Rhetorik
Stand 13. August 2023
griech. ῥητορική τέχνη (rhētorikḗ téchnē), lat. rhetorica, ars rhetorica, ars bene dicendi, engl. rhetoric, frz. rhétorique, span. retórica, it. retorica, russ. риторика, hebr. רֵטוֹרִיקָה retorikah,
chin. 修辭 xiuci (Rhetorik und Stilistik), 修辭學 xiucixue (Rhetoriklehre), jap. 修辞学 shūjigaku, レトリック retorikku, arab. علم البلاغة ʿilm al-balāġa, dt. auch Redekunst, Redelehre.
,Rhetorik‘ bezeichnet allgemein die Kunst der Rede, die in der Antike in Rednerschulen gelehrt wurde und im alten Europa zum Kanon der Bildungseliten gehörte. Als ,Rhetorik‘ wird auch ein rhetorisches Lehrwerk bezeichnet. Zudem wird die auf Wirkung zielende sprachlich-argumentative Verfasstheit einer Redeäußerung oft als ,Rhetorik‘ qualifiziert. Die lat. Tradition unterscheidet zwischen ars rhetorica, der Kunst und Lehre der Rhetorik, und eloquentia, der rhetorischen Praxis oder angewandten Rhetorik. Immanuel Kant differenziert in der Kritik der Urteilskraft zwischen ,Wohlredenheit‘ („Eloquenz und Stil“) und ,Beredsamkeit‘ („Kunst zu überreden“; ars oratoria) (Kant 1983, 430 [= KU B 216 f.]). In der Gegenwart sind unterschiedliche, engere und weitere Rhetorik-Begriffe in Gebrauch.
1. Einleitung
Wie Gert Ueding betont, gibt es „kein Sprechen […], das sich rhetorischer Form oder Absicht entziehen könnte“ (Ueding 2005, 7). Sowohl das Recht als auch die Literatur sind sprachlich verfasst. Als rhetorisch ist die adressaten- und wirkungsbezogene Geformtheit von Rechtstexten und literarischen Texten zu beschreiben. Dabei umfasst ,Rhetorik‘ mehr als den Einsatz bestimmter ,rhetorischer Mittel‘ (elocutio-Rhetorik). Wie gerade die sog. ,neue Rhetorik‘ im Anschluss an Aristoteles geltend gemacht hat, ist die Argumentation wesentliches Element der rhetorischen Kommunikation (vgl. Perelman/Olbrechts-Tyceta 2004; Fuhrmann 1990, 8). Zugriffsweisen auf die Rhetorik unterscheiden sich historisch, kulturell und bezüglich ihrer epistemischen Funktion. Daher argumentiert die neuere Rhetorik-Forschung dafür, rhetorische Produktion geschehensorientiert zu untersuchen und dabei ihrer Geschichtlichkeit Rechnung zu tragen. Der vorliegende Artikel gibt keinen allumfassenden Überblick (vgl. dazu Ueding 2005 sowie umfassend und im Detail die Artikel des Historischen Wörterbuchs der Rhetorik, Ueding 1992–2015), sondern fokussiert auf die Rhetorik im Recht und in der Literatur sowie auf rhetorische Dimensionen des Verhältnisses von Recht und Literatur.
2. Geschichte und Systematik
2.1. Griechisch-römische Grundlagen
Als Protorhetoren gelten die von Platon so bezeichneten und kritisierten ,Sophisten‘, die seit dem 5. Jh. vor unserer Zeit zweckgerichtetes sprachliches Handeln lehrten. Die bekanntesten Vertreter der Sophistik sind Gorgias von Leontinoi (ca. 485–ca. 385), Protagoras von Abdera (ca. 490–411), Prodikos, Hippias und Antiphon. Auf Protagoras geht die Devise „Das schwächere Argument zum stärkeren machen“ zurück (vgl. Aristoteles rhet. II.24, 1402 a 23). Um und nach Gorgias lassen sich zwei Typen sophistischer Rhetorik unterscheiden, der juristische und der politische Typ. Ersterer befasste sich vor allem mit Gerichtsreden und der Beweisführung vor Gericht; dabei ging es um „so etwas wie eine Advokaten-Fachausbildung“ (Fuhrmann 1990, 21). Der politische Typ hatte eher durch glänzende Lobreden zu erzielende öffentlich-politische Aufmerksamkeit im Blick. Ein Schüler von Gorgias ist Isokrates (436–338).
ʽΡητορική (Rhētorikḗ) bezeichnet im antiken Griechenland allgemein die Praxis der öffentlichen Rede. Ein ῥήτωρ ist ein Antragsteller in der athenischen Volksversammlung oder vor Gericht. Platon (428/27–348/47 v.u.Z.) gebraucht den Begriff polemisch als Gegensatz zur wahrheitsorientierten Rede der Philosophie. Insbesondere in seinem Dialog Gorgias kritisiert er die sophistische Rhetorik als eine auf Täuschung abzielende Kunst, während die Philosophie wahres Wissen hervorbringe. Freilich argumentiert Platon selbst mit rhetorischen Mitteln, wenn er beispielsweise schreibt:
Um nun nicht weitläufig zu werden, will ich es dir ausdrücken wie die Meßkünstler, denn nun wirst du ja wohl schon folgen können, nämlich daß, wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Kochkunst zur Heilkunst, oder vielmehr so, wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Sophistik zur Gesetzgebung, und wie die Kochkunst zur Heilkunst, so die Redekunst zur Rechtspflege.
(Plat. Gorg. 465c)
Mit Hilfe von (mehrfachem) Vergleich und Parallelismus wird hier Evidenz erzeugt. So wie Platon den ,nachhaltigen‘ Künsten Turnkunst und Heilkunst die oberflächlichen und ephemeren Künste Putzkunst und Kochkunst gegenüberstellt, so beschreibt er bemerkenswerterweise Gesetzgebung und Rechtspflege als ,nachhaltige‘ Bereiche im Vergleich zu den ,Scheinkünsten‘ Sophistik und Rhetorik. Im Phaidros akzeptiert Platon die Rhetorik, wenn sie der an der Wahrheit orientierten Seelenbildung dient. Ganz anders beurteilt Aristoteles (384–322 v. u. Z.) in seiner vermutlich in den dreißiger Jahren des 4. Jhs. entstandenen Rhetorik (τέχνη ῥητορική [téchnē rhētorikḗ]) die Redekunst:
Die Rhetorik ist ein Gegenstück zur Dialektik; beide handeln nämlich von solchen Dingen, die zu erkennen auf gewisse Weise allen gemeinsam und nicht Sache einer begrenzten Wissenschaft ist. (Arist. rhet. I.1.1, 1354 a)
Für Aristoteles ist die Rhetorik eine τέχνη, d.h. eine formale Disziplin, die zwar keine Wissenschaft darstellt, weil sie nicht auf untrüglichem Wissen beruht, sondern auf die allgemeine Meinung zielt, doch, schreibt er im Folgenden, haben alle Wissenschaften „auf gewisse Weise an beiden Anteil“, d.h. an Dialektik und Rhetorik, weil es in allen Wissenschaften darum geht, „ein Argument zu prüfen und zu stützen, sich zu verteidigen und anzuklagen“ (ebd.).
Inwieweit man von einer Systematik der antiken Rhetorik (,rhetorisches System‘) sprechen kann, wird diskutiert, aber es gibt Konstanten in den rhetorischen Lehrbüchern und Traktaten, die eine „Systembindung“ (Ueding 2005, 5) nahelegen, auch im Fall von historisch späteren Spielarten und Transformationen der Rhetorik. Zu den Eckpunkten des ,rhetorischen Systems‘ gehören die sog. Stilqualitäten, die es für eine gute Rede zu beachten gilt. Sind dies bei Aristoteles ,Klarheit‘ und ‚Angemessenheit‘, finden sich in römischer Zeit, wohl im Rückgriff auf Theophrasts verlorene Schrift „Über den Stil“, vier virtutes dicendi, nämlich Sprachrichtigkeit (latinitas), Klarheit (perspicuitas), Angemessenheit (aptum) und Redeschmuck (ornatus). Es liegt auf der Hand, dass perspicuitas und ornatus in ein gewisses Spannungsverhältnis zueinander treten, d.h. in der konkreten rhetorischen Situation sorgsam ausbalanciert werden müssen. Die klassische Rhetorik unterscheidet drei genera dicendi, d. h. drei Redegattungen: das genus deliberativum (die politische Beratungsrede, auch ,Volksrede‘ genannt), das genus iudicale (die Gerichtsrede) und das genus demonstrativum (die Lobrede).
Zu den Konstanten der rhetorischen Lehrschriften gehören auch die sog. officia oratoris, d.h. die Arbeitsschritte beim Verfassen einer Rede: Da ist zunächst die inventio, das Finden der Gedanken, auf sie folgt die dispositio, die Gliederung der Gedanken, die elocutio, die Ausschmückung der Worte (hierunter fällt die Figurenlehre), die memoria, das Sich-Einprägen der Rede, und schließlich die actio, das Halten der Rede, d.h. der Redeauftritt. Dies sind freilich nur heuristisch getrennte Schritte, die sich in der Redepraxis so nicht unbedingt realisieren. Auch die partes orationis, die Teile, aus denen sich eine Rede zusammensetzt, sind weitgehend festgelegt: So folgt auf die Einleitung (principium, exordium) die Erzählung (narratio), auf diese die Beweisführung und schließlich der Schluss der Rede. Für die Rede vor Gericht wird insbesondere die sog. Statuslehre relevant, auch ,Streitstände‘ genannt; hier wird nach dem Täter gefragt, der Definition des Sachverhalts, der Rechtmäßigkeit der Tat etc. „Das System der Status“, schreibt Fuhrmann (1990, 103), „diente als eine Art Schablone, die über den je gegebenen Stoff gelegt wurde und so das Problem hervortreten ließ, um das es in dem betreffenden Falle ging“. Schließlich sind auch die genera elocutionis, die Stilarten, kanonisch; hier wird zwischen schlichtem, mittlerem und erhabenem Stil unterschieden (genus humile, genus medium, genus grande oder genus sublime). Den Stilarten sind unterschiedliche Aufgaben/Funktionen zugeordnet, die Cicero (de orat. II, ii, 114–177) als probare/docere (,beweisen/belehren‘), conciliare/delectare (,gewinnen‘/,unterhalten‘) und movere/flectere (,erregen‘/,umstimmen‘) beschrieben hat. Was die Beweismittel anbelangt, wird zwischen untechnischen (probationes inartificales) und technischen Beweismitteln (probationes artificales) unterschieden. Die ersteren sind mit dem Fall gegeben, z. B. Zeugen, Gesetze, Urkunden; d.h. der Rhetor muss sie nicht selbst produzieren. Bei den letzteren ist es anders; hier muss der Redner seine rhetorische Kunst zum Einsatz bringen. Logos, Ethos und Pathos bilden die vordringlichen Mittel, ebenso wie das spezifisch rhetorische Schlussverfahren der Enthymeme sowie das Beispiel. Das Enthymem ist die spezifische Form des rhetorischen Syllogismus, die nicht auf Gewissheit, sondern auf Plausibilität zielt (vgl. Arist. rhet., I.1.11, 1355 ab). Formal variabel, fehlt dem Enthymem häufig die Schlussregel, so dass lediglich das Argument und die Konklusion vorgetragen werden. Gestützt werden Enthymeme durch den Einsatz von Topoi, deren Gebrauch Aristoteles eine eigene Schrift, seine Topik (Τόποι), gewidmet hat (zur Topik vgl. Bornscheuer 1976), wiewohl er auch in der Rhetorik die wichtigsten Topoi erläutert. Dass der Redner ein vir bonus (dicendi peritus) sein muss, gehört ebenfalls zum vorausgesetzten Selbstverständnis der Rhetorik. Quintilian (35–96 n.u.Z.) formuliert das folgendermaßen:
Dem vollkommenen Redner aber gilt unsere Unterweisung in dem Sinne jener Forderung, daß nur ein wirklich guter Mann ein Redner sein kann; und deshalb fordern wir nicht nur hervorragende Redegabe in ihm, sondern alle Mannestugenden. Denn ich möchte nicht zugeben, die Rechenschaft über rechtes, ehrbares Leben sei, wie einige gemeint haben, der Zuständigkeit der Philosophen zuzuweisen, da jener Mann von echtem Bürgersinn und Eignung für die gemeinsamen und persönlichen Verwaltungsaufgaben, der die Städte durch sein Wort im Rat lenken, durch die Gesetzgebung begründen, durch seine Entscheidungen vor Gericht verbessern kann, wahrhaftig niemand sonst sein kann als der Redner. (Quint. inst. I Prooemium 9; vgl. ebd. XII, 1.1)
Was die genera dicendi anbelangt, so findet in den griechischen und römischen Rhetoriken das genus iudicale die meiste Aufmerksamkeit. Die antike Rhetorik denkt sehr stark vom Recht her. Dies zeigt sich schon am Beginn der Rhetorik des Aristoteles, die bereits nach wenigen Sätzen bei der Situation vor Gericht ist:
Beschuldigung nämlich, Mitleid, Zorn und solche Emotionen der Seele gehören nicht zur Sache, sondern zielen auf den Richter; so dass sie, wenn alle richterlichen Urteile so wie jetzt in einigen Städten, und zwar vorzüglich in denen mit guter Gesetzgebung, geregelt wären, nichts hätten, was sie sagen könnten. Denn alle meinen, dass die Gesetze dies verlangen sollten, und einige machen davon auch Gebrauch und verbieten – ganz zu Recht –, außerhalb der Sache zu sprechen, wie es auch im Areopag der Fall ist. Denn man soll nicht den Richter verdrehen, indem man ihn zu Zorn, Neid oder Mitleid verleitet. Das nämlich ist ähnlich, wie wenn jemand das, was er als Messlatte gebrauchen will, zuvor verbiegt. Ferner kommt es offensichtlich den Prozessierenden nicht zu, etwas anderes zu tun, als den Sachverhalt aufzuzeigen, dass etwas der Fall ist oder nicht der Fall ist, dass (etwas) geschehen ist oder nicht geschehen ist. Ob es aber groß oder klein oder ob es gerecht oder ungerecht ist, muss, insoweit der Gesetzgeber es nicht bestimmt hat, irgendwie der Richter selbst erkennen und darf es nicht von den Prozessierenden lernen. (Aristot. rhet. 1, 4–6)
Auch andere rhetorische Schriften sind deutlich von der agonalen Gerichtssituation geprägt. Dies betrifft namentlich das Jugendwerk De inventione und die Hauptschrift De Oratore von Cicero (106–43 v. u. Z.), der selbst als patron (also Redner) in Gerichtsprozessen auftrat. Auch die älteste vollständig erhaltene römische Rhetorik des Auctor ad Herennium widmet sich intensiv dem Recht. Auf den Prozess zielt insbesondere die Statuslehre, die sich in zwei Hauptgattungen unterteilt, das genus rationale, den Bereich der Argumentation, und das genus legale, die Gesetzes- und Vertragsauslegung. Die Status sind dem genus rationale untergeordnet. Der status coniecturalis (Mutmaßung) fragt nach dem Täter; der status definitivus stellt die Frage nach dem Tatbestand, während der status qualitatis eine Beurteilung des Falls in seiner Tatbestandsmäßigkeit vornimmt. Der vierte Status ist die sog. translatio; dabei geht es um die mögliche Ablehnung des Verfahrens. Das genus legale stellt Maximen zur Auslegung von juristischen Texten bereit, wenn etwa gegen den Wortlaut des Gesetzes die Absicht gestellt wird, die Parteien einander widersprechende Gesetze angewandt wissen wollen, verschiedene Interpretationen einer nicht eindeutigen Norm vorliegen oder im Fall einer Gesetzeslücke gefordert wird, eine verwandte Norm analog anzuwenden (vgl. Fuhrmann 1990, 109 f.).
