Freiheit ist: die zwanglose Balance gegensätzlicher Triebe“ (Matuschek 2021, 232). Das durch die ästhetische Erfahrung erlebte individuelle Freiheitsempfinden hat laut Schiller aber zugleich weitreichende Folgen, insofern es eine notwendige Bedingung für die gesellschaftliche Freiheit und Emanzipation darstelle (vgl. 2. Brief, NA 20, 312): „Bevor man zur politischen Freiheit gelangen könne (die Schiller wie die Revolutionäre in der republikanischen Verfassung sieht), müsse deshalb im individuellen menschlichen Empfinden das Gefühl der Freiheit geweckt und vermittelt werden“ (Matuschek 2021, 232). Ziel der ästhetischen Erziehung des Einzelnen ist in letzter Konsequenz eine „Verbesserung im politischen“ (9. Brief, NA 20, 332). Schillers Autonomieansatz ist somit ein ethisch-politischer. Es ist die Vorstellung eines ästhetischen Idealstaates, die Schiller bereits in seinen Kallias-Briefen (1792/93) entwickelt. Schiller verortet die zweckfreie und somit auch unpolitische Schönheit als im Kern politisches Mittel, „durch welche[s] man zu der Freyheit wandert“ (2. Brief, NA 20, 312). Die autonome Kunst erweist sich bei ihm bei näherer Betrachtung als zweckdienlich für eine grundlegende Politisierung und Emanzipation des Einzelnen bzw. der Gesellschaft insgesamt. Die Autonomie der Kunst wird heteronom für ein übergeordnetes Ziel instrumentalisiert. Die von Schiller postulierte Autonomie der Kunst ist insofern ambivalent: Erscheint sie zunächst noch als durch und durch unpolitisch und zweckfrei, ist sie bei näherer Betrachtung tatsächlich aber der Bildung zur politischen Freiheit der Einzelnen und somit als Schillers Gesellschafts- und Staatsutopie dienlich. Diesen Aspekt gilt es jedoch historisch zu kontextualisieren, fällt Schillers Schaffen nämlich in die Zeit der Französischen Revolution, in der Versuche, Bürgern zur Freiheit zu verhelfen, fundamental scheiterten. Schiller ist in der Folge bemüht, alternative Möglichkeiten der Emanzipation des Einzelnen und der Gesellschaft im Ganzen zu suchen und sieht hierbei eine wesentliche Option in der Kunst gegeben.
Die kantische Prägung des Autonomiebegriffs, wie sie auch in Schillers ästhetischer Theorie erkennbar nachhallt, wurde nicht überall zustimmend aufgenommen: Einwände gegenüber Kants Autonomisierung des Menschen formulieren neben prominenten Größen wie Gottfried Herder und Johann Georg Hamann zahlreiche Denker und Dichter der deutschen Romantik, die die seit Kant auf den Menschen übertragenen göttlichen Attribute der absoluten Freiheit und Selbstbestimmung als alleinige Eigenschaften Gottes behaupten (vgl. Lehmann-Brauns 2005, Sp. 892). Dennoch beeinflusste Kant mit seiner Philosophie neben der Aufklärung auch die deutsche Romantikbewegung. Denn in Übereinstimmung mit Kant, wenn auch in ästhetischer Hinsicht radikaler, gehen die Romantiker tendenziell davon aus, dass die Handlungen des Subjekts nicht auf Heteronomie beruhen sollen, und entwerfen stattdessen das Ideal eines frei schöpferischen Subjekts (vgl. van Rooden 2019, 41).
Die europäische Romantik, deren Höhepunkt innerhalb der Forschung von einigen wie Isaiah Berlin im deutschsprachigen Raum des späten 18. Jh.s. verortet wird (Berlin 2013, 6), basiert, folgt man etwa van Rooden, auf einem Paradigmenwechsel von einem „regime of community“ hin zu einem „regime of singularity“ (vgl. van Rooden 2019, 30). Das Singuläre, die persönliche Freiheit des einzelnen Subjekts gilt es in diesem Zusammenhang ebenfalls zu differenzieren: Die persönliche Autonomie des Einzelnen ist dem romantischen Dichtungsverständnis nach eine soziale, insofern sie zur Demokratisierung und einer besseren Gesellschaft beitragen soll (vgl. van Rooden 2019, 50). Der Eskapismusvorwurf, der der Romantik bis heute anhaftet, lässt sich daher als unzutreffend bestimmen. Die weit verbreitete Annahme, wonach die romantische Bewegung Subjektivität und Rückzug in den ästhetischen Bereich propagierte, erweist sich aus mehreren Gründen als unzutreffend: Zum ersten wird der kantische Gegensatz zwischen Autonomie und Heteronomie nicht aufrechterhalten, stattdessen jedoch als zu überwinden aufgefasst. Zum zweiten ist die Autonomiekategorie in den romantischen Dichtungstheorien, von wenigen Ausnahmen wie Friedrich Schlegel abgesehen, kaum existent. Zum dritten wird die Literatur nicht als Kontrast zur Wirklichkeit und Gesellschaft bestimmt, sondern gilt, ähnlich wie schon bei Schiller, als potenzielles Mittel, um eine bessere Gesellschaft herbeizuführen. Diese Fehlinterpretation der romantischen Literaturästhetik als vermeintliches Plädoyer für gesellschaftlichen Rückzug qua Literatur führt Aukje van Rooden auf eine Umformulierung des Autonomiekonzepts zurück, konkret auf das „replacement of the original meaning of autonomy as ‚self-regulation‘ (autos nomos) with that of ‚disengagement‘“ (van Rooden 2019, 49).
Laut van Rooden (2019, 69) liegt der Unterschied zwischen Autonomisten und Anti-Autonomisten weniger darin, ob Kunst bereits der Kunst wegen legitimiert wird, sondern vielmehr darin, welches Potenzial dem ästhetischen Bereich bei der Herausbildung einer besseren Gesellschaft zukommt. Die Debatte ist insofern keine genuin auf Dichtung bezogene, stattdessen eine ideologische (vgl. van Rooden 2019, 69). Damit einhergehend erweist sich auch das Verhältnis der Romantik und ihr vermeintliches Regime der Expressivität und Emotivität zur Aufklärung und ihrem Regime der Rationalität bei näherer Betrachtung keineswegs als oppositionell (vgl. van Rooden 2019, 35), sind die grundlegenden Ziele nämlich ähnlich, wenn auch die angestrebten Mittel und Herangehensweisen durchaus distinktiv.
Seit Mitte des 20. Jh.s wird neben der literarästhetischen Verwendungsweise der Autonomiekategorie, die hier vornehmlich die „Beziehungslosigkeit [der Literatur] zur außerliterarischen Welt“ (Matuschek 2021, 235) meint, auch eine sozialhistorische erkennbar: Autonomie der Literatur verweist im soziologischen Sinne, etwa der Theorie Niklas Luhmanns (vgl. insbesondere Die Kunst der Gesellschaft, 1995) oder auch Pierre Bourdieus (vgl. insbesondere Die Regeln der Kunst: Genese und Struktur des literarischen Feldes, 2019 [1992]) folgend, sodann auf die Eigengesetzlichkeit und -dynamik der Kunst als gesellschaftliches Teilsystem (vgl. Hurt 2019). In dieser soziologischen Analyse der Literaturautonomie wird der Fokus auf die Abwendung der Literatur von institutionellen Einbindungen, etwa kirchlicher oder höfischer Art, wie sie bis zum 18. Jh. noch bestand, hin zur Entwicklung eines eigenständigen gesellschaftlichen Subsystems gesetzt. Das steht in enger Verbindung mit einem „anwachsenden Lesepublikum, dem damit entstehenden Zeitschriften- und Buchmarkt, insbesondere der großen Popularität der Romanliteratur“ (vgl. Matuschek 2021, 235).
Eine weitere neuere Prägung des Autonomiebegriffs findet sich in der literaturwissenschaftlichen Methodologie, in der Autonomie nicht mehr als spezifisch ästhetische Haltung, sondern quasi gleichbedeutend mit einer textzentrierten, werkimmanenten methodischen Richtung der Literaturwissenschaft betrachtet wird. Charakteristisch ist hierbei die von außerhalb des jeweiligen Werks stehenden Faktoren isolierte Interpretation von literarischen Texten. Im Gegenzug dazu werden etwaige kontextorientierte Methoden tendenziell als anti-autonomistisch bestimmt (vgl. van Rooden 2019, 78).
Als Gegenbegriff zur Autonomie der Literatur fungiert üblicherweise Heteronomie, die eine Form von Fremdgesetzlichkeit meint. Allerdings bleibt hierbei häufig unklar, worauf sich diese beiden Konzepte konkret beziehen bzw. woraus sich der unterschiedliche Abhängigkeitsstatus speist. Eine weitere problematische Opposition betrifft diejenige zwischen autonomer Literatur auf der einen und engagierter Literatur auf der anderen Seite. Zweitere, die littérature engagée, wie sie insbesondere mit der Literaturprogrammatik der französischen Intellektuellen Jean-Paul Sartre und Albert Camus in Verbindung gebracht wird (vgl. z. B. Sartre 1981 [1948]), meint in einem weiten Sinne jede Form von Literatur, die auf ein spezifisches außerliterarisches Engagement abzielt.
Das Gegenprogramm zur autonomen Literatur bildet engagierte Literatur jedoch nicht zwingend: Wird die Autonomiekategorie soziologisch aufgefasst, so wird mit dieser lediglich der Status der Literatur und Kunst als eigenes gesellschaftliches Teilsystem angegeben. Ob und in welchem Maße Literatur zugleich gesellschaftswirksam fungiert, wird bei einer solchen Verwendungsweise von Autonomie nicht zwingend mittransportiert. Zudem zeugen manche als ,engagiert‘ apostrophierte Literaturansätze von einer Ambivalenz hinsichtlich des Verhältnisses von Autonomie und Heteronomie. Hans H. Hiebel (2013, 44) verweist für diesen Zusammenhang exemplarisch auf Bertolt Brecht, dessen Poetik sich zwar wieder in den Dienst des prodesse et delectare stellt, ohne den Autonomie-Aspekt aufzugeben („Die Kunst ist ein autonomer Bezirk, wenn auch unter keinen Umständen ein autarker“, Brecht 1994 [1940], 417).