Literarische Beispiele werden insbesondere und naheliegenderweise im Bereich der elocutio herangezogen. Hierbei geht es um die Ausschmückung der Rede und hier hat die Figurenlehre ihren Ort. So heißt es etwa in Quintilians Institutio Oratoria:
Schließlich sollten wir den bedeutendsten Rednern Glauben schenken, die die Dichtungen der Alten heranziehen, um für ihre Sache Vertrauen und für ihre Beredsamkeit Schmuck zu gewinnen. Denn vor allem bei Cicero, häufig aber auch bei Asinius und anderen, die ihnen am nächsten stehen, finden wir Verse des Ennius, Pacuvius, Lucilius, Terentius, Caecilius und anderer eingeflochten, die nicht nur ihren hohen Bildungsstand bezeugen, sondern auch den Genuß der Rede steigern, wenn das Ohr durch die Schönheiten des Dichterwortes sich von der spröden Gerichtssprache entspannt. (Quint. inst. I 8, 10 f.)
Vergils Aeneis ist für Quintilian ein bevorzugter Beispielgeber, aber auch auf Pindar und Ovid greift er zurück. Wie schon Aristoteles (vgl. Rhet. I.15.13, 1375 b) bezeichnet auch Quintilian zitierte Dichterworte als Zeugenaussagen (vgl. Quint. inst. I 8, 12; s.a. Zitat). Traditionellerweise wird hinsichtlich des Wortschmucks zwischen Figuren und Tropen unterschieden. Die Figuren operieren auf derselben sprachlichen Ebene; bei den Tropen findet ein Ebenenwechsel statt. So kommt beispielsweise die Figur des Chiasmus durch eine Überkreuzstellung seiner Glieder zustande: ,Alle für einen, einer für alle.‘ Bei der Metapher als Trope gibt es eine ,eigentliche‘ und eine ,übertragene Bedeutung‘: In ,Immobilienhai‘ ist die eigentliche Bedeutung von ,Hai‘ ein gefährlicher Fisch, der andere Fische angreift und frisst, während die übertragene Bedeutung einen Menschen aus der Immobilienbranche meint, der um des eigenen Profits willen kaltblütig andere schädigt. Neben der von Quintilian als ,Glanzpunkt der Rede‘ bezeichneten Metapher (vgl. Quint. inst. VIII 6, 7; vgl. Wagner-Egelhaaf 2008), zählen auch Metonymie und Synekdoche sowie Allegorie und Ironie zu den Tropen. Wenn stärker von der Systematik her gedacht wird, kann man die Tropen auch als spezifischen Figurentypus betrachten und von ,Substitutionsfiguren‘ im Unterschied zu ,Amplifikationsfiuguren‘ und ,Argumentationsfiguren‘ sprechen (vgl. Ottmers/Klotz 2007, 171–188). Onomatopöie (Lautmalerei), Hyperbel (Übertreibung), Litotes (Untertreibung), Periphrase (Umschreibung) werden ebenfalls zu den Substitutionsfiguren gezählt. Eine andere Figurengruppe stellen die ,Amplifikationsfiguren‘ dar, die wiederum in ,Wiederholungsfiguren‘ (z. B. Anapher, Epipher, Geminatio, Kyklos, Polyptoton, Alliteration, Paronomasie) ,Kürzungsfiguren‘ (Ellipse, Zeugma, Kürzung [detractio]) und ,Positionsfiguren‘ (z.B. Hyperbaton, Parison, Chiasmus) unterteilt werden. Und schließlich spricht man von ,Argumentationsfiguren‘, die in ,kommunikative bzw. appellative Figuren‘ (z.B. Rogatio, Aporie, Exclamatio), in ,semantische Figuren‘ (z. B. Praeparatio, Paralipse, Concessio, Aposiopese, Apostrophe, Antithese) und ,personale Figuren‘ (z.B. Exsecratio, Laesio, Illusio) differenziert werden (vgl. Ottmers/Klotz 2007). Die Bezeichnung der Figurenklassen schwankt in den modernen Einführungen (vgl. Groddeck 1995; Lausberg 2000; Lausberg 2008; Plett 2000; Plett 92001). Auch wenn viele Beispiele für Figuren aus der Literatur stammen, so wird ihr kalkulierter Einsatz – zumindest von den Rhetorikern – auch in der Gerichtsrede empfohlen (vgl. Quint. inst. IX 2, 16); in der juristischen Literatur wird vom Gebrauch rhetorischer Stilmittel dagegen – oft pauschal – abgeraten (Hattenhauer 2002, 268, 270 f., 279).
Mit dem Ende der römischen Republik und der Errichtung des Prinzipats verlor die Rhetorik ihre institutionelle Grundlage. Als „eine Errungenschaft der griechischen und römischen Bürgerfreiheit“ überdauerte sie „als Instrument der gehobenen Allgemeinbildung“ (Fuhrmann 1990, 65). Dies führt zu einer deutlichen Literarisierung der Rhetorik. Quintilians Institutio oratoria liefert ein komplettes Erziehungs- und Bildungsprogramm, das auch ein ganzes Kapitel der literarischen Lektüre ,des Knaben‘ widmet. Dient die Lektüre zunächst als Deklamationsübung, erfüllt sie zugleich auch den Zweck sittlicher Bildung.
Deshalb ist es aufs beste eingerichtet, daß die Lektüre mit Homer und Vergil beginne, wenn auch zum Verständnis ihrer Vorzüge reifere Urteilskraft nötig ist. Doch dafür bleibt noch Zeit genug; denn diese Dichter werden ja nicht nur einmal gelesen. Einstweilen soll der Geist sich durch die Erhabenheit des Heldenliedes erheben, den Hauch der Größe, der sein Geschehen durchweht, in sich aufnehmen und sich vom Edelsten durchdringen lassen. (Quint. inst. I 8, 5)
Im X. Buch der Institutio oratoria, der ausführlichsten aus der Antike erhaltenen Rhetorik, stellt Quintilian einen Lektürekanon für den angehenden Redner auf, zu dem zahlreiche Dichter gehören: Homer und Vergil stehen an erster Stelle, Ennius und Ovid, Valerius Flaccus, Lucan, Tibull, Varro, Horaz und andere mehr. An ihnen soll der Redeschüler seine Ausdruckskraft schulen.
Im 1. Jahrhundert tritt im griechischen Sprachraum die Stilistik in den Vordergrund. Von Bedeutung ist dabei insbesondere die Schrift des Pseudo-Longinus Περὶ ὕψους (Über das Erhabene), die den erhabenen Stil nicht auf die Befolgung von Regeln, sondern auf den qua Intuition gefundenen Gedanken gründet.
Sowohl für die griechische als auch für die römische Rhetorik gilt der Primat der Praxis gegenüber der Theorie. Die Theorie dient der Praxis und d.h. der Ausbildung des Redners zur Ausübung eines öffentlichen Amts. Dabei spielt die Rede vor Gericht eine eminente Rolle. Cicero beispielsweise nutzte seine Tätigkeit als vor Gericht auftretender patron zur Popularisierung seiner Person und damit auch für seine politische Laufbahn. Die literarische Bildung dient der Charakterbildung des Redners, aber auch der Schulung seiner Ausdrucksfähigkeit. In diesem Zusammenhang nimmt die Darstellung und Erläuterung der rhetorischen Figuren und ihre Veranschaulichung durch Beispiele in den Lehrwerken viel Raum ein.
2.2. Weiterleben und Transformationen der antiken Rhetorik
In Byzanz sind rhetorische Schriften nach den sog. ,dunklen Jahrhunderten‘ (ca. 650–ca. 800) erst wieder seit dem 9. Jh. bekannt. Das Corpus Hermogenianum und die Progymnasmata (Anweisungen und Musterreden) des Aphthonios (4. Jh.) spielen eine hervorgehobene Rolle und werden vielfach kommentiert. Auch werden sog. Scholien, d.h. Erläuterungen zu den antiken Autoren, verfasst. Georgs von Trapezunt (1395–1472/73) Rhetoricorum libri V stellen das einzige umfassende Lehrbuch seiner Zeit dar; es nimmt Bezug auf die Schriften des Hermogenes, ebenso auf Cicero und die Rhetorica ad Herennium.
Ciceros Schriften werden auch im lateinischen Mittelalter rezipiert, ebenso Quintilians Institutio Oratoria. Im Mittelalter gehört die Rhetorik zu den septem artes liberales, genauer zum sog. Trivium, auf dessen Studium das Quadrivium folgte. Sie wird in enger Verbindung mit den beiden anderen Disziplinen des Triviums, der Dialektik und der Grammatik, diskutiert. Ein wichtiger Vermittler der antiken Dialektik ist Boethius’ (ca. 480–534) De topicis differentiis. Durch die Kirchenväter, insbes. Augustinus (354–430) und Hieronymus (347–420), wird die antike Rhetorik christianisiert. Die älteste deutschprachige Rhetorik ist die Nova rhetorica des Notker Labeo von St. Gallen (950–1022). Mit der ars praedicandi (Predigtkunst) und der ars dictaminis (Brief- und Urkundenlehre) entwickeln sich im Mittelalter neue rhetorische Genres. Erst im 13. Jh. wird die Rhetorik des Aristoteles, vermittelt über Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen, im lateinischen Mittelalter rezipiert. Mit der Wiederentdeckung der wichtigsten rhetorischen Zeugnisse aus der Antike im 15. Jh. nimmt die Theorie der Beredsamkeit in der Frühen Neuzeit einen Aufschwung. Dabei spielen die Rhetorik von Aristoteles und die Schriften des Hermogenes eine dominierende Rolle. Auch entstehen nationalsprachliche Rhetoriken wie z.B. The Arte of Rhetorique (1553) von Thomas Wilson (1525–1581). Die Humanisten, insbes. Rudolf Agricola (1444–1485), Philipp Melanchthon (1497–1560) und Petrus Ramus (1515–1572), versuchen, die inventio und die dispositio der Dialektik zuzuordnen und allein elocutio und actio der Rhetorik zu überlassen. Lorenzo Valla (ca. 1405–1457) indessen betrachtet die Logik als Teilgebiet der Rhetorik. Generell wird aber das enge Zusammenspiel von Dialektik und Rhetorik in der Praxis betont. Mario Nizolio (1498–1566) stellt die Rhetorik in den Mittelpunkt der Wissenschaftslehre. Melanchthon erweitert die rhetorische Gattungslehre um das genus didascalicum/genus didacticum, die Lehrdichtung.
Wie grundlegend die Zeit des Barock und insbesondere die Literatur des 17. Jahrhunderts rhetorisch geprägt war, hat umfassend Wilfried Barner dargestellt (vgl. Barner 1970). Andreas Gryphius’ Trauerspiel Großmütiger Rechtsgelehrter oder Sterbender Aemilius Paulus Papinianus (1659) beispielsweise lässt nicht nur seine dramatis personae hochrhetorisch argumentieren, sondern entwirft auch seinen Protagonisten, den römischen Rechtsgelehrten Papinian, geradezu als eine rhetorische Verkörperung des Rechts wie er auch in den sog. Reyen, d.h. den Zwischenspielen zwischen den Akten, Themis, die Göttin der Gerechtigkeit, als Personifikation auftreten lässt. Noch das 18. Jh. kennt zahlreiche rhetorische Lehrwerke, von denen Friedrich Andreas Hallbauers Anweisung Zur Verbesserten Teutschen Oratorie, nebst einer Vorrede von Den Mängeln Der Schul=Oratorie (1725) und Johann Christoph Gottscheds Ausführliche Redekunst. Nach Anleitung der alten Griechen und Römer, wie auch der neuern Ausländer geistlichen und weltlichen Rednern zu gut in zweenen Theilen verfasset und mit Exempeln erläutert (1736, 5. Aufl. 1759) in Deutschland zu den bekanntesten zählen (zu den Ausdifferenzierungen der Rhetorik zwischen Schulrhetorik und Affektrhetorik vgl. Campe 1990 und Till 2004). Für die Schauspielkunst wird vor allem die actio wichtig. Nach dem sog. Ende der Rhetorik in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen des Genie-Gedankens in der Zeit des Sturm und Drang, als man das Ideal der ,Natürlichkeit‘ gegen rhetorische Formelhaftigkeit und Traditionsgebundenheit auszuspielen begann (vgl. Fuhrmann 1983), schien die Rhetorik als Institution einen schweren Stand zu haben. Rhetorikprofessuren wurden in Professuren für Poetik und Ästhetik umgewidmet. Gleichwohl wurde Rhetorik an Schulen und Universitäten auch im 19. Jahrhundert noch gelehrt und überdauerte als elocutio-Rhetorik auch noch im 20. Jahrhundert.
Neue Aufmerksamkeit erfuhr die Rhetorik in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als Chaïm Perelman und Lucie Olbrechts-Tyceta ihr Werk Traité de l’argumentation: La nouvelle rhétorique (1958) veröffentlichten, in dem sie die Bedeutung der in der Rhetorik grundgelegten, aber im Lauf der Jahrhunderte vernachlässigten Argumentationslehre herausstellen. Während sich die antike Rhetorik für die mündliche Rede zuständig erklärte, perspektivieren Perelman und Olbrechts-Tyteca ihre ,neue Rhetorik‘ auf jede schriftliche Redeäußerung, die auf die Zustimmung eines Publikums abzielt. Ein Erneuerer der Rhetorik war auch Kenneth Burke, dem es in seinem erstmals 1950 erschienenen Werk A Rhetoric of Motives darum ging, die besonders unter dem Zeichen der Ästhetik in Misskredit geratene Rhetorik zu reetablieren. Zugleich ging es ihm aber auch um ein neues Verständnis von Rhetorik: „But besides this job of reclamation, we also seek to develop our subject beyond the traditional bounds of rhetoric. There is an intermediate area of expression that is not wholly deliberate, yet not wholly unconscious. It lies midway between aimless utterance and speech directly purposive“ (Burke 1969, xiii). Diesen Zwischenbereich des Rhetorischen sieht Burke nicht mehr als auf Persuasion ausgerichtet, vielmehr setzt er für sein neues Verständnis die Kategorie der Identifikation an. ,Identifikation‘ überbrückt Unterschiede; daher zielt der Redner darauf ab, Übereinstimmung herzustellen, zwischen Menschen untereinander, aber auch zwischen Publikum und vorgetragener Position (vgl. insbes. Burke 1969, 19–23; zu Burke vgl. auch Till 2023). Unter dem Signum der ,neuen Rhetorik‘ wurden auch die poststrukturalistischen Ansätze im Zug des linguistic turn gefasst, etwa eines Jacques Derrida, Roland Barthes oder Paul de Man, die sich bevorzugt den Tropen wie Metapher, Metonymie, Allegorie und Ironie zuwandten, um die konstitutive Uneigentlichkeit allen Sprechens zu konstatieren (vgl. dazu Wagner-Egelhaaf 2015). Da die abendländische Rhetorik, nicht zuletzt aus kulturellen und historischen Gründen, vom männlichen Redner ausgeht, begannen am Ende des 20. Jahrhunderts Wissenschaftlerinnen, ausgehend von den amerikanischen Departments of Communication, die Genderfrage an die Rhetorik heranzutragen (vgl. insbes. Lunsford [Hg.] 1995; Glenn 1997; ein erster Anstoß in Deutschland ging von Regula Venske [1985] aus). Diskutiert wurden in der Folge nicht nur die Rolle von Frauen in der Geschichte der Rhetorik, sondern auch das Gendering der rhetorischen Kategorien selbst sowie die rhetorische Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit (vgl. Bischoff/Wagner-Egelhaaf 2003 und 2010). In Kunst und Musik sowie in allen Medienbereichen prägt rhetorisches Denken sowohl die künstlerische Produktion selbst als auch deren Analyse.
2.3. Jüdische/hebräische Rhetorik
Ein hebräischer Begriff der Rhetorik ist erst seit der Mitte des 12. Jahrhunderts belegt. Auch Abhandlungen über die Rhetorik sind nicht vor dem 11. Jh. erschienen. Dennoch wird der Beginn der Geschichte der jüdischen/hebräischen Rhetorik mit der hebräischen Bibel angegeben (vgl. Lundbom 2006; Zulick 1992, 368; Melamed 1998, 741). Finden sich zwar in der hebräischen Bibel keine „abstrakt-rationalen Reflexionen, die der griechischen Rhetorik vergleichbar wären“ (Melamed 1998, 742), wird die hebräische Bibel dennoch als „Beispiel für rhetorische Kunst“ (ebd.) beschrieben. Neben den Aspekten der Gliederung und des Stils wird in der Sekundärliteratur auf Argumentationstechniken verwiesen; so wird beispielsweise die Bedeutung von Wiederholungen betont (vgl. Lundbom 2006).
Wie stark die rabbinische Literatur von der griechisch-römischen Rhetorik beeinflusst wurde, wird diskutiert. Aufgrund einer Nähe von Topoi zu den sieben hermeneutischen Auslegungsregeln Hillels (Ende 1. Jh. v.u.Z/Anfang 1. Jh. n.u.Z.), die in dem Jerusalemer Talmud aufgelistet werden, geht David Daube davon aus, dass die rabbinischen Auslegungsregeln von der hellenistischen Rhetorik abgeleitet und anschließend hebraisiert wurden. Er erkennt eine Ähnlichkeit zwischen diesem Vorgehen und dem der Römer, die die hellenistischen Konzepte latinisierten (vgl. Daube 1949, 240). Andere Wissenschaftler weisen ebenfalls auf die Ähnlichkeit zwischen den Auslegungsregeln und der griechischen Rhetorik hin, ohne jedoch zwingend oder zweifelsfrei von einer direkten Beeinflussung auszugehen (vgl. die Ausführungen von Hidary 2017, 175–182). Deutlich wird die beschriebene Ähnlichkeit, wenn man die ersten beiden hermeneutischen Regeln Hillels mit der griechisch-römischen Topik vergleicht. Die erste Regel des Qal wa-Chomer, des Schlusses vom Leichteren auf das Schwerere, gleicht dem Argumentum a fortiori, das bereits bei Aristoteles angeführt wird. Gleiches gilt für die zweite hermeneutische Regel Hillels, die Gezerah Shavah. Darunter versteht man einen Analogieschluss, der ebenfalls schon bei Aristoteles zu finden ist (vgl. Hidary 2017, 175–179).
Abraham Melamed geht davon aus, dass die Rhetorik in diesen frühen Formen von jüdischen Gelehrten nicht als Kunst aufgefasst wurde, sondern dieses Phänomen erst im Mittelalter einsetzte. Die Ursache dafür sieht er in der größeren Auseinandersetzung mit der griechischen Kultur und Philosophie über muslimische Vermittler (Melamed 2000, 165 f.; Melamed 1998, 750). Die ersten Werke zur Rhetorik – und auch zur Poetik – wurden auf Arabisch oder Judeo-Arabisch – Arabisch in hebräischen Lettern – verfasst. Als erster jüdischer Gelehrter setzte sich Moses ibn Ezra (ca. 1055–ca. 1138) explizit mit der Rhetorik und Poetik im 11. Jahrhundert auseinander (vgl. Melamed 2000, 166; Cohen 2017, 89–91). In seinem Werk kitab al-muhadara wal-Mudhakara (Buch der Diskussion und Konversation) beschäftigt er sich in dem ersten Kapitel mit der Rhetorik, die er als eine der fünf Künste (artes) definiert. Er sucht den Ursprung der rhetorischen Mittel in der hebräischen Bibel zu finden (vgl. Melamed 2000, 166 f.). Doch auch wenn sich Moses ibn Ezra mit Rhetorik explizit auseinandersetzt, erkennt Abraham Melamed keine starke Wertschätzung der Rhetorik seitens ibn Ezras:
Although Hebrew rhetoric is considered superior to its Arabic counterpart, still rhetoric itself, as an art, is considered by Ibn Ezra to be of inferior value. It was dealt with, and largely disposed of, in the first chapter. This was, most probably, also a result of his low esteem of rhetoric as a persuasive art, which is, in his words, “below firm opinion”. (Melamed 2000, 167)
Ab der Mitte des 12. Jahrhunderts setzten Übersetzungen ins Hebräische ein. Mit der Übersetzung des Kommentars von Averroes (12. Jh.) zur Rhetorik des Aristoteles durch Todros Todrosi im 14. Jh. wurde erstmalig ein „Greco-Arabic rhetorical text“ (Melamed 2000, 170) vollständig ins Hebräische übersetzt. Trotzdem scheint der Einfluss dieses Werkes bis zur Renaissance begrenzt gewesen zu sein (vgl. Melamed 2000, 170). Melamed hält fest:
Only with the Renaissance, however, when the Greco-Arabic rhetorical tradition of medieval Judaism coalesced with the renewed Latin-Ciceronian tradition, was rhetoric finally rehabilitated. It became a legitimate and respected means of persuasion and was moved from the intellectual sidelines into center stage. From a dubious technique of persuasive oratory, it became a powerful instrument for human improvement. This was the golden age of Hebrew rhetoric. (Melamed 2000, 172)
Als ein Meilenstein der Rhetorik wird das von Judah Messer Leon (15. Jh.) verfasste Buch Nofet Zufim beschrieben, da es als erstes Werk in der hebräischen Literatur als „wholly devoted to the new, rhetoric-centered outlook upon life and letters that characterizes the Italian Renaissance“ klassifiziert wird (Rabinowitz 1983, xvii). Die Präsentation der griechisch-römischen Rhetorik erfolgt durch Judah Messer Leon in Bezugnahme auf die hebräische Bibel (vgl. Rabinowitz 1983, xv). Laut Melamed habe der Verfasser die hebräische Bibel als wesentliches Handbuch für die jüdische Rhetorik aufgefasst, die bereits die wichtigsten Theorien und Regeln der Überzeugungskraft – lange vor den Griechen – enthalten habe (vgl. Melamed 2000, 174). In der Folgezeit ist auf das Buch Nofet Zufim vielfach rekurriert worden, das bis zum 17. Jh. als Standardwerk starken Einfluss hatte und bereits zu Judah Messer Leons Lebzeiten gedruckt und veröffentlicht wurde (vgl. Melamed 2000, 175; Rabinowitz 1983, xvii).