In rechtlicher Hinsicht auffällig ist, dass die Autonomisierung der Literatur ein neues Dichterverständnis bewirkt. Der Dichter wird hierbei als Autor, als „maßgebliche Begründungsinstanz des Textes“ (Schmitz-Emans 2017, 217) begriffen, der als Urheber sodann auch ethisch sowie juristisch verantwortlich gemacht werden kann. Infolgedessen gilt eine besondere Berücksichtigung der juristischen Domäne, die dem Autorbegriff etymologisch zugrunde liegt: Der Begriff des auctor (Urheber) wird zunächst ausschließlich im Recht verwendet und verweist dort auf die auctoritas, die einem auctor als „Inhaber eines Rechts in Verwaltungs-, Regierungs- und Rechtsgeschäften“ (Schmitz-Emans 2017, 217) zukommt. Die Entwicklung eines individualistischen Autor- und Autorschaftskonzeptes, die Professionalisierung des Schriftstellerberufes ab dem 18. Jh. (vgl. Amlinger 2021, 626) korrespondiert somit deutlich mit der juristischen Autorkategorie.
Als unmittelbare Folge eines neuen Autor(schafts)verständnisses und damit verbunden der Entwicklung rechtlich geregelter Urheber- und Verwertungsrechte äußert sich die Entstehung eines modernen, industriellen Literaturmarkts ab der zweiten Hälfte des 19. Jh.s in Deutschland (in England und Frankreich konnte sich ein Literaturmarkt schon weitaus früher etablieren, nämlich bis ca. Mitte des 18. Jh.s.; vgl. Amlinger 2021, 58), der wesentlich durch hochindustrielle, kapitalistische Vertriebsformen um 1870, neue, revolutionäre Techniken zur Bücherproduktion und durch den enormen Ausbau des Zeitungs-, Zeitschriften- und Unterhaltungsliteraturwesens und damit verbunden einer expandierenden Leserschaft vorangetrieben wurde (vgl. zum Ganzen Amlinger 2021, 1. Kap., insb. 58–62 u. 68–82). Die moderne Vorstellung eines ,geistigen Eigentums‘ und damit verbunden das Copyright, konkreter dessen rechtliche Manifestation, entwickelt sich erst im 18. Jh. allmählich (vgl. Schmitz-Emans 2017, 218). Das Autorenrecht birgt jedoch auch potenzielle Negativfolgen und lässt zugleich das Zensurrecht etablieren, insofern Autoren und Autorinnen für Dichtungsaussagen vollständig verantwortbar gemacht werden können.
3. Einschlägige Konzeptionen und Kriterien
3.1. Autonomieästhetik
Allgemeinhin wird das Konzept und die Doktrin einer autonomen Literatur als Gegenprogramm zu jeglichen Ansätzen verstanden, die der Literatur und Kunst insgesamt eine Zweckhaftigkeit (u. a. religiöser, politischer, sozialer, didaktischer Art) vorschreiben. In der Folge haben sich zwei Positionen entwickelt, die bis heute das literarische Geschäft prägen: Zum einen die Autonomieästhetik, die die Eigengesetzlichkeit, Eigenwertigkeit (vgl. Bartl/Famula 2017) und (Zweck-)Freiheit der Literatur und Kunst insgesamt proklamiert, zum anderen Ansätze, die entgegen der Autonomieästhetik auf Fremdgesetzlichkeit und Zweckhaftigkeit verweisen.
Der autonomieästhetische Literaturansatz präsentiert ein Gegenprogramm zu älteren, aus der antiken Rhetorik heraus begründeten Ansätzen und Traditionen (vgl. Matuschek 2021, 230), die Literatur noch in den Dienst einer wie auch immer gearteten Zweckerfüllung stellen. Insbesondere ist es jedoch die lange Zeit maßgebende horazische Poetik des prodesse et delectare, die ab dem 18. Jh. sukzessive durch autonomieästhetische Ansätze abgelöst wird, die für eine Literatur frei von jeglichen Funktionszuschreibungen plädieren. Eine der ersten und einflussreichsten autonomieästhetischen Dichtungstheorien mit Grundsteincharakter ist Karl Philipp Moritz’ Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften unter dem Begriff des in sich selbst Vollendeten, die er 1785 in der Berlinischen Monatsschrift publiziert, und deren Grundansätze wenige Jahre später nochmals verdichtet in Ueber die bildende Nachahmung des Schönen (1788) fortgeführt werden, in der das Kunstschöne als innere Zweckmäßigkeit der Kunst propagiert wird. In den Worten Moritz’:
Der Begriff vom Unnützen nehmlich, in so fern es gar keinen Zweck, keine Absicht ausser sich hat, warum es da ist, schliesst sich am willigsten und nächsten an den Begriff des Schönen an, in so fern dasselbe auch keines Endzwecks, keiner Absicht, warum es da ist, ausser sich bedarf, sondern seinen ganzen Werth, und den Endzweck seines Daseyns in sich selber hat. (Moritz 1788, 13)
Nicht nur wird die fehlende Zweckhaftigkeit der schönen Kunst formuliert bzw. „dass sie nicht nützlich zu seyn braucht“ (Moritz 1788, 15) und infolgedessen auch nicht mehr der aufklärerischen Doktrin des prodesse et delectare Folge leisten zu hat (vgl. Scheler 2021, 60), sondern Moritz geht noch einen Schritt weiter, indem er das Verhältnis zwischen dem Unnützen und dem Schönen dahingehend bestimmt, „dass die Begriffe von schön und unnütz nicht nur einander nicht ausschliessen, sondern sogar sich willig ineinander fügen“ (Moritz 1788, 14 f.). Zudem diskutiert er das In-sich-selbst-Vollendete der Kunst.
Sowohl der Autonomisierungsprozess der Kunst als auch konkret die Entwicklung einer Autonomieästhetik findet vorrangig ab dem ausgehenden 18. Jh. statt. Begünstigt werden diese Prozesse durch vier zentrale Entwicklungen: 1) durch die zunehmende Loslösung der Künste von höfischen Abhängigkeits- und Repräsentationsverhältnissen, 2) durch die Verdrängung des humanistischen Ideals einer lehrenden und didaktischen Kunst und etwaiger Sozialdisziplinierungspflichten, 3) durch die im Wesentlichen durch Alexander Gottlieb Baumgartens Aesthetica erfolgte Begründung der Ästhetik als eigenständige Disziplin und Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis, die die menschliche Wahrnehmung als Erkenntnisapparat aufwertete, sowie 4) und einhergehend mit 2) durch die zunehmende Losbindung von der Vorstellung einer zweckmäßigen Kunst, wie sie maßgeblich durch die rhetorische Tradition erzeugt wurde (vgl. Matuschek 2010, 60).
Wiewohl es stets zu berücksichtigen gilt, dass die Entwicklung, Etablierung, ja Karriere des Autonomiekonzeptes in künstekomparatistischer Hinsicht von Ungleichzeitigkeiten charakterisiert ist, lassen sich im Vergleich der einzelnen Künste sind Differenzen hinsichtlich Begriff und Konzept beobachten: Während die Autonomieästhetik in der Dichtung zentral ist, ist eine solche weniger in Bezug auf die Bildende Kunst und nochmals deutlich weniger in der Musik zu beobachten. Auch im europäischen Vergleich sind Unterschiede sichtbar: In der französischen Literatur und Literaturgeschichte tritt im 19. Jh. anstelle der Autonomieästhetik die Formel l’art pour l’art oder alternativ die poésie pure und in der englischen ist es insbesondere das benachbarte Konzept des aestheticism, wie es zur ähnlichen Zeit in Literatur und Bildender Kunst florierte (s. u. 3.2).
3.2. L’art pour l’art und Ästhetizismus
In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s findet der ästhetische Emanzipierungs- und Autonomiegedanke seine bislang radikalste Manifestation in der französischen Literatur und Literaturtheorie und dem Ästhetizismus, der „die Selbstreflexion der Kunst unter eigenen Vorzeichen fort[]führt“ (Scheler 2021, 38). Die Parole l’art pour l’art lässt sich auf Benjamin Constant (1767–1830) zurückführen, der in einem Tagebucheintrag zu einer Unterredung mit dem englischen Schelling-Schüler Henry Crabb Robinson (1775–1867) im Jahr 1804 vermerkt: „Son travail sur l’Esthétique de Kant a des idées très énergiques. L’art pour l’art, sans but, car tout but dénature l’art“ (Constant 1928, 13). Constant kann jedoch allenfalls in philologischer Hinsicht als Erfinder dieser Parole gelten (vgl. Heftrich 1977, 23), kaum aber der darin ausgedrückten Einstellung zur schönen Kunst.
Etwa eine Generation später, ab etwa 1830 wird die dem Ästhetizismus als „Verabsolutierung des Ästhetischen“ (Streim 2010a, 50) meist zugrundeliegende Formel l’art pour l’art zum „Kampfruf“ der französischen Romantiker (vgl. Werner 2007, 20). Sie wird, zwar nicht begrifflich, sondern ausschließlich programmatisch, prominent im Vorwort des Romans Mademoiselle de Maupin (1835) von Théophile Gautier gebraucht, das als Manifest dieser Bewegung gelten kann (vgl. Scheler 2021, 38). Mit der Parole l’art pour l’art wird Kunst zum absoluten Selbstzweck stilisiert und jegliche Versuche ihrer Vereinnahmung, etwa für bürgerliche oder moralische Zwecke, abgelehnt. Infolgedessen kann dieses poetische Prinzip zurecht als weitgehend gesellschaftsindifferent bezeichnet werden. Im deutschen und englischen Ästhetizismus avanciert dieses vereinzelt dann gar zum Lebensstil und zur Mode (vgl. Matuschek 2010, 60). Allen voran die in europäischen Großstädten blühenden Bohème-Kulturen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s. knüpfen unmittelbar an ästhetizistische Vorstellungen an, indem sie utilitaristische Kunstvereinnahmungsversuche überwiegend ablehnen (vgl. Werner 2007, 21). Dem ästhetizistischen Anspruch nach steht Kunst jenseits aller Normativität und Funktionalität. Bald schon wird die ästhetizistische Doktrin nochmals radikalisiert und zu einer allgemeinen Lebenshaltung erhoben (u.a. Dandyismus), die Schönheit, Subjektivität und individuelle Empfindsamkeit grundlegend stilisiert und nicht selten in einem „Kult der Künstlichkeit“ (vgl. Werner 2007, 20) mündet. Damit fungiert der literarische Ästhetizismus auch als Gegenprogramm zu literaturgeschichtlich gleichzeitigen Strömungen wie dem Realismus und dem Naturalismus.
Der Ausdruck ,Ästhetizismus‘ geht zurück auf das erstmals 1855 in England auftauchende aestheticism, das zunächst die Kunstauffassung der aus Dichtern, Malern und Kritikern bestehenden Gruppe der Präraffeliten bezeichnet und später für das aesthetic movement etwa eines John Ruskin insgesamt verwendet wird (vgl. Werner 2007, 20). In der deutschsprachigen Literatur wird der Ästhetizismusbegriff vornehmlich in Bezug auf die Wiener Moderne (Fin de siècle) verwendet, in der französischen findet er seine Äquivalenz in der Bewegung des esthéticisme. Zu den bekanntesten Ästhetizismus-Vertretern in der französischen Literatur des 19. Jh. sind insbesondere Charles Baudelaire und Joris-Karl Huysmans, in der englischsprachigen vor allem Oscar Wilde und Dante Gabriel Rossetti zu zählen, während in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jh. Stefan George, Hugo von Hofmannsthal und Gottfried Benn zu den bekanntesten Größen gehören.
Als poetologisches Programm wird unter ,Ästhetizismus‘ als radikale Weiterführung der Autonomieästhetik die Verabsolutierung und Nobilitierung der Kunst gegenüber Natur und Gesellschaft verstanden. In literaturhistorischer Hinsicht bezeichnet der Ästhetizismus eine Literatur- und Kunstströmung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s in England ihren Anfang nahm und schnell Anklang in anderen europäischen Literaturen fand. Der Ästhetizismus zeigt Verbindungen zu Folgeströmungen wie dem Symbolismus, dem Hermetismus und der Dekadenzdichtung.
Der Ästhetizismus stellt eine Radikalisierung des ästhetischen Autonomiekonzepts dar, insofern die Kunst als von jedweden Bereichen und Zwecken außer ihr selbst losgelöst betrachtet wird. In poetologischer Hinsicht charakteristisch ist hierbei ein streng formalistischer Sprachkunst-Ansatz. Dieser kommt besonders deutlich in der poésie pure, zu deutsch: pure bzw. absolute Poesie, zum Ausdruck. Die Vorstellung einer poésie pure, die das Gegenprogramm zu einer poésie engagée darstellt, wird als Ideal dann auch poetologisch umgesetzt, indem die literarische Sprache als von der Alltagssprache distinktive und sogar mit eigener Sprachlogik ausgestattet aufgefasst wird.
Renate Werner verweist auf die Negativkonnotation, die dem Ästhetizismus bereits in seiner Gründungs- und Frühphase anhaftete und bis heute anhält (vgl. Werner 2007, 20). Im Allgemeinen wird heute unter ,ästhetizistisch‘, und nochmals stärker als im Falle von ,autonomieästhetisch‘ oder ,autonomistisch‘, häufig der Vorwurf der Weltflucht und sozialen Gleichgültigkeit bis hin zum ästhetischen Hermetismus verstanden. Es gilt jedoch zu unterscheiden zwischen unmoralischer Kunst, wie sie Gegner dem Ästhetizismus vorwerfen, und außermoralischer bzw. amoralischer Kunst, wie sie überwiegend dem Selbstverständnis der ästhetizistischen Bewegung entspricht.
3.3. Symbolismus
Beim Symbolismus (frz. symbolisme; engl. symbolism), der begrifflich auf die französische Verwendungsvariante durch Jean Moréas in Un Manifeste littéraire (1886) zurückgeht und häufig auf dem Grundprinzip des l’art pour l’art beruht, handelt es sich um eine internationale Strömung in der Literatur, insbesondere in der Lyrik und bildenden Kunst, deren Hochphase auf das späte 19. und frühe 20. Jh. datiert werden kann. Weil Lyrik insbesondere in der Anfangszeit die bevorzugte Gattung des Symbolismus darstellte, galt dieser zunächst als Bezeichnung für eine Stil- und Poesietendenz innerhalb der französischen Literatur (vgl. zur französischen Bewegung des Symbolismus Lehmann 1968; zum Einfluss der französischen Symbolisten auf andere Nationalliteraturen ausführlich Zanucchi 2016), entwickelte sich anschließend jedoch zu einer modernen Unterbewegung in mehreren europäischen wie auch außereuropäischen Nationalliteraturen und fand vereinzelt auch Eingang in andere Gattungen wie etwa in das Drama.
Grundlegende Charakteristika des begrifflich verhältnismäßig konturarmen Symbolismus, der zunächst für den literarisch-poetischen Bereich und erst ab Ende des 19. Jh.s auch auf die bildende Kunst angewandt wurde (vgl. Streim 2010b, 746), ist das Symbol als ganzheitliche Ausdrucksmöglichkeit einer als separat wahrgenommenen Wirklichkeit, das eine nicht sinnlich-empirisch wahrnehmbare Verwandtschaft zwischen einzelnen Dingen der Welt aufzeigen soll.
Zu den typischen Stilmitteln gehören eine streng formalistische Kunstsprache mit anti-naturalistischer und -positivistischer Tendenz und eine auffällig evokative Symbolik und Schreibweise (vgl. Boerner 2007, 555), mittels derer eine Repräsentation „begrifflich nicht fassbarer Seelenzustände“ (Streim 2010b, 745) erreicht werden soll, sowie ferner neuartige Bild- und Wortkonstellationen, sprachliche Verfremdungen und Synästhesie (vgl. Streim, ebd.). Wirkungsästhetisch ist für symbolistische Literatur eine Tendenz zu stark suggestiver und assoziativ-bildreicher Sprachverwendung erkennbar, die aufgrund ihrer Symbolhaftigkeit zumeist viel Spielraum für Interpretationsansätze zulässt, was der Literatur des Symbolismus im Allgemeinen eine auratische Prägung bescherte. Auch die gesteigerte Musikalität von Sprache und die häufige Verwendung von onomatopoetischen Figuren stellt ein typisches Stilmittel des Symbolismus dar (siehe ausführlicher zu den formalen Besonderheiten des Symbolismus die nach wie vor hilfreichen Studien von Lawler 1969 und Hoffmann 1987). Als Credo kann hierbei die neoplatonische und idealistische Position festgehalten werden, dass hinter dem Sichtbaren unsichtbare Wahrheiten wie etwa verborgene Seelenzustände bestehen, die mittels einer bloß abbildend-realistischen Sprache nicht zur Darstellung gebracht werden können. Als Ergebnis entsteht zumeist eine metaphysische Kunstwelt, die als von der Wirklichkeit abgetrennt verstanden wird. Damit erweist sich der Symbolismus, ähnlich wie auch schon die parallel verlaufenden Bewegungen des Ästhetizismus, der Dekadenz und des Jugendstils, als ein Gegenprogramm zur zeitgenössischen Literatur des Realismus und des Naturalismus, die auf möglichst authentische Darstellung der sichtbaren Wirklichkeit abzielte.
Weil es dem Symbolismus als Begriff und Konzept insgesamt an Konturschärfe mangelt und sich diese Bezeichnung innerhalb der deutschen Literatur kaum durchsetzen konnte, erweist sich eine Abgrenzung gegenüber benachbarten zeitgenössischen Bewegungen wie dem Ästhetizismus und dem Mystizismus, die allesamt dazu neigen, Literatur zu sakralisieren, als schwierig. Gemeinsam ist den genannten Bewegungen jedoch, dass ihnen zum Teil der Vorwurf des Eskapismus, des Elitarismus und der Dekadenz anhaftet, weshalb bis heute eine polemische Färbung der Bezeichnung ,Symbolismus‘ besteht (vgl. Boerner 2007, 556). Eine starke Verbindung zur Autonomie der Literatur zeigt der literarische Symbolismus als Wortkunst-Bewegung nicht zuletzt wegen der sprachlichen Erzeugung einer als eigenständig behaupteten Kunstwelt und damit verbunden der Sakralisierung der Kunstsphäre.
4. Konzeptuelle Zusammenhänge
Neben dem Autonomiebegriff werden häufig und mitunter stellvertretend verwandte Begriffe wie Freiheit, Selbstzweck und Autarkie gebraucht, die jedoch keine Äquivalenz zum ersteren aufweisen. Eine semantische Nähe zur literarischen Autonomie scheint auf dem ersten Blick auch der Begriff und das Konzept der Autopoiesis aufzuweisen. Auch wenn dieses unmittelbar mit der Autonomie (der Literatur) zusammenhängt, gilt es, die hierbei bestehenden Differenzen im Folgenden knapp aufzuzeigen. Daneben spielt im Hinblick auf die Autonomie respektive Autonomisierung der Literatur und Künste in der Moderne die Entwicklung und Etablierung des heutigen Fiktionalitätskonzepts eine stark begünstigende Rolle. Die Nähe und Unterscheidbarkeit zur Fiktionalität wird im Folgenden ebenfalls skizziert.