In Bezug auf den Inhalt und das Verständnis von Rhetorik erkennt Melamed einen Wandel vom Mittelalter zur Renaissance. Während in der mittelalterlichen jüdischen Rhetorik der Überzeugungsansatz von Aristoteles im Mittelpunkt gestanden habe, sei in der Renaissance die Idee von Quintilian, auf die moralischen Werte eines Redners wert zu legen, betont worden (vgl. Melamed 2000, 175). Wenig erforscht sieht Melamed die Geschichte der hebräischen und jüdischen Literaturgattungen im Zeitraum zwischen der späten Renaissance und der Aufklärung (Melamed 1998, Sp. 759). Als Gelehrte im Fachbereich der hebräischen Rhetorik werden in nachfolgender Zeit Immanuel Freances (17. Jh.) und Moshe Hayyim Luzzatto (18. Jh.), Verfasser der Lashon Limmudim, einer Abhandlung zur Rhetorik und ihren Regeln (vgl. Luzzatto 1891; Peli, 521), angeführt; der Fokus des letzteren hat auf „rein ästhetischen Aspekten der Rhetorik“ (Melamed 1998, 760) gelegen.
Nach der Rückbesinnung der Vertreter der Haskala, der jüdischen Aufklärung, im 18. und beginnenden 19. Jh. auf die jüdische und hebräische Rhetorik, findet mit dem Aufkommen des Zionismus keine Beachtung der Rhetorik als positiver Kunst mehr statt, wie Melamed abschließend unterstreicht:
Während der mittelalterliche hebräische Begriff für Rhetorik, melitza, ausgesprochen positiv die feine Eloquenz bezeichnet, nahm er im modernen israelischen Hebräisch abwertend die Bedeutung von Unehrlichkeit, überheblichem Klischee und bombastischem Geschwätz an. Die einfache und direkte Sprache, vermeintlich ehrlich und gelegentlich unverblümt, wurde in der israelischen politischen Kultur unserer Zeit zur herrschenden Norm. (Melamed 1998, 761)
Insbesondere angestoßen durch die Ansätze von Mark Washofsky, Responsa als Literatur aufzufassen (vgl. z.B. Washofsky 1994, 2004, 2014), wird in der neueren Forschung der Blick ausgeweitet und angefangen, nun auch die Rhetorik und rhetorischen Mittel in Responsa zu untersuchen. Dies liegt v.a. ab der Zeit nahe, in der die sogenannten rabbinische Responsa (ab ca. dem 11. Jh). verfasst werden, da diese von lokalen Rechtsgelehrten auf Anfrage verfasst werden und somit Einzelentscheidungen darstellen. In den Responsa suchen die Respondenten somit, den Adressaten, auch mithilfe rhetorischer Mittel, von ihrer Antwort zu überzeugen und die Antwort als richtig zu präsentieren. Es konnten bereits Topoi identifiziert werden, die wiederkehrend in Responsa seit dem Mittelalter bis in die Gegenwart von Respondenten verwendet werden, um die Adressaten von der Richtigkeit der eigenen Entscheidung zu überzeugen und die eigene Fachexpertise hervorzuheben (Responsa; s.a. Grundmann 2021).
2.4. Rhetorik in den slavischen Ländern
Im slavischen Mittelalter begünstigten sicherlich die Večes, Versammlungen, bei denen politische und juristische Entscheidungen getroffen wurden, die Anwendung der Redekunst; allerdings ist über die Rhetorik in dieser Zeitspanne wenig bekannt. Nach der Übernahme des Christentums entwickelte sich bei den Kyjiwer Rus vor allem die homiletische Rhetorik, und zwar in der antiken und byzantinischen Tradition. Die Rhetorik im westslavischen Raum bildete sich im Strom der west- und zentraleuropäischen Rhetorik heraus. Zu berühmten Theoretikern der Rhetorik in Rzeczpospolita (Polen) gehören der Professor und Rektor der Krakauer Universität Jakub Górski (1525–1585) – unter seinen zahlreichen Werken ist vor allem der Traktat De generibus dicendi liber, adolescenti dicendi studioso opus et utile et necessarium (1559) zu nennen – sowie Maciej Kazimierz Sarbiewski (1595–1640), der zur humanistischen Schule gehörte. Auf dem Territorium der modernen Ukraine erlangte die Rhetorik eine große Bedeutung vor allem an der Kyjiw-Mohyla-Akademie. Josyf Kononovyč-Gorbac'kyj (?–1653) verfasste den ersten Rhetorikkurs der Ukraine, Orator Mohileanus, den er 1635–36 an der Kyjiw-Mohyla-Akademie hielt. Aus den nächsten hundert Jahren sind hier 127 gedruckte Rhetorikkurse und 183 Manuskripte erhalten, denn nach der Tradition musste jeder Lehrende einen eigenen Kurs schriftlich verfassen; bei der Wiederholung des Kurses musste die Abschrift abgeändert werden. Einer der herausragendsten Rhetorikprofessoren an der Kyjiw-Mohyla-Akademie war Feofan (Theophan) Prokopovyč (1677–1736), der seinen Kurs De arte rhetorica im Jahre 1706 las. 1716 folgte Prokopovyč der Einladung des russischen Zaren Peter I. nach Sankt Petersburg. So kann man von einer Art Export der Rhetorik in den russischen Kulturraum sprechen. Jedenfalls war dem Universalgelehrten Michail Lomonosov (1711–1765), der als Begründer der russischen Rhetorik gilt, Prokopovyčs Werk gut bekannt.
In der zweiten Hälfte des 18. Jhs. kommt es im ostslavischen Raum zur Verschiebung der Begriffsbedeutung ,Rhetorik‘, welche nun in erster Linie als Lehre über die Verfassung von prosaischen Texten (im Unterschied zur Poetik als Dichtungslehre) wahrgenommen wird, und nur am Rande als Lehre über die Redekunst, die in dieser Zeit aus politischen Gründen lediglich ein eng begrenztes Anwendungsgebiet besaß. Die Justizreform 1864 im Russischen Reich, welche das öffentliche Gerichtsverfahren etablierte, begünstigte die intensive Entwicklung der russischen Gerichtsrhetorik (s.u. 3.1).
2.5. Poetik, Ästhetik und Stilistik
Insofern als die rhetorischen Lehrschriften immer auch die Dichtung im Blick haben und Dichter, insbesondere in der Vormoderne, auf das Wissen und das Instrumentarium der Rhetorik zurückgriffen, besteht vom Ansatz her eine enge Verbindung von Rhetorik und Literatur. Die erste deutschsprachige Poetik, Martin Opitz’ Buch von der deutschen Poeterey (1624), ist denn auch stark von der Rhetorik geprägt. So ist beispielsweise das V. Kapitel „Von der zuegehör der Deutschen Poesie / vnd erstlich von der invention oder erfindung / vnd Disposition oder abtheilung der dinge von denen wir schreiben wollen“ sichtlich an den rhetorischen Produktionsstadien der inventio und der dispositio orientiert, während das VI. Kapitel „Von der zuebereitung vnd ziehr der worte“ an die elocutio angelehnt ist. Auch Johann Christoph Gottscheds Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen (1730), der maßgeblichen ,Regelpoetik‘ im 18. Jh., sieht man die Nähe zur Rhetorik bereits am Inhaltsverzeichnis an. So handelt etwa das VIII. Kapitel des Ersten Teils „Von verblümten Redensarten“ und das X. Kapitel „Von den Figuren in der Poesie“ (zum Verhältnis von Rhetorik und Poetik in der Barockzeit vgl. grundlegend Dyck 31991 sowie Barner 1970). Wie sehr Rhetorik und Poetik aufeinander bezogen waren, zeigt auch die Tatsache, dass Gottsched 1736 ein eigenes rhetorisches Lehrwerk veröffentlichte, seine Ausführliche Redekunst. Den Diskurs der Poetik, die im 18. Jh. in eine übergreifende Streitlandschaft, die sog. Querelle des anciens et des modernes, eingebunden ist, prägt eine bemerkenswerte Rechtssemantik: Der Kritiker ist ein ,Richter‘, der über gelungene oder weniger gelungene Dichtung ,urteilt‘, ,Zeugen‘ für die Position, die er ,verteidigt‘ anführt und sich auf sein ,Gewissen‘ bezieht (vgl. etwa Gottsched 1973, 384 f.). Eine besondere Rolle spielen ,Regel‘ und ,Gesetz‘. Die ,Regel‘, von lat. regula (vgl. auch regere ,gerade richten‘, ,lenken‘, ,herrschen‘), ist eine ,Richtschnur‘, ein ,Maßstab‘ und etymologisch mit dem Wort ,Recht‘ verwandt. Gottsched hält die ,Gesetze‘ der ,Alten‘ hoch, während seine Kritiker, u.a. die Schweizer Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger, auch den ,Neueren‘ ihre Rechte einräumen. Mit welchen rhetorischen Waffen im poetischen Streit gefochten wurde, zeigt exemplarisch die folgende Passage aus der Vorrede zur 4. Auflage von Gottscheds Critischer Dichtkunst:
Geneigter Leser!
Und meine Dichtkunst lebet noch! Sie lebet, sage ich, und hat alle die Anfälle überstanden, die man die Zeit her auf sie gethan; und denen ich sie bloß gestellet gelassen, ohne ihr im geringsten zu Hülfe zu kommen. Es ist allen bekannt, was seit etlichen Jahren, für oft wiederholte Feindseligkeiten wider sie ausgeübet worden. Jedes Meßverzeichniß neuer Bücher kündigte ihr einen neuen Angriff an; und man schien nicht ermüden oder aufhören zu wollen, bis man meine arme Dichtkunst mit Strumpf [sic] und Stiel ausgerottet hätte. Es ist wahr, diese Schriften waren klein: allein, wer weis nicht, daß auch kleine Tropfen endlich einen Stein aushölen, und durchlöchern können?
[…]
Anstatt nun, daß mein Gegner seine Meynung weiter hätte behaupten, und meine Gründe widerlegen können, schwur er meiner Dichtkunst den Untergang; gleichsam, als ob diese sich an ihm versündiget hätte. Sie war unschuldig; aber das half nichts: seine Rachgier rief ihm unaufhörlich ins Ohr: CARTHAGINEM ESSE DELENDAM! die kritische Dichtkunst müßte ausgerottet werden. HINC ILLAE LACRUMAE! Was daraus erfolget sey, habe ich oben erwähnet: und meine Leser mögen selber urtheilen, ob die Ursache zum Zorne rechtmäßig gewesen? (Gottsched 1751, a2–a3)
Wie die Poetik beerbt auch die Ästhetik die alte Rhetorik, als mit der Geniezeit die Schulrhetorik als nicht mehr zeitgemäß begriffen wurde und an Ansehen verlor. Hier ist vor allem Alexander Gottlieb Baumgartens Aesthetica (1750/58) zu nennen. Die Dreiteilung der theoretischen Ästhetik in Heuristik, Methodologie und Semiotik bleibt an den rhetorischen Lehrbegriffen inventio, dispositio und elocutio orientiert (vgl. Mirbach 2007, XXVIII). Auch die genera cogitandi (tenue, medium, sublime) schreiben sich von der Rhetorik her, ebenso wie die beweisenden Argumente (argumenta probantia), die zentrale Bedeutung der Entgegenstellung (Antithesis) oder natürlich auch die wichtige Rolle, die Baumgarten den Tropen zuerkennt.
Auch die Stilistik ist mit der Rhetorik eng verschwistert und maßgeblich an der Weitergabe der rhetorischen Grundprinzipien beteiligt. Die rhetorischen Stilkategorien latinitas (sprachliche Richtigkeit), perspicuitas (Klarheit), ornatus (Redeschmuck) und aptum (Angemessenheit) bilden die Eckpfeiler jeglicher Stillehre. Johann Christoph Adelungs (1732–1808) dreibändiges Werk Ueber den deutschen Stil (1785/86) widmet der „Sprachrichtigkeit“, der „Klarheit und Deutlichkeit“ sowie der „Angemessenheit“ jeweils eigene Kapitel und bespricht als Konkretion des Redeschmucks (ornatus) in extenso die rhetorischen Figuren. Auch wenn er beispielsweise „die [m]ittlere Schreibart“ sowie den „erhabenen Styl“ erläutert, schließt dies unmittelbar an das rhetorische genus medium bzw. das genus sublime an. Wie Kant unterscheidet Adelung zwischen „Beredsamkeit“ und „Wohlredenheit“:
[…] die Beredsamkeit, oder die Fertigkeit, mit Wohlgefallen zu überreden und zu rühren, und endlich auch die Wohlredenheit, oder die Fertigkeit, sich in allen Fällen so auszudrucken, daß man mit Wohlgefallen verstanden werde. Jene ist immer älter als diese, theils weil das Bedürfniß sie eher fordert, theils aber auch, weil ihre Schönheiten hervorstechender sind und daher eher empfunden und angewendet werden können. (Adelung 1785, 20)
Während die Beredsamkeit die rhetorische Kunst im engeren Sinn meint, bezieht sich die Wohlredenheit auf die kunstvolle bzw. künstlerische Sprachverwendung, das vornehmliche Betätigungsfeld der Stillehre, als deren zentrale Quelle Adelung den Geschmack hervorhebt, der auch bereits in den Poetiken eine hervorgehobene Rolle spielt. Karl Philipp Moritz passt in seinen Vorlesungen über den Styl oder praktische Abhandlung über die gute Schreibart in Beispielen aus den vorzüglichsten Schriftstellern (1793) die Stilkriterien dem Geschmack der Zeit entsprechend an, indem er lebhaften Ausdruck, Ordnung und Bestimmtheit sowie die natürliche Darstellung an die erste Stelle rückt (vgl. Moritz 1793, VIII–X). Gleichwohl behalten die „rednerischen Figuren“ (Moritz 1793, 97), insbesondere aber das Gleichnis, eminente Bedeutung.