4.1. Autopoiesis
Zwischen der Autonomie der Literatur und der Autopoiesis besteht auf dem ersten Blick Verwechslungspotenzial. Beide Begriffe und deren Konzeptualisierungen für das literarische Feld gilt es jedoch zu unterscheiden, wiewohl eine starke Korrespondenz besteht. Der Ausdruck ,Autopoiesis‘ als Zusammensetzung aus autós (‚selbst‘) und poesis (‚machen‘) verweist ursprünglich auf die Selbsthervorhebung oder -erhaltung eines (zellularen) Systems, allgemeiner auf die Selbstorganisation eines lebenden Organismus mitsamt dessen Komponenten (vgl. Varela/Maturana/Uribe 1974, 188 f.). Autopoiesis wird jedoch längst auch in anderen Bereichen begrifflich gebraucht und meint disziplinübergreifend im Wesentlichen den Akt der Selbstherstellung bzw. der Eigenproduktion.
Zu einem zentralen Terminus avancierte ,Autopoiesis‘ in der Systemtheorie Niklas Luhmanns, der diesen in Anwendung auf soziale Systeme und als Markierung von deren Kernorganisationsform gebraucht. Luhmann geht von der Grundannahme aus, dass moderne Gesellschaften durch soziale Systeme inklusive Subsysteme, so etwa das Kunstsystem, als operativ geschlossene Teilbereiche gekennzeichnet sind, die sich eigenständig regulieren (vgl. Luhmann 1984, insb. Kapitel 1, 30–91; Luhmann 1995, 217; vgl. dazu a. Gutmann 2023, 227) und durch stetig neue Herausbildung konstitutiver Systemmerkmale von anderen Systemen abgrenzen. Aus Sicht von Luhmanns Systemtheorie generieren soziale Funktionssysteme so eine Differenz und Autonomie von anderen Funktionssystemen – so auch das autopoietische System der Kunst, das wie kaum ein anderes Funktionssystem „heterogene Operationsweisen in einen autopoietischen Funktionszusammenhang zusammen[spannt]“ (Luhmann 1995, 289) und dessen Kommunikationsprozesse einer Eigenlogik folgen. In letzter Konsequenz konstatiert Luhmann einen „Zusammenhang zwischen funktionaler Differenzierung des Gesellschaftssystems, damit verbundener operativer Schließung und autopoietischer Autonomie der Funktionssysteme“ (Luhmann 1995, 404). Autopoietischen Systemen wie dem Kunstsystem liegt nach dieser Theorie die Besonderheit zugrunde, dass sie ihre Strukturen selbst hervorbringen (vgl. Luhmann 1995, 301).
Aus systemtheoretischen Literaturansätzen lässt sich ein enger Zusammenhang zwischen Autonomie und Autopoiesis ableiten. Genauer gesagt kann Erstere eine Bedingung für Zweitere darstellen, insofern der Autonomieaspekt bisweilen voraussetzt, dass es a) überhaupt einmal eine Form von Selbst, d. h. das autos, gibt, das im Anschluss b) selbstgesetzgebend oder -regulatorisch agieren kann. Eine Verdichtung solcher literarisch-ästhetischer Selbstorganisation findet sich literaturgeschichtlich zuhauf. Als einschlägig zu nennen wäre etwa die Annahme einer ,reinen‘, absoluten Dichtung, wie sie in Poésie-pure-Ansätzen zu erkennen ist und die die Vorstellung einer selbstreferenziellen Literatur pflegt, die sich unter anderem in der Annahme fortschreibt, wonach „Literatur […] eine spezifische Form der Bedeutung [habe], die sich nicht in diskursive Sprache übertragen lasse“ (Jannidis 2003, 307). Es ist nicht zuletzt Moritz, dessen Ueber die bildende Nachahmung des Schönen neben Schillers Ästhetischen Briefen als eigentliches Gründungsdokument eines autonomistischen bzw. autonomieästhetischen Literaturansatzes gelten kann (s.o. 2.3), das auf den Zusammenhang von Autonomie und Autopoiesis, wenn auch zwar nur implizit, aufmerksam macht. Konkret am Beispiel des Teil-Ganzes-Verhältnisses führt er zunächst aus, dass jedes Teil eines Ganzen eine Beziehung zu anderen Teilen aufrechterhalten muss, „das Ganze, als Ganzes betrachtet, hingegen, braucht weiter keine Beziehung auf irgend etwas ausser sich zu haben“ (Moritz 1788, 16). Eine solche Selbstgenügsamkeit verortet Moritz sodann in der schönen Kunst, konkreter im individuellen Kunstwerk, das er als befreit von jedweder Nützlichkeitspflicht angibt:
Hieraus sehen wir also, dass eine Sache, um nicht nützlich seyn zu dürfen, nothwendig ein für sich bestehendes Ganze seyn müsse, und dass also mit dem Begriff des Schönen der Begriff von einem für sich bestehenden Ganzen unzertrennlich verknüpft ist. (Moritz 1788, 16)
Wird das Literatur- und Kunstsystem als eigenregulativ verstanden, so ist dies nur vor dem Hintergrund eines aufklärerischen, d.h. autopoietischen, Subjektverständnisses nachvollziehbar.
4.2. Fiktionalität
Zwischen der Autonomie der Literatur und Fiktionalität als literarischem Kernprinzip lässt sich eine große Affinität bis hin zu Abhängigkeit feststellen, mithin wird Erstere erst durch Verweis auf Zweitere legitimiert. Obgleich Fiktionalitätspraktiken im weiten Sinne bereits in der Antike stattfinden, ist es erst die Fiktionalität als modernes Konzept und ,Errungenschaft‘ (vgl. Franzen et al. 2018; siehe hierzu auch Konrad 2020), die im engen Verhältnis zu ästhetischen Autonomisierungs- und Ausdifferenzierungsprozessen steht. Dies hängt vorrangig damit zusammen, „dass ,ältere‘ Literaturstufen die Trennung von Fiktion und Realität ,noch nicht‘ entwickelt haben, dazu aber potenziell in der Lage sind – Fiktionalität erscheint [also] als etwas, das in einem historischen Prozess erst ,erfunden‘ werden muss“ (Franzen et al. 2018, 7).
Als grundlegendes Prinzip moderner Literatur und Kunst löst Fiktionalität Mimesis als einstiges Vorrangsprinzip im literarisch-ästhetischen Feld sukzessive ab. In letzter Konsequenz gilt es nicht mehr, „Kunst in den Dienst einer [vorrangig] mimetischen, der Wirklichkeit verpflichteten Darstellungsweise zu stellen“ (Achermann/Arjomand-Zoike/Celik 2023, 6). Für vormoderne Literaturstufen ist hingegen das Mimesis-Prinzip leitgebend, das literaturgeschichtlich betrachtet begrifflich und konzeptuell in zwei unterschiedliche Richtungen hin interpretiert worden ist: Ursprünglich und vornehmlich unter Berufung auf Aristoteles’ Poetik verweist mimesis, das auf dem Griechischen ,mimos‘ (μῖμος) beruht, schlicht auf die Darstellung (in der Literatur). Auf diese Semantisierung macht auch Käte Hamburger in Die Logik der Dichtung aufmerksam (1977, 17) und grenzt sich damit von der zweiten, dominanten Zugriffsweise ab, die sich inhaltlich am enger gefassten lateinischen Äquivalent der imitatio orientiert (vgl. zur Begriffsrezeption der Mimesis Halliwell 2009, z.B. 13, sowie Erhart 2007) und stattdessen den Nachahmungsaspekt in den Vordergrund stellt.
Wird Mimesis als Nachahmung von Wirklichkeit gefasst, wie es die Begriffsgeschichte nachhaltig geprägt hat, so wird die Unterscheidbarkeit zur Fiktionalität umso deutlicher. Während die mimetische Literatur so gesehen die Wirklichkeit nachzuahmen versucht und insofern welterschließend fungieren kann, beruft sich die fiktionale Literatur auf die Lizenz und Möglichkeit, von der gegebenen Wirklichkeit abzuweichen und im Feld des Scheins neue Welten zu erzeugen. In der Folge wird die Fiktion häufig als von der Wirklichkeit abgekoppelt aufgefasst, dem fiktionalen Kunstwerk der „Charakter eines eigenständigen Organismus“ (Scheler 2021, 94) zugesprochen und die literarästhetischen Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten entsprechend entgrenzt. Wenngleich es voreilig wäre, im Anschluss hieran von eigenständigen Welten zu sprechen (siehe als Gegenargument dazu die starke Wirklichkeitsabhängigkeit, von der sich selbst fiktionale Darstellungen nicht lösen können, ausgiebig diskutiert u. a. bei Eco 1994), so hält sich gleichwohl eine solche Vorstellung hartnäckig.
Für ein differenzierteres Verständnis des Fiktions- und Fiktionalitätsbegriffs macht die neuere Forschung verstärkt auf die Unterscheidung zwischen Fiktionalität und dem verwandten Begriff der Fiktivität aufmerksam (vgl. Celik 2023, 20 f.): Während Fiktionalität respektive ‚fiktional‘ eine Eigenschaft ist, die Texten oder anderweitigen ästhetischen Medien zugeschrieben wird, ist ‚fiktiv‘ ein ontologisches Prädikat, das Gegenständen und Inhalten in fiktionalen Medien zukommt, die erfunden sind (vgl. Celik 2023, 21). Demzufolge handelt es sich bei fiktionalen literarischen Texten um eine spezifische Darstellungsweise, basierend auf einer regelgeleiteten Kommunikationspraxis (vgl. hierzu u. a. Lamarque/Olsen 1994, 256 f.; ähnlich auch Gutmann 2023, 231, der hierbei von einer „Form regelgeleiteten Handelns“ spricht), die nicht bereits etwas über das jeweilige Verhältnis zwischen Fiktion und Wirklichkeit angibt. Stattdessen wird mit dem Fiktionsstatus, der sich vornehmlich aus produktions- und rezeptionsästhetischen Aspekten und Konventionen entwickelt, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, potenziell von realen Sachverhalten abzuweichen und das textuell Ausgesagte bloß als schein-aussagend aufzunehmen. Infolgedessen erweist sich eine Opposition zwischen Fiktion und Wirklichkeit lediglich als tentativ.
Unabhängig davon verhalten sich Fiktionalität und literarische Autonomie wechselseitig zueinander: Fiktionalität als ein Darstellungsmodus, der üblicherweise von der Verpflichtung befreit, wahre Behauptungen und Sachverhalte darzustellen, trägt zur Autonomisierung eines literarischen Kunstwerks bei, wie umgekehrt die literarische Autonomie Fiktionalität legitimiert. Sowohl Fiktionalität nach kommunikationspragmatischer Definition (Befreiung von der Aussagen- und Richtigkeitspflicht) als auch nach der verkürzten ontologischen Definition (Befreiung von der Referenzpflicht hinsichtlich der dargestellten Gegenstände und Inhalte), kurzum: „Darstellen mit beschränkter Haftung und Darstellung ohne zu viele Konsistenzüberprüfungen“ (Bunia 2007, 148), stellt ein Alleinstellungsmerkmal des literarischen Textes dar, insofern es sich nicht an die Regeln zu halten hat, die Texten in üblichen Kommunikationssituationen wie z.B. in der assertorischen Rede auferlegt werden.
Diese Konvergenz von Fiktionalität und literarischer Autonomie wird auch in der Rechtsprechung debattiert: So statuiert in der Causa Mephisto von 1971 die Nymphenburger Verlagshandlung in ihrer Verfassungsbeschwerde, dass
[d]as Wesen jeden Kunstwerkes […] es aus[schließt], Romanfiguren etwa wegen „Ähnlichkeiten“ mit Menschen und Geschehnissen der realen Welt in Verbindung zu bringen und auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu prüfen. Ein Roman gestalte Raum und Zeit und die darin handelnden Personen als von der Realität abgelöste, eigenständige Erzeugnisse dichterischer Phantasie. (BVerfGE 30, 173 [182])
Wenngleich diese Sichtweise durchaus problematisch ist, so lässt sich nichtsdestoweniger der dominante Konnex zwischen Fiktionalität und Autonomie respektive Eigengesetzlichkeit feststellen. Auch das Sondervotum des dissentierenden Verfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Roman Esra von Maxim Biller im Jahr 2007 zeugt von einem hohen gerichtlichen Bewusstsein des Spannungsverhältnisses von Fiktionalität und Autonomie: „Wann aber kann eine ,ästhetische Realität‘ (verstanden als kunstspezifische Konstruktion von Wirklichkeit) Persönlichkeitsrechte überhaupt verletzen?“ (Sondervotum Hoffmann-Riem, BVerfGE 119, 1 [57]).
5. Rechtliche Dimension und Aporien der Kunstautonomie
5.1. Weimarer Verfassung
Eine rechtliche Garantie der Kunstautonomie gibt es in Deutschland erst seit kaum mehr als 100 Jahren. Ansätze für die heutige rechtliche Bestimmung von Kunst- und Wissenschaftsfreiheit finden sich jedoch bereits prominent in den Ästhetischen Briefen Schillers: „Von allem, was positiv ist und was menschliche Conventionen einführten, ist die Kunst wie die Wissenschaft losgesprochen, und beyde erfreuen sich einer absoluten Immunität von der Willkühr der Menschen“ (9. Brief, NA 20, 333). Ein Schutz vor hoheitlicher, staatlicher Gewalt, wie er ab dem 19. Jh. aufgrund der Einsicht in eine nach eigener Funktionslogik und distinkten Kommunikationsprozessen funktionierende Kunst zunehmend gefordert wird (vgl. Wittreck 2013, Rn. 2), besteht seinerzeit allerdings noch nicht. Stattdessen wird noch in der Moderne unter der Kunstfreiheit lange Zeit vornehmlich die Freiheit verstanden, dass der Künstler, die Orientierung an Gattungs- und Stilvorgaben seiner jeweiligen Zeit vorausgesetzt, Form und Inhalt der Darstellung wählen kann. Allerdings ist in dieser Freiheit noch kein „Schutz gegen das Einschreiten der Obrigkeit, die Grenzen der Sittlichkeit oder der zulässigen Kritik überschritten sieht“ (Wittreck 2013, Rn. 1), inbegriffen (für ein antikes Beispiel eines obrigkeitsstaatlichen Eingriffs in die Kunst siehe Ovids Verbannung).
Erste Ansätze der staatlichen Anerkennung des eigengesetzlichen Funktionssystems der Kunst finden sich im 19. Jh. in den sich allmählich entwickelnden Rechtsfiguren der Pressefreiheit und des Urheberrechts (vgl. Wittreck 2013, Rn. 8). Ihre erstmalige Manifestation äußert die rechtliche bzw. verfassungsrechtliche Gewährleistung der Kunstfreiheit jedoch erst im Art. 142 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung von 1919: „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei“ (vgl. Hufen 2011, § 101, Rn. 3 ff.; Wittreck 2013, Rn. 2 ff.). In der Schutzklausel in Art. 142 Satz 2 verpflichtet sich der Staat darüber hinausgehend zur Pflege von Kunst- und Kulturgütern. Davor war die Kunstfreiheit bestenfalls der Meinungs- und Pressefreiheit als „Unterfall“ (Pieroth 2021, 3) zugeordnet. Hinsichtlich der möglichen Bewegungsgründe der Nationalversammlung, die Kunstfreiheit aufzunehmen, verweist der Staatsrechtler Bodo Pieroth auf den Begründungshinweis des preußischen Kultusministers, „frühere unfreie Zustände“ (Kitzinger 1930, 455) jeglicher künstlerischer Bestrebungen, wie sie insbesondere im Kaiserreich an der Tagesordnung standen, sollten nicht fortgeführt werden (vgl. Pieroth 2021, 3). Der im Anschluss verfassungsrechtlich begünstigte Stellenwert von Kunst hatte zur Folge, dass sich die Jahre der Weimarer Republik zu einer „Blütezeit“ (Kiesel 2021, 722) deutscher Literatur entwickelten.
Von der in der Weimarer Verfassung garantierten Kunstfreiheit weitgehend ungeschützt blieben jedoch Kunstwerke, denen Unsittlichkeit, Beleidigung oder Gotteslästerung vorgeworfen wurde. In solchen Fällen blieb eine strafrechtliche Verfolgung weiterhin verfassungskonform. Zu den bekanntesten künstlerischen Beispielen, gegen die unter der Weimarer Verfassung strafrechtlich vorgegangen wurde, gehört die 1928 entstandene, militärkritische Illustration „Christus mit der Gasmaske“ des deutsch-amerikanischen Zeichners George Grosz, der in der Frühphase der dadaistischen Bewegung angehörte und für seine sozial- und gesellschaftskritischen Werke Bekanntheit erlangte. Die Illustration entstand im Rahmen des Großauftrags, satirische Szenenbilder für eine Bühnenfassung von „Der brave Soldat Schwejk“, einem Roman Jaroslav Hašeks, zu entwerfen, die 1928 unter der Regie von Erwin Piscator in Berlin uraufgeführt wurde (vgl. Seul 2010).
Grosz wurde 1928 zunächst vom Schöffengericht Charlottenburg zu einer Geldstrafe wegen Gotteslästerung nach 166 StGB verurteilt. In der Berufung wurde vor dem Landgericht ein Freispruch erwirkt, nachdem wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass auch für Kunstlaien erkennbar sei, dass die auf der Zeichnung platzierten Worte „Mund halten und weiter dienen“ nicht dem dargestellten Jesus Christus zuzuordnen sind und folglich der Vorwurf der Gotteslästerung nicht standhalten könne (vgl. Larcati 2007).
Wie der Fall „Christus mit der Gasmaske“ verdeutlicht, wurde bereits früh im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung zwischen Werk- und Wirkbereich differenziert und für ein potenzielles Verbot schwerpunktmäßig Zweiterer einer richterlichen Überprüfung unterzogen. Eine Überprüfung und Bewertung des Werkbereichs hingegen, etwa in qualitativer Hinsicht, war schon der Weimarer Verfassungsordnung zufolge nicht gestattet.
5.2. Art. 5 Abs 3 GG
Die Freiheit der Kunst, nicht zuletzt als Reaktion auf das „Kunstdiktat des Dritten Reiches“ (Ortland 2007, 40) seit 1949 im Art. 5 Abs. 3 GG grundrechtlich gewährleistet, zählt zu den unveräußerlichen Grundrechten in der Bundesrepublik Deutschland: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Im unmittelbaren Sinne verpflichtet sich der Staat mit Art. 5 Abs. 3 GG zu einem Abwehrrecht der Kunst, im mittelbaren Sinne ist damit auch die Schutz- und Pflegepflicht von bestehenden Kunst- und Kulturgütern inbegriffen (vgl. Wittreck 2013, Rn. 33).
Die Kunstfreiheit, die gegenüber anderen Äußerungs- und Medienformen als weitergehende und an spezifische Bedingungen geknüpfte Kommunikations- bzw. Artikulationsfreiheit gilt, umfasst den Werkbereich, der die Freiheit zur künstlerischen Betätigung sicherstellt, als auch den Wirkbereich, der auf die freie Distribution, Verkauf, Vermittlung, Rezeption und Bewerbung von künstlerischen Werken abzielt (vgl. BVerfGE 30, 173 [189]). Durch die Berücksichtigung von Werk- und Wirkbereich gleichermaßen wird somit nicht nur der einzelne Künstler oder die einzelne Künstlerin als natürliche Person in seiner oder ihrer künstlerischen Tätigkeit geschützt, sondern darüber hinaus auch Akteure, die Kunst verbreiten und vermitteln, also klassischerweise Kunstvermittler, Galeristen, Literaturverlage usw. Rechtlich gesichert wird die Kunstfreiheit zusätzlich durch weitere Bestimmungen wie das Urheberrechtsgesetz (UrhG), das die Rechte von Urhebern an ihren Werken und damit verbunden vor unbefugten Eingriffen, Vereinnahmungen und Verwendungen schützt (s.u. 5.3). Für materiale Kunstwerke gelten darüber hinaus weitere Spezialgesetze, die deren Erhalt schützen sollen. Zu diesen gehört etwa das Kulturgutschutzgesetz (KGSG) (ausführlich zum Ganzen Odendahl 2005).