2.6. Literaturtheorie
Obwohl Kenneth Burke in A Rhetoric of Motives (1950) grundsätzlich die soziale, zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion im Blick hat, bezieht er sich, ohne zwischen Realität und Literatur zu unterscheiden, frequent auf literarische Texte (seinen Ausgangspunkt nimmt er sogar bei Milton; vgl. Burke 1969, 3–6). Damit öffnet er die persuasionsorientierte Rhetorik im Sinne eines weiteren, auf Identifikation abzielenden Rhetorikverständnisses auch für die Literatur, deren Ambiguität für seine Argumentation immer wieder wichtig wird (vgl. Burke 1969, 95, 126, 166 passim). Zu einer Literaturtheorie im engeren Sinn hat er seine „philosophy of rhetoric“ (Burke 1969, xv) gleichwohl nicht ausgearbeitet.
Wayne C. Booth (1921–2005) fragt in The Rhetoric of Fiction (1961; dt. 1974 als Die Rhetorik der Erzählkunst) nach der spezifischen Rhetorik fiktionalen Erzählens, wobei Rhetorik für ihn im Kontext der Fiktion eine Technik ist. Entsprechend der rhetorischen Situation betrachtet er die fiktionale Erzählung als eine Kunst der Kommunikation mit Leser:innen. Dabei ist ihm die Instanz des Autors wichtig, den er, ohne dies direkt zu sagen, in der Rolle des Orators sieht, selbst wenn der Autor im Roman mit vielen Stimmen spricht und es ihm gelingen muss, „sympathetic involvement“ (Booth 1961, 5) auf Seiten der Leserschaft zu erzielen. Am Beispiel von Boccaccios berühmter ,Falkennovelle‘ verweist Booth auf die Bedeutung von erzählerischer Ökonomie und Präzision. Die rhetorischen Strategien der Figurenreden sind letztlich abhängig vom ,Urteil‘ und der ,Entscheidung‘ des Autors. Die intradiegetische Erzählerin Fiammetta führt in der fünften Novelle des Decamerone ihre erzählerische Rede („oration“) so geschickt, dass die Sympathien der Leser:innen klar auf der Seite der Ehefrau des grundlos eifersüchtigen Mannes liegen, die ihn ihrerseits „in the form of a clever, lashing speech“ (Booth 1961, 15) bestraft.
Frank Zipfel, der den Relationen zwischen Rhetorik und Fiktionstheorie systematisch nachgeht, verweist auf drei Dimensionen rhetorischer Fiktionstheorie bei Booth: „1) offen rhetorische Passagen in fiktionalen Erzählungen […], 2) eine grundsätzliche, allen fiktionalen Texten inhärente Rhetorizität“ und schließlich drittens auf ein andernorts formuliertes Verständnis von Rhetorik, das davon ausgeht, „dass fiktionale Erzählungen (u.a.) dazu da sind, Meinungsveränderungen herbeizuführen“ (Zipfel, 2015, 100, 105). Booth ist indessen nicht der einzige geblieben, der versucht hat, Rhetorik und Fiktionalität zusammenzudenken: Andere Namen, die hier genannt werden müssen, sind James Phelan, Richard Walsh oder Clayton Koelb. Gérard Genette hat beispielsweise vorgeschlagen, über Substitutionsfiguren wie Metapher, Metonymie oder die Metalepse Fiktionstheorie und Rhetorik zu verbinden, indem er beide als Als-Ob-Rede identifiziert (vgl. Zipfel 2015, 107–116).
Auch in seinem 1974 erschienenen Werk A Rhetoric of Irony knüpft Booth an die Kommunikation zwischen Autor und Leser an. Hier interessiert ihn die Frage, warum ironische Rede verstanden wird – oder auch nicht. Obwohl er, wie er einleitend festhält, erst in zweiter Linie ein theoretisches Werk verfassen wolle, gehe es ihm doch darum, „[to] move toward some elementary theoretical clarity about a subject which has been – especially since the Romantic period – the mother of confusions“ (Booth 1974, ix). Indem er versucht, das „slippery subject“ der Ironie „with precision“ zu fassen, unternimmt er, wie er selbst erläutert, „a rhetorical kind of inquiry“ (Booth 1974, xi) und unterstreicht seinen „exclusively rhetorical focus“ (Booth 1974, xiii). Booth unterscheidet prinzipiell zwischen ,stabiler‘ und ,instabiler‘ Ironie. Stabile Ironie ist klar intendiert, hat eine verdeckte Bedeutung, die stabil oder fixiert ist, in dem Sinn, dass der Leser, hat er sie einmal aufgedeckt, sie nicht mehr relativiert oder in Frage stellt. Und sie verfolgt ein bestimmtes Ziel. Damit lehnt sich Booth eng an den rhetorischen Ironiebegriff an, wie man ihn etwa auch bei Quintilian expliziert findet, der schreibt:
Zu der Art von Allegorie aber, in der das Gegenteil ausgedrückt ist, gehört die Ironie. Die Römer nennen sie ‚illusio‘ (Verspottung). Diese erkennt man entweder am Ton, in dem sie gesprochen wird, oder an der betreffenden Person oder am Wesen der Sache; denn wenn etwas hiervon dem gesprochenen Wortlaut widerspricht, so ist es klar, daß die Rede etwas Verschiedenes besagen will. Gleichwohl ist das ja bei den meisten Tropen der Fall, daß ein Unterschied bei dem besteht, was man jeweils von dem Betreffenden aussagt, weil ja das Ausgesagte an der anderen Stelle wirklich gilt. (Quint. inst. VIII 6, 54 f.)
Booth findet die stabile Ironie insbesondere bei Henry Fielding und den älteren Autoren. Die instabile Ironie, die ihm irgendwie suspekt ist (vgl. dazu auch Suleiman 1976, 20 f.), kennzeichnet vornehmlich Werke der Moderne. Sie entgrenzt die Welt der stabilen Bedeutungen und führt letztlich in den Nihilismus. Seine Erkundung instabiler Ironieformen leitet er mit den Worten ein:
But everyone knows that it is often difficult and sometimes impossible to find any solid ground. In many works that are called ironic, very different demands are made, yielding very different and often incompatible rewards. By their nature, such rough beasts defy us. We can know in advance of any encounter that they will not yield to clear and final classification and that our interpretations will slip away from us even as they are made. (Booth 1974, 233)
Eben diese Instabilität des Bedeutens wurde auch zum Ansatzpunkt der poststrukturalistischen Literaturtheorie, deren philosophischer Gewährsmann Friedrich Nietzsche ist. In seiner 1873 verfassten Schrift „Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne“ schreibt Nietzsche:
Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen und geschmückt wurden und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen, in Betracht kommen. (Nietzsche 1988, Bd. 1, 880 f.)
Diese grundsätzlich sprachkritische Position teilt etwa auch der belgisch-amerikanische Literaturwissenschaftler Paul de Man (1919–1983), der in seinem 1979 erschienenen Werk Allegories of Reading unter dem Stichwort der Allegorie als rhetorischer Trope für die generelle Unlesbarkeit von Texten argumentiert, indem er auf das Spannungsverhältnis von figurativer und referentieller Bedeutung verweist. Am Beispiel von Archie Bunkers Antwort „What’s the difference?“ auf die Frage seiner Frau, „whether he wants to have his bowling shoes laced over or laced under“ erläutert de Man den Unterschied zwischen grammatischer und rhetorischer Bedeutung. Archie Bunker geht es, so de Man, nämlich keineswegs darum, den Unterschied von drunter- und drüber geschnürten Schuhen erläutert zu bekommen, wie Frau Bunker irrtümlich meint und zu entsprechender Erklärung ansetzt, sondern darum, dass er auf den Unterschied ,pfeift‘ (vgl. de Man 1988, 38 f.). Und de Man führt aus:
The grammatical model of the question becomes rhetorical not when we have, on the one hand, a literal meaning and on the other hand a figural meaning, but when it is impossible to decide by grammatical or other linguistic devices which of the two meanings (that can be entirely incompatible) prevails. Rhetoric radically suspends logic and opens up vertiginous possibilities of referential aberration. And although it would perhaps be somewhat more remote from common usage, I would not hesitate to equate the rhetorical, figural potentiality of language with literature itself. (de Man 1979, 10)
Literatur ist also de Man zufolge grundsätzlich rhetorisch, wie er nicht müde wird, immer wieder am Beispiel der rhetorischen Tropen, insbesondere auch der Metapher und der Ironie, in Textlektüren von Rousseau über Kleist, Nietzsche zu Proust und Rilke u.a. darzulegen. Dieses v.a. im Poststrukturalismus verbreitete weite Verständnis von Rhetorik wird auch unter dem Stichwort ,Rhetorizität‘ verhandelt.
2.7. Rechtsrhetorik
Mit ,Rechtsrhetorik‘ oder ,juristischer Rhetorik‘ werden Unternehmungen bezeichnet, die nach dem Entstehen, der Bedeutung und Wirkung von Rhetorik im Recht sub specie seiner praktischen Anwendung, wissenschaftlichen Lehre sowie fachsprachlichen Ausdrucksform fragen. In grober Einteilung lassen sich idealtypisch drei Bereiche der Rechtsrhetorik ausmachen: Der erste Teilbereich umfasst die wissenschaftliche Rechtsrhetorik. Damit sind forschende Zugänge angesprochen, die das Recht unter rhetorischen Vorzeichen oder aus einer rhetorischen Sichtweise betrachten (‚Fachliteratur‘). Der zweite Teilbereich bezeichnet den praxisorientierten Zugang zur forensischen Rechtsrhetorik (‚Ratgeberliteratur‘). Als Querschnittsmaterie dient als dritter Teilbereich die didaktische Rechtsrhetorik, in der die Ausbildung von Juristinnen und Juristen in theoretischer und praktischer Hinsicht im Vordergrund steht (‚Lehrbuchliteratur‘).
2.7.1. Wissenschaftliche Rechtsrhetorik
Der folgende Überblick bezieht sich in erster Linie auf die deutschsprachige Rechtsrhetorik, die mit der Selbstbeschreibung als ,Mainzer/Hagener Schule‘ recht homogen klassifiziert werden kann. Das spiegelt wider, dass die deutschsprachige Rechtsrhetorik in der Tendenz eher an die eigene Sprachgrenze gebunden zu sein scheint. So hat die deutschsprachige Rechtsrhetorik bisher nur ausschnittsweise Inspiration in der Rhetorikliteratur des u.s.-amerikanischen Law & Literature-Movements gesucht (vertiefende Rezeption dazu dagegen in der dezidiert rechtsnarratologischen Arbeit bei Blufarb 2017, 179–185 und 209–213). Französischsprachige Rechtsrhetorik wurde allein über den in mehrfacher Hinsicht brückenbauenden Chaïm Perelman in die deutschsprachige Forschung hineingebracht, wenngleich sich die Rezeption vor allem auf die kleineren rechtstheoretischen Schriften Perelmans (1967 [1945], 1979 [1976], 1982, 1982a; eine instruktive Zusammenfassung leistet Seibert 2006) beschränkte. Das mag damit zusammenhängen, dass die deutsche Fassung des Monumentalwerks der französischen Rhetorikforschung, La Nouvelle Rhetorique von Perelman in Zusammenarbeit mit Lucie Olbrechts-Tyteca (1958), lange Zeit der Übersetzung harrte, nämlich bis zum Jahr 2004 (zur verspäteten Rezeption Simon 2006, 97–99).