Trotz ihres Status als unveräußerliches Grundrecht wird die Kunstfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt. Es besteht zwar eine Freiheit, jedoch „kein Anspruchsrecht“ (Gutmann 2023, 227). Die Freiheit der Kunst gilt nur so lange schrankenlos, wie andere Grundrechtsgüter nicht verletzt werden. In Ausnahmefällen ist der Gesetzgeber legitimiert, Grenzen der Kunstfreiheit zu ziehen, insofern die Kunstfreiheit etwa mit einem strafrechtlichen Tatbestand wie Volksverhetzung kollidiert oder andere Rechtsgüter von Verfassungsrang verletzt. In solchen Fällen werden der Kunstfreiheit entweder Grenzen durch das Strafrecht oder durch Abwägungsentscheidungen hinsichtlich kollidierender Rechtsgüter gesetzt. Strafrechtlich relevant können zudem Kunstwerke sein, die mutmaßlich persönlichkeitsrechtsverletzend sind (das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird abgeleitet aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG), was in der Rechtsdogmatik/-praxis in der Vergangenheit wiederholt zu intrikaten Entscheidungsprozessen geführt hat (Auseinandersetzungen um Klaus Manns Mephisto [1936] wie auch um Maxim Billers Esra [2003] wurden bis vor das Bundesverfassungsgericht geführt, vgl. Bünnigmann 2013 sowie Westphal 2019). Wenngleich die Kunstfreiheit nicht zwingend im Widerspruch zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht steht, besteht hier tendenziell ein Spannungsverhältnis, insofern die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks mit der Würde und Achtung des Einzelnen kollidieren kann (vgl. Kastner 1982, 601). Für die literarisch-ästhetische Autonomie bedeutet dies: „In rechtlicher Hinsicht ist die Literatur vollständig autonom. Ihre Lizensur ist unbeschränkt. Für ihre Externalitäten, die externen Effekte, die bei Dritten in anderen Währungen als denen der Ästhetik anfallen, bleibt sie jedoch verantwortlich“ (Gutmann 2023, 231).
Wie auch schon vergangene Literatur- und Kunstprozesse verdeutlicht haben, ist die bundesdeutsche Gesetzgebung bei Grundrechtskollisionen darum bemüht, den Kunstbereich nicht zu prädefinieren (vgl. Gutmann 2023). Das führt allerdings wiederholt zu rechtsdogmatischen Schwierigkeiten, denn „[w]as der Staat nicht definieren kann, das kann er nicht schützen“ (Isensee 1980, 35; siehe hierzu auch Lenski 2016, 35). Angesichts der Schwierigkeit, eine Kunstdefinition festzulegen, die nicht die Freiheitsstruktur und Eigendynamik der Kunstpraxis konterkariert, zugleich aber im Falle einer konkreten Rechtsanwendung den künstlerischen Schutzbereich zunächst überhaupt bestimmen zu müssen (vgl. Lenski 2016, 35), kursieren in der Rechtspraxis gegenwärtig drei vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Kunstbegriffe, die nicht alle auf ein zur Disposition stehendes Kunstwerk zutreffen müssen: ein offener, ein formaler sowie ein materialer. Der formale Kunstbegriff fokussiert die klassischen tradierten Kunstmedien und Ausdrucksformen wie beispielsweise die Malerei und die Literatur. Demzufolge handelt es sich bei einem Werk immer dann um ein Kunstwerk, wenn es über erkennbare Merkmale einer etablierten künstlerischen Ausdrucksform verfügt. Bei einer formalen Kunstbestimmung wird somit vornehmlich typisierend und äußerlich vorgegangen, insofern die jeweilige Inhaltsebene für den Bestimmungsbereich unberücksichtigt bleibt. Diese Definition kann als vornehmlich produktästhetisch bestimmt werden. Anders als der formale Kunstbegriff zielt der materiale deutlich stärker auf die Inhaltsebene ab und verortet Kunst als dasjenige, das „Ausdruck der freien schöpferischen Gestaltung“ (BVerfGE 30, 173 [189]; vgl. auch Palm 1998, 45 sowie Augsberg 2023, 218) ist und die künstlerische Verarbeitung eigener Erfahrungen und Eindrücke des Künstlers oder der Künstlerin darstellt. Bei dieser Kunstdefinition wird eine inhaltsbezogene Bestimmung derart gewählt, dass ein Kunstwerk über ein gestalterisches Element zu verfügen hat, womit außerdem eine Unterscheidbarkeit zu lediglich reproduzierenden Werken ermöglicht wird. Infolgedessen handelt es sich hierbei um einen Kunstbegriff, der sowohl produkt- als auch produktionsästhetische Aspekte berücksichtigt. Im Unterschied zum formalen wie auch im Unterschied zum materialen zielt der offene Kunstbegriff, der jüngste der drei genannten, stärker auf eine rezeptionsästhetische Bestimmungsweise ab, die Kunstwerke als eine besondere Form der Kommunikation erfasst. Dieser Kunstbegriff umfasst Kunst als Ausdruck mehrdeutiger Bedeutungsebenen, die von Rezipientinnen und Rezipienten unterschiedlich aufgefasst werden können und somit eine eindeutige Interpretation nicht zulassen.
Mit den seit den 1970er Jahren durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten drei Kunstbegriffen, die eher „Fallgruppen“ (Lenski 2016, 35) anstelle von Definitionen darstellen und mit der Entwicklung in Theorie und Praxis künstlerischer Tätigkeit Schritt zu halten suchen, wird dem Dilemma Rechnung getragen, einerseits eine rechtliche Bestimmung und Deutungshoheit (insbesondere hinsichtlich von Aussagen innerhalb) von Kunst zu umgehen, andererseits in entsprechenden Rechtsprozessen den Schutzbereich der Kunst bestimmen zu müssen. Leitgebend für die „richterrechtliche Neukodifikation der Kunstfreiheit“ (Wittreck 2013, Rn. 12) und die Entfaltung verschiedener Kunstbegriffe waren v.a. die Entscheidungen zu Mephisto und Esra.
Alle drei Kunstbegriffe, die allesamt eine staatliche „Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle“ (Lenski 2016, 37) von Kunst umgehen, können für sich allein betrachtet jedoch an ihre Grenzen kommen: Der formale Kunstbegriff, der in der Rechtsprechung kaum noch angewandt wird, trägt dem Umstand nicht gebührend Rechnung, dass längst Mischgattungen sowie Hybridformen von Kunst kursieren, die eine unmittelbare kategoriale Bestimmung verkomplizieren; der materiale macht es für Außenstehende schwierig, zu bestimmen, ob ein Kunstwerk tatsächlich aus künstlerisch verarbeiteten Erfahrungen der Künstlerin oder des Künstler resultiert, und der offene Kunstbegriff gibt kaum Anhaltspunkte an die Hand, um zwischen künstlerischen und nicht-künstlerischen Werken, ferner zwischen künstlerischen Äußerungen und Meinungsäußerungen ausreichend differenzieren zu können. Trotz der Defizite, die die genannten drei Definitionsansätze im Einzelnen mit sich führen und mit denen die Rechtsdogmatik intrikate Entscheidungen nicht umgehen kann, sind diese immerhin instruktive gerichtliche Entscheidungshilfen, die jeweils mindestens einen der wesentlichen Aspekte der Kunstpraxis thematisieren: „den schöpferischen Charakter von Kunst, ihre Bindung an eine von der Alltagskommunikation abgehobene Formensprache, ihre Deutungsbedürftigkeit sowie ihre Verwiesenheit auf Traditionen“ (Wittreck 2013, Rn. 41).
Zu ergänzen gilt, dass bei Verrechtlichungsprozessen von Literatur hierzulande oftmals nicht allein die deutsche Gesetzgebung maßgeblich ist. In vielen Fällen ist vielmehr Art. 13 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Europäische Gerichtshof für die Jurisdiktion entscheidend.
5.3. Urheberrecht
Während, wie in 5.1 und 5.2 dargelegt, die Freiheit der Literatur bzw. Kunst gegenüber dem Staat sich in Deutschland rechtlich erst ab dem 20. Jh. etabliert, findet der Schutz der künstlerischen Tätigkeit durch den Staat in der Rechtsfigur des Urheberrechts bereits gegen Ende des 18. Jh.s, in der deutschen Gesetzgebung ab dem 19. Jh. und prominent ab Art. 158 der Weimarer Reichsverfassung statt (vgl. Wittreck 2013, Rn. 3; zur Entwicklung des Urheberrechts ausführlich Wadle 2007 sowie Höffner 2021). Das Urheberrecht, das „als wichtigste normative Ausprägung des objektivrechtlichen Schutzes der Kunstfreiheit“ (Ortland 2007, 41) gelten kann, „schützt den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes. Es dient zugleich der Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes“ (§ 11 UrhG). Juristisch umfasst das Urheberrecht mitsamt verwandten Schutzrechten in einem objektiven Sinn „die Summe derjenigen Rechtsnormen, die den Inhalt, die Schranken und die Ausübung der wiederum subjektiven Rechte von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten regeln“ (Rehbinder/Peukert 2018, Rn. 1). Damit fokussiert das Urheberrecht vorrangig den Wirkbereich des Kunstschaffenden, „indem es die Integrität des Werkes der Kontrolle durch den Urheber unterstellt“ (Ortland 2007, 41) und setzt sich dadurch von den Rechtsverfassungen zahlreicher anderer Staaten wie der amerikanischen ab, die prominent etwa mittels ihrer Copyright-Bestimmungen das Verfügungsrecht weniger beim Urheber und vielmehr beim „jeweiligen Inhaber des (veräußerlichen) Verwertungsrechts“ (Ortland 2007, 41) verortet und reglementiert. Aufgrund dessen kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen dem Urheberrecht, das unveräußerliche Rechte des Urhebers an seinem Werk schützt, und dem Copyright, das in erster Linie ein „Verlegerrecht“ (Schmücker 2010, 795) darstellt, die sich bis heute nicht auflösen lassen.
Bestimmungen über ein internationales Regime der wechselseitigen Anerkennung und grenzüberschreitenden Durchsetzung von Urheberrechten wurden maßgeblich durch die „Berner Übereinkunft“ (1886) vorangetrieben (vgl. Schmücker 2010, 795). Bis ca. Mitte des 19. Jh.s fristete das Urheberrecht noch ein „stiefmütterliches Dasein“ (Wandtke/Ostendorff 2021, 8). Seine eigentliche Blüte erfuhr es national als auch international erst im 20. Jh. und steht hierbei in einem engen Zusammenhang mit der Entwicklung der Kulturindustrie sowie zuletzt vor allem der Entwicklung neuer digitaler Medien.
5.4. Grenzen der Kunstfreiheit und des Urheberrechts
Das Rechtsgut der Kunstfreiheit und eine ihrer Entfaltungen im hiesigen Urheberecht, das die freie Gestaltung und Zirkulation von Kunst sowie den Schutz des geistig, schöpferischen Eigentums des Urhebers gewährleisten soll, erzeugt in der Umsetzung notwendig Schwierigkeiten bis hin zu Aporien. Bereits die Existenz dreier Kunstbegriffe (s.o. 5.2) in der bundesdeutschen Rechtsprechung zeigt die Problematik des Rechtsgutes der Kunstfreiheit:
Indem sich die Rechtsordnung auf die Funktionslogik des Subsystems Kunst mitsamt seiner Kommunikationscodes vorbehaltlos einläßt, akzeptiert sie entweder blinde Flecken, die sich jeglicher rechtlicher Einhegung entziehen, oder aber Wertungswidersprüche, die dadurch entstehen, daß der einzig kunstadäquate Zugriff auf einen künstlerischen Sachverhalt im Interesse der Rechtsgüter anderer unterbleibt oder modifiziert wird, das vorbehaltlose Schutzversprechen also bereichsspezifisch revoziert wird. (Wittreck 2013, Rn. 35)
Eine unumgängliche Schwierigkeit besteht zudem bereits in dem Umstand, dass literarische Texte häufig mehrdeutig sind, wohingegen die Rechtsprechung üblicherweise eindeutige Sachverhalte zu ermitteln hat. Diese Spannung äußerte sich exemplarisch 2007 in der Esra-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, bei der sich das Gericht gezwungen sah, einige von den beiden Klägerinnen im Verfahren als persönlichkeitsrechtsverletzend inkriminierte Passagen des Romans unbeschadet der unstrittigen Anerkennung des Textes als Kunstwerk einer Deutung zu unterziehen. Damit nahm das Gericht eine inhaltliche Deutung vor, zu der es aus Respekt vor der Kunstfreiheit eigentlich nicht berechtigt sein sollte. Andererseits dürfte auch für eine moderne Gesellschaft die Absolutheit der Kunstfreiheit kaum förderlich sein: „Denn die Bürger eines modernen Rechtsstaates dürften sich kaum einer Willkürherrschaft im Namen einer absolut souveränen, zu keiner Rücksicht auf die Freiheiten der anderen Rechtsträger genötigten Kunst unterwerfen wollen“ (Ortland 2007, 44).
Auch das Verhältnis von Kunstfreiheit und Urheberrecht ist nicht unstrittig. Wiewohl das Urheberrecht die Kunstfreiheit unterstützt, indem es optimale produktionsästhetische Bedingungen für Kunstschaffende und deren Produktions- und Verwertungsrecht zu schützen intendiert (vgl. Ortland 2007, 42), kann es auch nachteilig wirken und der Kunstfreiheit zuwiderlaufen. Das ist etwa dann der Fall, wenn künstlerische Ausdrucksformen wie etwa die Pastiche, die Collagen-Praxis und das Sampling ihre Grenzen erfahren, sobald der Vorwurf einer Verletzung fremder Urheberrechte im Raum steht. Auf diese Weise kann der Kunstfreiheit potenziell eine Einschränkung im Abgleich mit Eigentumsrechten auferlegt werden, sofern Künstlerinnen und Künstler für ihre Kunst beispielsweise eine Adaption oder Umgestaltung bereits bestehender Kunstwerke vornehmen (vgl. Hufen 2011, § 101 Rn. 125; Ortland 2007, 42). In letzter Konsequenz läuft das Urheberrecht Gefahr, kontraproduktiv zu wirken, indem Kunstschaffenden Schranken hinsichtlich der Auswahl ihrer künstlerischen Inhalte, zu verwendenden Materialien oder Ausdrucksformen auferlegt werden und Kunstformen wie beispielsweise das Sampling einen rechtlich unsicheren Status erhalten, sobald der Verweis auf das Vorlagenwerk dominiert und es in der Folge als strittig gelten kann, ob sich ein eigenständiges, neues Kunstwerk herausgebildet hat. Das erzeugt wiederum eine Spannung zur Kunstfreiheit, indem die freie künstlerische Artikulation, zu der ein unerschöpfliches Spektrum an Kunstformen und -gattungen gehört, aufgrund urheberrechtlicher Bestimmungen prekär wird. Dabei besteht der eigentliche Sinn der Kunstfreiheit darin, „allen, die daran interessiert sind, ein möglichst reichhaltiges Spektrum von Formen für die Artikulation ihrer Erfahrungen, Bedürfnisse, Ängste oder Begeisterungen zu eröffnen. Die weitere Ausgestaltung des Urheberrechts muss dem Rechnung tragen“ (Ortland 2007, 44).
6. Aktuelle Forschungstendenzen
Laut van Rooden (2019, 19) krankt die gegenwärtige Autonomie-Debatte der Kunst und Literatur primär an einem theoretischen Vakuum hinsichtlich der Frage, was Autonomie in diesem Zusammenhang überhaupt bedeutet und wovon Literatur und Kunst eine Autonomie beanspruchen können. Eine klare Differenzierung wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass einige unzutreffende Vorannahmen hinsichtlich einzelner literaturgeschichtlichen Epochen wie der Romantik und ihrer tatsächlichen Positionierung den Diskurs hierzu nach wie vor beeinflussen.
Grundsätzlich ist zu beobachten, dass die Literaturautonomie betreffende Debatten geprägt sind von einer Opposition der als distinktiv präsentierten Domänen Kunst und Gesellschaft. Diese Dichotomisierung äußert sich im 19. Jh. paradigmatisch in der Gegenüberstellung der L’art-pour-l’art-Programmatik und der soziopolitischen Kunst, im 20. Jh. vornehmlich in der Debatte zwischen Formalismus und Kontextualismus und im 21. Jh. bislang in der New-Sincerity-Bewegung (vgl. van Rooden 2019, 16). Insbesondere die neueren Tendenzen zeigen, dass die Proklamation einer als autonom gedachten Kunst negativ konnotiert ist. William Marx (2005) geht noch einen Schritt weiter und sieht die Literatur in ihrem sozialen Status gegenwärtig und sukzessive herabgewürdigt und hegt die Überzeugung, dass dies unmittelbar mit der Autonomisierung der Literatur seit dem 18. und insbesondere 19. Jh. zusammenhängt – der Preis der Autonomie der Literatur sei der Verlust ihrer sozialen Relevanz (vgl. Marx 2005; Schlink 2013, 121 f.).
Infolgedessen lassen sich zahlreiche Versuche wie das New-Sincerity-movement ausfindig machen, die Literatur aus ihrer „Autonomie“ und (vermeintlichen) „Weltvergessenheit“ herauszulösen. Das hierbei zugrundliegende Plädoyer lautet, Literatur mit stärkerer Sozialrelevanz zu gestalten. Dies wird in inhaltlicher und in sprachlich-formaler Hinsicht zu erreichen angestrebt, indem hermetische und allzu ästhetizistische Ansätze verworfen werden, die einen Zugang zum literarischen Text erschweren. Eine solche Entwicklung begünstigen außerdem neuere, leserorientierte Ansätze wie der Rita Felskis (Uses of Literature, 2008; The Limits of Critique, 2015), die ebenfalls darauf bedacht sind, Literatur zu resozialisieren (siehe hierzu insgesamt van Rooden 2019, 4 f.).
Weitaus differenzierter in dieser Hinsicht und nach wie vor einflussreich ist der französische Soziologe Pierre Bourdieu (1930–2002), der nicht die Autonomisierung der Literatur moniert, sondern stattdessen den Verlust des kulturellen Wertes insgesamt beobachtet und hierbei weniger ein Zuviel an Autonomie feststellt, sondern das Verschwinden der Autonomie der Literatur aufgrund ökonomischer Strukturen (vgl. Bourdieu 2003; siehe hierzu auch van Rooden 2019, 9 f.). In letzter Konsequenz appelliert er durchaus proautonomistisch an Autorinnen und Autoren, mit größerer Selbstverständlichkeit ihren (besonderen) Platz in der Gesellschaft erneut zu beanspruchen.