Der Eindruck internationaler Begrenzung der Rechtsrhetorik im Besonderen ist aber womöglich auch nur Abbild einer im Vergleich zu anderen Disziplinen grundsätzlich eher zur Introspektion neigenden (deutschen) Rechtswissenschaft im Allgemeinen, was etwa Jestaedt (2014, 2) als „auffällige Bindung an die Scholle“ bezeichnet; eine Kritik, die sich bis zu Feuerbach (1810, 14 f.) zurückverfolgen lässt: „Es war immer nur das Einheimische oder Einheimischgewordene, worauf sich all sein [scil. des Rechtsgelehrten] gelehrtes Forschen bezog“. Vielleicht werden aber die zunehmende Internationalisierung und Europäisierung der Rechtsordnungen und der Blick auf internationale Akteure der Rechtsgewinnung neue Forschungsfelder und Debattenräume auch für die (deutsche) Rechtsrhetorik eröffnen (Ansätze dazu bei Schimmelfennig 2006; Arnauld/Theilen 2020; von Bernstorff/Kramer/Saurer/Thomas 2021). Zudem wurde Viehwegs Frühwerk Topik und Jurisprudenz vielfach in der internationalen Rechtswissenschaft, vor allem im romanischen Sprachraum, rezipiert.
In einem genuin mehrsprachlichen Diskurs bewegt sich dagegen die rechtsgeschichtliche Rhetorikforschung. Die angedeutete ,nationale Brille‘ der Rechtsrhetorik wirkt sich nicht allzu stark aus, wenn und soweit der antike Quellenfundus zur Rhetorik und Gerichtsrede für die zeitgenössische Theoriebildung in Anspruch genommen wird. Denn die antiken Quellen und die lateinische Tradition sind über verschiedene Rechts- und Sprachräume hinweg geteilter Erfahrungs- und Wissensschatz, sodass die potentielle Anschlussfähigkeit und Übertragbarkeit der (deutschsprachigen) Rechtsrhetorik gewährleistet ist.
Die (hier fokussierte) Rechtsrhetorik wird überwiegend von Juristinnen und Juristen betrieben; das geht zwangsläufig mit einer ausgeprägten Rechtswissenschaftsperspektive einher und begünstigt eine Veröffentlichungspraxis in rechtswissenschaftlichen Publikationsmedien. Die Schulbildung der Rechtsrhetorik verlief vergleichsweise linear – mit der Folge ausgeprägter Selbstreferenzialität: Es besteht ein weitgehend einheitlicher Grundkanon an Forschungsliteratur der vorangehenden Generation(en), der weitergedacht und gegen Einwände verteidigt wird. Dabei wird ein eigenständiges rechtstheoretisches, rechtsphilosophisches und rechtsmethodisches Forschungsfeld bespielt, das Schnittmengen mit anderen rechtswissenschaftlichen Zugängen aufweist, konkret mit der juristischen Hermeneutik und mit der Argumentationstheorie, der Rechtslinguistik und Strukturierenden Rechtslehre, der Systemtheorie sowie der juristischen Diskursethik, Methodenlehre und Logik. Die Reihenfolge dieser Aufzählung gibt einen ungefähren Anhalt über den (abnehmenden) Grad der gegenseitigen Anschlussfähigkeit, insbesondere im Hinblick auf Überschneidungen von Forschungsprämissen und Erkenntnisinteresse mit der Rechtsrhetorik (zum Verhältnis der juristischen Rhetorik zu anderen Fachdisziplinen vgl. auch Hilgendorf 1995, 40 f.). Da zudem nahezu jede rechtsrhetorisch orientierte Arbeit auch auf antike Rhetorikschriften zurückgreift, ergeben sich zwangsläufig Schnittmengen mit der Rhetorik- und Rechtsgeschichte, die wiederum der Altertumswissenschaft, Philologie und Philosophie nahestehen.
An der interdisziplinären Rhetorikforschung nimmt die deutsche Rechtsrhetorik Teil: So halten einschlägige disziplinübergreifende Sammelbände regelmäßig eine Abteilung zur Rechtsrhetorik bereit; gleichermaßen enthält das Historische Wörterbuch der Rhetorik mehrere Lemmata mit Rechtsbezug (prominent Hohmann 1996; 1998; von Schlieffen 2007). Während die antike Rhetorik um Aristoteles, Cicero und Quintilian als stabiles Theoriefundament der Rechtsrhetorik dient, wurde die moderne und postmoderne Rhetorikforschung nur begrenzt zur Kenntnis genommen: So endet der außerdisziplinäre Rezeptionskanon meist nach Nietzsche, Toulmin, Gadamer und Morris, sodass etwa rhetorische Klassikernamen wie Blumenberg, Kopperschmidt, Knape, Bornscheuer, Lausberg, Plett oder Curtius in rechtsrhetorischen Schriften vergleichsweise selten zu finden sind.
Für die Entwicklung der (deutschsprachigen) Rechtsrhetorik wird eine recht einheitliche Geschichte erzählt; als einleitender Topos wird in der Regel auf die historisch gewachsene Verbindung von Recht und Rhetorik hingewiesen, die bereits in der eigenständigen Redegattung der antiken Gerichtsrede (genus iudicale) ihren Ausdruck fand. Zudem ist eine bedeutende Fokusverschiebung gegenüber der ursprünglichen Gerichtsrede zu verzeichnen: In der antiken Praxis ging es noch maßgeblich um die (zumeist advokatisch vertretene) Anklage- und Verteidigungsrede vor Gericht – also eine Rechtsrhetorik, die hier im Folgenden als „forensische“ behandelt wird. Heute interessiert sich die Rechtsrhetorik vorrangig für die Begründungen von Urteilen und Beschlüssen, damit also für die Entscheidungstexte von Gerichten selbst. Das ist gegenüber der klassischen Theorie der Gerichtsrede ein grundsätzlicher Unterschied, wird damit doch eine Entscheidung vorausgesetzt und als rhetorischer Akt verstanden, welche in der antiken Tradition überhaupt erst durch das Plädoyer herbeigeführt werden sollte. Daher untersucht ein Großteil der zeitgenössischen Rechtsrhetorikforschung gerichtliche Entscheidungsbegründungen – und nicht mehr anwaltliche Plädoyers. Antikes Wissen der Rhetorik dient damit in der Regel in der zeitgenössischen Rechtsrhetorik nur als Steinbruch – für Tiefenbohrungen ist demgegenüber die Rechtsgeschichte zuständig.
Der Beginn der modernen Rechtsrhetorik wird auf die Schrift Topik und Jurisprudenz des Mainzer Universitätsprofessors Theodor Viehweg (1907–1988) von 1953 datiert, an dem sich genau diese dienende Funktion der antiken Rhetoriktheorie und -praxis erkennen lässt. Viehweg skizziert ein kompaktes geschichtliches Bild von der Bedeutung der Topik für die Frühstadien der Rechtslehre, ohne dabei aber eine originär historische Studie vorlegen zu wollen (so ausdrücklich die Verteidigung gegen erhobene Einwände im Vorwort der fünften Auflage bei Viehweg 1974, 7; rechtshistorische Kritik z.B. bei Horak 1969, 45–64, und Otte 2008). Vorrangig geht es Viehweg darum, eine zu seiner Zeit vorherrschende, aus seiner Sicht jedoch defizitäre und inadäquate Methode des Rechtsdenkens in Frage zu stellen, die sich ein „axiomatisch-deduktives System“ zu eigen gemacht habe (1974, 7–9). Dem stellt er in Anlehnung an Giambattista Vico (1708/1947) die Topik gegenüber, die er als „eine von der Rhetorik entwickelte Techne des Problemdenkens“ bezeichnet (Viehweg 1974, 14). Viehweg betont dabei in rhetorisch-dialektischer Tradition die Bedeutung des kritischen Diskurses, in dem die eigene Argumentation bestehen und angenommen werden müsse (1974, 42 f.). Der der Jurisprudenz zugrundeliegende Fundamentalantrieb sei es, Gerechtigkeit zu verwirklichen, was sich nur in einem fortlaufenden kasuistisch-topischen Prozess gewährleisten lasse, nie aber durch vollständige Systematisierung erreicht werden könne (1974, 96–100 und 109 f.). In seinem der fünften Auflage hinzugefügten „Anhang zur Fortentwicklung der Topik“ erweitert Viehweg seinen anfangs noch dezidiert nur auf die Topik eingegrenzten Ansatz zu einer allgemeinen Theorie rhetorischer Argumentation: In Anlehnung an die semiotische Dreiteilung in Syntax, Semantik und Pragmatik (Morris 1938) stellt er den situativen Bezug der Pragmatik für seine Theorie in den Dienst, die er als Fortentwicklung der Rhetorik begreift (Viehweg 1974, 111 f.; noch näher Viehweg 1995 [1977]). Viehwegs Revitalisierung der antiken Topik für die zeitgenössische Jurisprudenz richtete sich unverhohlen gegen den damaligen rechtswissenschaftlichen Mainstream und musste – wenig überraschend – immer wieder gegen Kritik verteidigt werden, da er als Fundamentalangriff auf die Wissenschaftlichkeit und Rationalität des Rechts sowie die Gesetzesbindung der Rechtsprechung aufgefasst wurde (ausführlich zu Werk, Wirkung, Kritik und Gegenkritik Launhardt 2010).
Trotz allem hat Viehweg nachhaltigen Eindruck hinterlassen; die weitere Vertiefung und Ausdifferenzierung seiner Thesen blieb aufgrund der sonst eher verstreuten und kleineren Schriften (gesammelt in Viehweg 1995, 191–222) jedoch zu großen Teilen seinen Schülern überlassen. Der wohl bekannteste unter ihnen war Ottmar Ballweg (1928–2019), der mit der Entwicklung seiner zeichentheoretisch inspirierten Analytischen Rhetorik die meinungsmäßigen Wirkungsbeziehungen innerhalb der nur vordergründig formal-objektiv operierenden Rechtswissenschaft aufzudecken suchte. Ganz der Tradition Viehwegs verschrieben, weigerte sich Ballweg, die juristische Arbeitstechnik als exakte Methode mit logischen Ableitungen zu charakterisieren, sondern begriff die topische Such- und Begründungskunst der Juristen als eine habituelle, durch die juristische Sozialisation internalisierte Arbeitsweise (Ballweg 2009 [1978], 50). Das Proprium der Rechtsdogmatik liege darin, nicht zu hinterfragende Abstrahierungen von meinungsmäßigen Wertungsentscheidungen vorzunehmen, die die Entscheidbarkeit praktischer Fälle gewährleiste und damit das für das Recht unabdingbare Vertrauen in dessen Autorität herstelle, indem es seine Autorschaft durch Menschen verdecke (Ballweg 1970, 116–119; 2009b [1982], 96–97; 2009 [1990], 129). Der rhetorischen Analyse komme die aufklärerische Aufgabe zu, diesen Verschleierungsprozess zu dekonstruieren (2009b [1982], 95; 2009a [1989], 70 f.). Einen ausgeprägten semiotischen Einschlag begleiten auch die Werke von Waldemar Schreckenberger (1978) und Thomas-Michael Seibert (2017). Gerhard Struck nimmt mit seinem Katalog von 64 gängigen juristischen Topoi eine Annäherung an den notorisch unscharfen Toposbegriff vor, bei dem er allgemeine Strukturmerkmale juristischer Topoi herausarbeitet (1971, 20–63; zu einer juristischen Toposdefinition auf dieser Grundlage vgl. Rehbock 1988, 28).
Als vorläufigen Schlusspunkt dieser Schulbildung lässt sich Katharina von Schlieffen, geborene Sobota und frühere Schülerin von Ballweg, nennen. Der Ansatz von Schlieffens zeichnet sich insbesondere durch ihre empirischen rhetorischen Analysen von richterlichen Entscheidungstexten aus (Sobota 1992; 1996; 2000; von Schlieffen 2005; kritisch zur Methode Wohlrapp 2005), der in mehreren Arbeiten von ihren Schülern weitergeführt wurde (u.a. Solbach 2003 und Johnston 2015). In argumentationstheoretischer Hinsicht hat von Schlieffen maßgeblich dazu beigetragen, den rhetorischen Schluss des Enthymems für die Rechtswissenschaft fruchtbar zu machen (von Schlieffen 2011; 2011a; kritisch Simon 2011). Insgesamt lässt sich damit eine zunehmende Hinwendung zur Empirie und zu konkreten Anschauungs- wie Anwendungsbeispielen beobachten.