Eine wiederkehrende Auseinandersetzung betrifft das Verhältnis von autonomer Kunst und sozialem Engagement. Eines der bislang gewichtigsten Argumente gegen eine explizit engagierte Literatur trägt Theodor W. Adorno (1903–1969) vor, der auf den Umstand verweist, dass jedes Engagement „politisch vieldeutig [bleibt], solange es nicht auf eine Propaganda sich reduziert, deren willfährige Gestalt alles Engagement des Subjekts verhöhnt“ (Adorno 1965, 110). Darin erkennt er einen unauflösbaren Widerspruch: „Am schwersten fällt wider das Engagement ins Gewicht, daß selbst die richtige Absicht verstimmt, wenn man sie merkt, und mehr noch, wenn sie eben darum sich maskiert“ (Adorno 1965, 124). Die eigentliche „ethische Valenz“ (Matuschek 2021, 236) verortet Adorno stattdessen in der autonomen Kunst, die er nicht als anti-sozial begreift; gerade aufgrund ihrer Opposition zur Gesellschaft erweise Literatur sich als sozial relevant. Gleichwohl unterscheidet er zwischen Engagement und Tendenz. Im Engagement sieht er die Möglichkeit, dass weniger konkrete Maßnahmen und Ansichten zu Zielen erklärt werden, sondern die Erziehung zu einer (kritischen) Haltung (vgl. Adorno 1965, 113), was sich anschlussfähig zu der Position Schillers zeigt.
Neuere literaturtheoretische und -praxeologische Ansätze verweisen zudem überwiegend auf die Relationalität von Literatur zur Autonomie. Als Begründung wird oftmals auf literatursoziologische Erkenntnisse verwiesen, die den dynamischen Charakter von Literatur hervorheben, der sich nicht durch ein notwendiges Set an intrinsischen Qualitäten ausreichend bestimmen lasse. Diese seit dem Ende des 20. Jh.s dominierende Grundhaltung lässt sich insbesondere in Arthur C. Dantos Artworld-Ansatz für die kunstsoziologische Forschung im Allgemeinen sowie in diversen kulturwissenschaftlichen Theorien wie dem New Historicism für die literaturwissenschaftliche Forschung im Besonderen beobachten (vgl. van Rooden 2019, 87).
Eine der aktuellsten Kritiken am bisherigen autonomieästhetischen Diskurs nehmen Irene Albers, Marcus Hahn und Frederic Ponten in ihrem 2022 erschienen Sammelband zur Heteronomieästhetik der Moderne vor. Den Autorinnen und Autoren geht es vornehmlich darum,
im Unterschied zu einer Moralisierung oder Politisierung der Kunst und der Literatur […], das Narrativ von der Autonomisierung der Kunst und der Literatur zu entkräften, indem es als Ergebnis einer während des Kalten Krieges vollzogenen ,Arbeit der Reinigung‘ sichtbar gemacht wird, welche die tatsächlichen modernen Symmetrisierungen der Kunst mit Leben, Religion, Politik, Ökonomie, Wissenschaft, Philosophie und Ethik unkenntlich gemacht haben. (Albers/Hahn/Ponten 2022, 9)
Besagtes Narrativ wird zusätzlich mit Verweis auf die klassischen Autonomieästhetiker wie Schiller und Adorno und deren bei genauerer Betrachtung heteronom begründete autonomieästhetische Ansätze zu entkräften versucht (vgl. Albers/Hahn/Ponten 2022, 12). In letzter Konsequenz verabschieden sich Albers et al. in ihrem Ansatz einer symmetrischen Literaturwissenschaft von der Autonomieästhetik als „kohärente[m] Großnarrativ“ (Albers/Hahn/Ponten 2022, 13) und legen den Fokus stattdessen auf eine „unbereinigte Verflechtungs-, Funktions- und Praxisgeschichte“ der Literatur (ebd.). Diese grundlegende Neuorientierung, die nur ein Beispiel von vielen der aktuellen literaturtheoretischen Auseinandersetzungen darstellt, zeigt, dass die Vorstellung einer auch nur zeitweise schwerpunktmäßig autonomieästhetisch zu verstehenden Kunst bereits Spannungspotenzial birgt und nicht einhellig geteilt wird.
Während in der Literaturpraxis und ihrer Reflexionswissenschaft aktuell die Tendenz zu einer Relationalität von Literatur und Autonomie festgestellt werden kann, verhält es sich in der Lese- und Rezeptionspraxis weitaus eindeutiger. Zu den dominantesten Zugriffsweisen gehören Lektürepraktiken, die den Fokus auf Werkimmanenz, close reading oder andere Formen einer textzentrierten Lektüre setzen (vgl. Albers/Hahn/Ponten 2022, 9), die allerseits auf einer autonomistischen Grundannahme beruhen. Mithin könnte Albers, Hahn und Ponten (2022, 9 f.) folgend einer der Gründe für das Festhalten am Autonomienarrativ darin liegen, dass bis heute vor allem werkimmanente Lektürepraxen im Vordergrund stehen und ausgehend von der Fokussierung auf Lektürepraxen der voreilige Schluss gezogen wird, Literatur sei autonom: „Damit bleibt das auf einer Autonomieästhetik aufsetzende kulturhistorische Großnarrativ trotz aller Widersprüche vorherrschend, nicht weil es theoretisch überzeugt, sondern weil es durch die Lektürepraxis bestätigt wird“ (Albers/Hahn/Ponten 2022, 10).
Nachweise
1. Rechtstexte
1.1. Historische Rechtsquellen
Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919.
1.2. Bundesrepublik Deutschland
1.2.1. Gesetze
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (Stand 19. 12. 2022).
Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. September 1965 (Stand 23. 6. 2021).
Gesetz zum Schutz von Kulturgut vom 31. Juli 2016 (Stand 20. 11. 2019).
1.2.2. Gerichtsentscheidungen
Bundesverfassungsgericht. Beschluss des ersten Senats vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 – Mephisto, BVerfGE 30, 173–227.
Bundesverfassungsgericht. Beschluss des ersten Senats vom 13. Juni 2007 – 1 BvR 1783/05 – Esra, BVerfGE 119, 1–59.
1.3. Europäische Union
Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. 12. 2000 in der Fassung vom 12. 12. 2007 (ABl. C 202 vom 7. 6. 2016, 389–405).
2. Klassische Texte
Alexander Gottlieb Baumgarten, Aesthetica (1750), Lateinisch – Deutsch, hg. u. übers. v. Dagmar Mirbach, Hamburg: Felix Meiner, 2007.
Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785), hg. v. Paul Menzer, in: Kants Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Abt. 1, Bd. IV, Berlin: Georg Reimer, 1903, 385–463.
Immanuel Kant, Kritik der Urtheilskraft (1790), hg. v. Wilhelm Windelband, in: Kants Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Abt. 1, Bd. V, Berlin: Georg Reimer, 1908, 165–485.
Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen (1794), in: Schillers Werke. Nationalausgabe, 20. Bd.: Philosophische Schriften. 1. Teil, unter Mitw. v. Helmut Koopmann hg. v. Benno von Wiese, Weimar: Hermann Böhlau, 1962, 309–412.
Sophokles, Antigone, in ders., Dramen, Griechisch – Deutsch, hg. und übers. v. Wilhelm Willige, überarb. v. Karl Bayer, 5. Aufl., Düsseldorf: Artemis & Winkler 2007, 180–261.
Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, hg. u. übers. Georg Peter Landmann, Zürich / München: Artemis 1976.
3. Moderne Publikationen
Eric Achermann / Daniel Arjomand-Zoike / Nursan Celik (2023): Zum Spannungsverhältnis Fiktion und Lizenz, in: dies. (Hgg.), Lizensur: Was darf fiktionale Literatur?, Berlin: Metzler, 1–15.
Theodor W. Adorno (1973): Ästhetische Theorie, hg. von Gretel Adorno / Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Theodor W. Adorno (1965): Engagement, in: ders., Noten zur Literatur III, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 109–135.
Irene Albers / Marcus Hahn / Frederic Ponten, Hgg. (2022): Heteronomieästhetik der Moderne, Berlin / Boston: De Gruyter.
Irene Albers / Marcus Hahn / Frederic Ponten (2022): Die Heteronomieästhetik der Moderne und das Projekt einer symmetrischen Literaturwissenschaft, in: dies. (Hgg.), Heteronomieästhetik der Moderne, Berlin / Boston: De Gruyter, 1–23.
Carolin Amlinger (2021): Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit, Berlin: Suhrkamp.
Ino Augsberg (2023): Ver-Gegenständlichung. Zum Kunstbegriff des Grundgesetzes, in: Eric Achermann et al. (Hgg.), Literatur und Recht: Materialität. Formen und Prozesse gegenseitiger Vergegenständlichung, Berlin / Heidelberg: J. B. Metzler, 211–224.
Andrea Bartl / Marta Famula (2017): Einleitung, in: dies. (Hgg.), Vom Eigenwert der Literatur. Reflexionen zu Funktion und Relevanz literarischer Texte, Würzburg: Königshausen & Neumann, 11–22.
Tony Bennett (2010): Sociology, Aesthetics, Expertise, New Literary History 41, 251–276.
Isaiah Berlin (2013): The Roots of Romanticism, hg. Henry Hardy u. mit einem Vorwort von John Gray, 2. Aufl., Princeton: Princeton UP.
Maria-Christina Boerner (2007): Symbolismus, in: Klaus Weimar et al. (Hgg.), Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft [Neubearbeitung], Bd. III, Berlin / New York: De Gruyter, 555–557.
Pierre Bourdieu (2003): Firing Back: Against the Tyranny of the Market 2, New York: The New Press.
Pierre Bourdieu (2019 [1992]): Die Regeln der Kunst: Genese und Struktur des literarischen Feldes, 8. Aufl., Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Bertolt Brecht (1994): Journale 1, 1913–1941, Journal v. 24. 8. 1940, in: ders.: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, hg. v. Werner Hecht et al., Bd. 26, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 417–419.
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Zitationsvorschlag
Nursan Celik (2024): Autonomie (der Literatur), in: Thomas Gutmann, Eberhard Ortland, Klaus Stierstorfer (Hgg.), Enzyklopädie Recht und Literatur (Stand: 15. Januar 2024),
doi: 10.17879/58918494134
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