Diese Neigung zum konkret Fassbaren, stärker beobachtend-deskriptiven Zugang zur Rhetorik im Recht könnte eine Bewegung sein, die aus den negativen Erfahrungen der kritischen Anfangsphase mit ihren leidenschaftlichen Debatten rund um das Frühwerk Viehwegs motiviert ist. Der Habitus der rechtsrhetorischen Kritik hat sich seit Viehweg aber eher radikalisiert. Ihre Prämissen, Codes und Losungen vermitteln häufig den Hautgout der Rebellion, des gegen-den-Strich-gebürsteten ‚gallischen Dorfes‘ (deutlich wird das in den Übersichtsartikeln von Schlieffen 2005a, 313–315; 2009, 1813 f.; 2017, 291 f.; ähnliche Beobachtung wie hier bei Walter 2017, 49–51). Die Rechtsrhetorik verschreibt sich – der Freirechtsschule, dem Rechtsrealismus und den Critical Legal Studies ähnelnd – der Aufklärung über ein (vermeintlich) immer noch herrschendes, zu stark positivistisch und szientistisch akzentuiertes Begriffs- und Systemdenken, das die Situativität, Historizität, Agonalität und Kontingenz des Rechts übersehe. Der rechtswissenschaftliche Mainstream sieht sich von diesen Postulaten oft herausgefordert. Der klassische Einwand lautet, die Rechtsrhetorik unterlaufe die Ideale der Gesetzesbindung und der methodengemäßen Regelanwendung (Kritik an der Rechtsrhetorik sammelt Weirauch 2005, 21–24). Diese Kritik der Beliebigkeit wird vonseiten der Rechtsrhetorik als ungerechtfertigt zurückgewiesen, beruhten doch solche Vorwürfe auf normativen Prämissen, die nicht gegen die sich selbst als analytisch-beschreibend verstehende Rechtsrhetorik gewendet werden könnten (so einmütig Launhardt 2001, 147; 2010, 221; Lyra 2004, 62f.; Fischer 2021, 4)
Überlappungen dieser Rechtsrhetorik (im engen Sinne) bestehen mit der bereits erwähnten, auf eine länger gewachsene Forschungstradition zurückblickende Rhetorikforschung in der Rechtsgeschichte, die sich aufgrund des besonderen rechtskulturellen Erbes des römischen Rechts vornehmlich für die Rhetorik der Jurisprudenz im antiken Rom interessiert. So lässt sich für die erwähnte Grundsatzdebatte gegenüber dem topischen Ansatz Viehwegs eine vergleichbar scharf geführte Debatte um das Werk Summum ius summum iniuria von Johannes Stroux (1926) beobachten, der mit spitzer Feder proklamierte, der Durchbruch der aequitas in das vorher vermeintlich durch und durch formalisierte römische Recht sei ein Erfolg der Rhetorik gewesen. Auch hier reichte der Widerhall von enthusiastischer Zustimmung (Riccobono 1949, 69: „bestimmt […] Epoche zu machen“) zu prononcierter Opposition (von Beseler 1948, 349: „sofort auf öffentlichem Markte verbrennen“). Als Folge der tendenziell eher positivistischen Grundhaltung der Romanistik (Tuori 2007) war mit einem rhetorikzugeneigten Ansatz in der Rechtsgeschichte lange Zeit wenig zu gewinnen. Mittlerweile zeigen sich aber auch hier deutliche Tendenzen, der Rhetorik eine wichtige Rolle für die Entwicklung des römischen Rechts zuzugestehen (vorsichtige Offenheit noch bei Wieacker 1988, § 40; rhetorikaffin Babusiaux 2007; Überblick über die historische Entwicklung bei Babusiaux 2023).
2.7.2. Forensische Rechtsrhetorik
Eine mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geratene Rechtsrhetorik des 19. Jahrhunderts war vor allem forensisch auf die Anleitung von Anwältinnen und Anwälten ausgerichtet, die hiermit in der praktischen Rede vor Gericht ausgebildet werden sollten. Zu nennen sind hier zuvörderst Karl Salomo Zachariäs Anleitung zur gerichtlichen Beredsamkeit (1810), Carl Joseph Anton Mittermaiers Anleitung zur Vertheidigungskunst im deutschen Criminalprocesse und in dem auf Oeffentlichkeit und Geschworenengerichte gebauten Strafverfahren (1814; 41845), Oskar Ludwig Bernhard Wolffs Lehr- und Handbuch der gerichtlichen Beredsamkeit (1850) sowie Hermann Friedrich Ortloffs Die gerichtliche Redekunst (1887, 21890). Ueding und Steinbrink (2011, 147–150) charakterisieren diese gerichtliche Beredsamkeit des 19. Jhs. als stark vom zeitgenössischen positivistischen Denken beeinflusst, was bedeutet, dass – anders als in der heutigen rechtswissenschaftlichen Rechtsrhetorik – die Rhetorik nicht als für die Rechtsfindung konstitutiv angesehen wird. Der Rhetorik wird vielmehr eine bloß unterstützende Funktion für den Vortrag zugebilligt, der aber den juristischen Idealen der Nüchternheit und Sachorientierung zu entsprechen habe.
Von einer solch vornehmen Haltung hat sich die heutige forensische Rechtsrhetorik weitgehend verabschiedet. Hier scheint am deutlichsten der negative Ruf der Rhetorik auf, lediglich einen instrumentellen Werkzeugkasten mit Kunstgriffen bereitzuhalten, um zielgerichtet-strategisch, von sittlichen Bedenken unbekümmert, ein Publikum von der eigenen Sache einzunehmen (offenes Eingeständnis bei Roth/Stiel 2009, 2 f.). Angesichts des eher instrumentellen, auf Erfolg angelegten Rhetorikverständnisses dockt dieser rechtsrhetorische Teilbereich stärker an die (populärwissenschaftliche) Kognitionspsychologie an und nimmt sich auch nichts aus, sophistische oder eristische Quelle heranzuziehen (Ott 2008; Lübbig 2020; zur Kritik an Lübbigs Schopenhauer-Rezeption Lemanski 2021; zur Eristik auch Struck 2005). Zahlenmäßig gesehen handelt es sich bei der forensischen Rechtsrhetorik zumindest in Deutschland weitgehend um eine Nische (zum Vergleich mit anderen Ländern Lübbig 2020, 5–7 und 15 f.), die von den Bibliotheken von Rhetorikratgebern für Führungskräfte in den Schatten gestellt wird. Dieser Eindruck mag aber auch daher rühren, dass praktische Beredsamkeit eher in Fortbildungen unterrichtet und dann als graue Literatur veröffentlicht wird. Zudem dient die didaktische Rechtsrhetorik als wichtiger und anerkannter Lückenfüller.
2.7.3. Didaktische Rechtsrhetorik
Die didaktische Rechtsrhetorik richtet sich in Lehrbüchern überwiegend an die studentische Leserschaft. So manches rechtsrhetorische Grundlagenwerk lässt sich aber durchaus als voraussetzungsvoll charakterisieren und eine eigenständige Gedankenführung erkennen, die sich nicht in bloßer Kompilation erschöpft, sodass sie auch für ausgebildete Juristinnen und Juristen von Interesse sein kann (maßstabsetzend Gast 52015). Didaktische Werke fahren als Querschnittsmaterie der wissenschaftlichen und forensischen Rechtsrhetorik in der Regel zweigleisig, wollen also sowohl auf einer theoretischen und methodischen Ebene in die Grundgedanken der Rechtsrhetorik einführen als auch in praktischer Hinsicht zu überzeugendem Sprechen oder Schreiben anleiten (schriftorientiert, früher populär, aber mangels Neubearbeitungen in die Jahre gekommen Haft 82009; dezidiert mündlichkeitsorientiert Walter 2017; synthetischer Ansatz mit Mündlichkeitsschwerpunkt bei Tröger 2021 – zur Kritik Schnetter 2022). Diese doppelte Zielsetzung führt dazu, dass man sie in der juristischen Ausbildung zwischen Grundlagenfach und Schlüsselqualifikation einordnen kann; in der Lehrpraxis kommt ihr aber dennoch eine nebensächliche Rolle zu (vgl. Thelen 2012). Ansätze didaktischer Rechtsrhetorik finden sich auch in Werken, die sich nicht spezifisch der Rhetorik widmen, sondern allgemein in die juristische Arbeitsweise einführen oder auf mündliche Prüfungen vorbereiten.
3. Rhetorische Konstellationen zwischen Recht und Literatur
Im Folgenden wird der Fokus spezifisch auf die rhetorische Dimension des Verhältnisses von Recht und Literatur gelegt.
3.1. Literatur im Recht: Literatur als rhetorisches Beweismittel
Als rhetorisches Beweismittel wird Literatur im Recht hauptsächlich bei Gerichtsverfahren in (Partei-)Vorträgen und Schriftsätzen der Parteien eingesetzt, wobei zwei grundlegende Muster existieren, die in der Praxis allerdings nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen sind. Die erste, seit der Antike bewusst angewandte Form besteht in der Ausweitung literarischer Intertextualität auf rechtliche Texte: In diesem Fall wird innerhalb von Rechtstexten zu argumentativen Zwecken explizit auf bekannte literarische Texte hingewiesen oder implizit auf diese angespielt, wobei auch direkte und indirekte Zitate möglich sind. Die zweite Form besteht in der Imitation literarischer Vorgehensweisen, die aus rhetorischer Sicht relevant sein können. In seinem programmatischen Werk The Rhetoric of Fiction (1961) machte Wayne C. Booth auf das rhetorische Potential der Literatur aufmerksam. Nach Booth vermag die Einnahme einer bestimmten Perspektive Sympathie für den entsprechenden Charakter erwecken, was üblicherweise zu Parteilichkeit führt: „‘Our hero’ could often get away with murder, while his enemies were condemned for minor infractions of the moral code“ (Booth 1970, 84). Booth beschreibt auch andere Verfahren, mit deren Hilfe Wertungen und Einstellungen in ideologisch scheinbar neutralen literarischen Texten vermittelt werden. Im Weiteren erarbeitet insbesondere die Tel Aviv School der Narratologie den kommunikativ-rhetorischen Aspekt der Literatur und erweitert das Verständnis von der Rhetorizität der Literatur (vgl. Segal 2011). Für Anwält:innen ist die Erweckung und Erhaltung von Parteilichkeit bzw. Sympathie für ihre Mandant:innen von großer Bedeutung, weswegen Verteidiger:innen vor Gericht nicht selten spezifisch literarische Techniken anwenden; auch Staatsanwält:innen können zu ihnen greifen, um den durch das Verbrechen angerichteten Schaden zu betonen. Dabei sind große regionale und epochenbezogene Unterschiede festzustellen, die auf die jeweilige rechtliche und kulturelle Situation zurückzuführen sind. Einen Spezialfall der Anwendung von Literatur als rhetorisches Mittel im Gerichtsverfahren stellt die Entlarvung literarischer Techniken in der Argumentation der Gegenseite dar: Durch den Verweis auf die Verwendung literarischer Verfahren im Vortrag der Gegenseite wird der Verdacht von Fiktionalität erweckt, die im Gerichtsverfahren unzulässig ist; die Argumente werden dadurch entwertet.
Auch wenn Literatur und Rhetorik seit der Antike eng zusammenhängen, erreichte die Verwendung von Literatur als rhetorisches Beweismittel besonderes Ausmaß im Russischen Reich zwischen 1864 und 1917, etwa in den Gerichtsreden der Anwälte V. D. Spasovič, A. I. Urusov, S. A. Andreevskij, N. P. Karabčevskij, P. A. Aleksandrov, K. K. Arsen'ev, F. N. Plevako; der Staatsanwälte A. F. Koni, M. F. Gromnickij u.a. In diesem Sinne entwickelte die russische Schule der Redekunst die französischen Traditionen weiter. Das Aufblühen literarisch geprägter Gerichtsrhetorik ist in erster Linie auf die 1864 erfolgte Justizreform zurückzuführen, die unter anderem das mündliche Gerichtsverfahren vorschrieb und das Geschworenengericht etablierte. Ein zweiter wichtiger Faktor stellt der intensive und fruchtbare literarische Prozess dieser Zeit dar, der auf die Analyse gesellschaftlicher Missstände und damit einhergehend auch auf entsprechende juristische Fragen ausgerichtet war. Die von F. M. Dostoevskij, L. N. Tolstoj, A. P. Čechov und weiteren Autoren von Weltrang geprägte russische Literatur des 19. und frühen 20. Jhs. war – vor allem in ihren realistischen Ausprägungen – von außerordentlich hoher gesellschaftlicher Relevanz. Ein weiterer, die Literarizität von Gerichtsreden begünstigender Umstand stellte das Fehlen einer Tradition des mündlichen Gerichtsverfahrens dar. Die restriktiven Regeln, denen das Erzählen im Gericht gewöhnlich unterliegt (vgl. Brooks 2005, 417), etablierten sich ab 1864 nur langsam, so dass die Anwälte dieser Zeit zunächst über große Spielräume in der Gestaltung fallbezogener Erzählungen verfügten.
Literarisches Handwerk kam besonders häufig in Plädoyers in den Fällen zum Einsatz, bei denen die Tatfrage bereits geklärt war. Das reformierte russische Justizsystem zeichnete sich durch eine äußerst scharfe Trennung zwischen den Tat- und Schuldfragen aus, welche für westeuropäische Systeme untypisch war und durch die slavophilen Vorstellungen von der ,inneren Wahrheit‘ geprägt wurde, die der ,äußeren Wahrheit‘ des Gesetzes entgegengestehe (Korotkich 1989, 134). In der Gerichtspraxis bedeutete es, dass die festgestellte Tatsache der geplanten Ausführung der Tat durch die:den Angeklagte:n die Schuldzuweisung nicht notwendigerweise erzwang; ausschließlich das Gewissen der Geschworenen war die Instanz, welche über die Schuld urteilen durfte. Dies gab den Anwälten die Möglichkeit, zu beweisen, dass im Grunde nicht die Person, sondern die Gesellschaft Schuld für die Tat trage oder dass die äußeren Umstände für die:den Angeklagte:n unüberwindbar gewesen seien; auch der Begriff des Affekts wird verschwommen und mitunter auf geplante Taten angewandt. Hier sind Parallelen zu der zeitgenössischen Literatur zu erkennen, die sich unter anderem für die Genealogie des Verbrechens interessiert. Insbesondere bei den Beziehungstaten konnte die Strategie effizient sein. So erklärte das Geschworenengericht von Sankt Petersburg nach dem erfolgreichen literarisierten Plädoyer von N. P. Karabčevskij die Mörderin Olga Palem 1895 für unschuldig (dazu McReynolds 2013, 79 ff.); S. A. Andreevskij hatte Erfolg im Prozess des Mörders Andreev. Ähnliches geschah in zahlreichen weniger berühmten Prozessen, was zur Kritik der Gerichtsform führte. Die folgenreichste Freilassung erfolgte aber in einem politischen Prozess, als die Attentäterin Vera Zasulič nach der raffinierten Verteidigung von P. A. Aleksandrov unschuldig gesprochen wurde (1878).
Die Anwendung literarischer Techniken wurde dadurch begünstigt, dass herausragende zeitgenössische Anwälte eine große Affinität zur Literatur zeigten, viele von ihnen betätigten sich auch selbst literarisch: S. A. Andreevskij (1848–1919) etwa war nicht nur als Anwalt, sondern auch als Dichter, literarischer Übersetzer und Kritiker bekannt; sein Opus Magnum Das Buch vom Tode ist auch ins Deutsche übersetzt (Andrejewskij 1958). N. P. Karabčevskij (1851–1925) publizierte sowohl fiktionale Prosa als auch autobiographische Texte, die z.T. mit seiner Tätigkeit als Anwalt zusammenhingen, außerdem schrieb er Gedichte. A. F. Koni (1844–1927) verfasste literarisch anspruchsvolle Erinnerungen, die sowohl seine juristische Karriere als auch berühmte Persönlichkeiten aus dem juristischen und literarischen Milieu behandelten. V. D. Spasovič (1929–1906) und K. K. Arsen'ev (1837–1919) veröffentlichten Aufsätze über Literatur, der letztere widmete sich letztendlich trotz seiner juristischen Erfolge vollständig der literarischen Tätigkeit.
Die Anlehnung an literarische Beispiele in Gerichtsreden geschah nicht selten bewusst: So gibt Spasovič mit einer Note der Selbstkritik zu, dass er sich selber und die meisten seiner berühmten Kollegen vor allem als Literaten betrachtet, und dass sie von der reinen Redekunst dadurch getrennt sind, dass ihre Gedanken und Gefühle ausschließlich durch das Filter der schriftlichen literarischen Schöpfung geäußert werden können (vgl. Glinskij 1897, 66). Dagegen ermuntert Andreevskij die angehenden Anwälte selbstsicher, sich als Literaten zu verstehen und behauptet, dass die literarischen Verfahren vollständig und offen in die Verteidigungspraxis eingehen sollen, was er mit der Möglichkeit der tiefen Analyse des Seelenlebens, die Literatur biete, begründet (vgl. Andreevskij 2000, 288). Zugleich beteiligten sich Schriftsteller an Debatten zu juristischen Fragen und Gerichtsprozessen und nahmen mitunter auch aktiv an Gerichtsverfahren teil. Der Schriftsteller V. G. Korolenko trat beispielsweise im Prozess zum ,Multaner Opfermord‘ (1892–96) als einer der vier Verteidiger auf, und unterstützte die Verteidigung im Fall M. M. Bejlis (1911–13).
Die Nähe der juristischen Rhetorik dieser Zeit im Allgemeinen und der einzelnen juristischen Texte zur Literatur wurde, meist mit einer positiven Konnotation, sowohl von den Zeitgenossen als auch von späteren Autoren angesprochen (vgl. Glinskij 1897, 19; Kozlina 1913, 164; Szenic 1958, 2, 247; Vinogradov 1980, 123; Schomacher, 2019, 353 u.a.).
Beispiele für literarische Intertextualität in der Funktion des rhetorischen Mittels finden sich in russischen Gerichtsreden zahlreich. So vergleicht etwa der Anwalt Andreevskij seinen Mandanten A. G. Ivanov, der seine untreue Geliebte umgebracht hat, u.a. mit Pozdnyšev, dem Protagonisten von Tolstojs Kreutzersonate wie auch mit den Brüdern Karamazov aus dem gleichnamigen Werk von Dostoevskij. Die Grundlage für die rhetorische Anwendung literarischer Techniken bildeten vor allem die in viele Reden integrierten Erzählungen, die nicht nur die Taten aus der Sicht der Angeklagten darstellten, sondern häufig auch deren Lebensgeschichten vermittelten. Die Einnahme der Mandanten-Perspektive, tiefe Einblicke in deren Psyche und weitere Vorgehensweisen, die der Perspektivierung bzw. Fokalisierung in der Literatur entsprechen, wurden in den Reden vielseitig eingesetzt. In seiner Rede zum Prozess Zasulič (1878) lenkte der Anwalt P. A. Aleksandrov auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Geschworenen von der Tat und dem Schaden, der dem Opfer zugefügt wurde, auf das wechselvolle Schicksal und das eigene Leiden der Angeklagten. Veränderungen des Erzähltempos erhalten eine große rhetorische Bedeutung, insbesondere bei geklärter Tatfrage: Während für die Persönlichkeit der Mandanten bedeutende Ereignisse oft detailliert vorgetragen wurden, waren die Darstellungen der Taten tendenziell knapp oder wurden durch trockene Hinweise auf das Ereignis ersetzt. Dieses Vorgehen ist z.B. für die Rede von P. A. Aleksandrov im Prozess Zasulič, für die Rede von V. D. Spasovič im Prozess S. L. Kronenberg (1876), dessen Gegenstand Kindesmisshandlung war (dazu Kantypenko 2004, 376 ff.), und für zahlreiche weitere Reden typisch. Eine Abschwächung der Argumentation der Gegenseite durch Verweise auf ihre literarische Natur erzielt V. M. Prževalskij im Prozess um den „Klub der Herzbuben“ (1877), indem er der Staatsanwaltschaft ironisch vorwirft, anstelle der Anklageschrift schlichtweg einen Roman von Ponson du Terrail darzubieten (Kazancev 1991, 268).
Nach der Oktoberrevolution 1917 traten radikale Veränderungen im Bereich Recht und Justiz auf, die das Fortbestehen der vorrevolutionären Anwaltschaft mitsamt der für sie typischen Verteidigungsstrategien unmöglich machten.
3.2. Recht in der Literatur
Die Darstellung von Rechtsfällen in der Literatur ist der Gegenstandsbereich, der in der Recht-und-Literatur-Forschung wohl am intensivsten bearbeitet wurde (vgl. etwa Fehr 1931; Lüsebrink 1983; Weisberg 1984, 2013; Mölk [Hrsg.] 1996; Beckerhoff 2007; Košenina 2007; Müller-Dietz 2007; Lehmann 2009; Weitin 2009; Nilges 2012; Pieroth 2015). Die dargestellten Rechtsfälle sind vielfach fiktiv, oft liegen den literarischen Verarbeitungen aber auch historische Rechtsfälle zugrunde. Die Literatur nimmt hier ihre eigenen Beurteilungen vor. Auf rhetorische Dimensionen dieser Konstellation wurde indes bislang der Blick noch nicht gerichtet. Dies kann im Folgenden auch nur anhand weniger Beispiele geschehen, eröffnet aber ein ergiebiges Forschungsfeld.
Dass alles, was in Dramen der Barockzeit geschieht, hochrhetorisch ist (vgl. Dyck 31991; Barner 1970), nimmt nicht weiter wunder; gleichwohl ist es aufschlussreich, zu sehen, wie sich am konkreten Beispiel die literarische Verarbeitung der Frage des Rechts rhetorisch gestaltet. In Andreas Gryphius’ (1616–1664) Trauerspiel Großmüthiger Rechtsgelehrter oder Sterbender Aemilius Paulus Papinianus (1659) steht der Protagonist, der römische Jurist Papinian (142–212), der unter dem Kaiser Septimius Severus tätig war, trotz extrem widriger Umstände und obwohl es ihn und seinen Sohn am Ende das Leben kostet, für das Recht ein und verteidigt es. Der Kaiser Bassinianus (Caracalla) erwartet von Papinian, dass er den Mord, den der Kaiser an seinem Bruder Geta begangen hat, öffentlich als Staatsnotwehr rechtfertigt. Papinian tut dies jedoch nicht und bleibt standhaft, obwohl von verschiedenen Seiten Druck auf ihn ausgeübt wird. Im Text werden viele und lange Reden gehalten. Der Kaiser und seine Anhänger versuchen, Papinian zu überreden, den Brudermord zu rechtfertigen. Papinian hält Gegenreden und verteidigt seine Position. Sein Verständnis des Rechts legt er folgendermaßen dar:
[…]
So stört mein einsam seyn durch eur gereusche nicht.
Mein Hof ist dennoch frey/ich halte stets Gericht /
Geb’ offentlich Verhör / auch wenn der lichte Morgen
Den Himmel noch nicht siht / und sich der Tag verborgen.
Ich fahre keine Witt’b mit rauen Worten an /
Ich helffe wo ich mag/ den ich nicht retten kann
Laß ich doch sonder Trost nicht von dem Angesichte /
Und klage wenn ich nicht / was jemand wünscht / verrichte.
Man gibt mir ferner Schuld daß ich der Götter Ehr
Als auß den Augen setz’ und nicht der Christen Lehr
Mit Flamm’ und Schwerdt außreut’. Ists aber wol zu loben
Daß man so grimmig wil auff dise Leute toben /
Und Leich auff Leichen häufft da niemand recht erkennt
Was jhr Verbrechen sey? Wer jetzund Christen nennt
Wil stracks daß man zur Qual auch ohn erforschen eile /
Da doch das heilge Recht gesetzte Zeit und Weile
Beym Blut-gericht’ erheischt! man strafft / ich weiß nicht was /
Und schir ich weiß nicht wie / welch Recht spricht billich das;
Daß man ein erbar Weib der Unzucht übergebe
Und in ein offen Haus auß jhrem Zimmer hebe /
Umb daß sie Christum liebt. Ist das die Röm’sche Zucht?
Ist diß ein neues Recht: So sey diß Recht verflucht! (Gryphius 1965, 13 f., I, 77–98)
Papinian ist also fleißig, in seiner Rechtsprechung transparent, gerecht und freundlich gegenüber jedermann, insbesondere auch gegenüber den staatlicherseits verfolgten Christen. Das Recht ist ihm heilig. Seine Haltung verdeutlicht er durch Beispiele, mit rhetorischen Fragen versucht er, seine Position zu verdeutlichen, er scheut nicht den hyperbolischen Ausdruck („Leich auf Leichen häufft“), eine Exclamatio am Ende der zitierten Passage gibt seiner Empörung Ausdruck. Antithetisch stellt er seine Rechtsauffassung der im römischen Staat geübten gegenüber. Papinian ist nicht nur Rechtsgelehrter und Ausübender des Rechts. Er ist vielmehr so sehr vom Recht durchdrungen, dass man sagen kann, er verkörpere das Recht. Der als Märtyrer des Rechts Gezeichnete stellt in gewisser Weise eine Personifikation des Rechts dar. Im Reyen (Zwischenspiel) zwischen der Anderen und der Dritten Abhandelung (dem zweiten und dem dritten Akt) tritt Themis, die Göttin der Gerechtigkeit, höchstpersönlich auf – auch sie eine Personifikation, die rhetorische Figur der Verkörperung des Rechts, die zum einen die allegorische Bedeutung des im Trauerspiel Dargestellten unterstreicht, zum anderen auch der von Papinian hervorgehobenen Heiligkeit des Rechts Nachdruck verleiht.
Ein anderes Beispiel ist Friedrich Schillers (1759–1805) Erzählung „Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Eine wahre Geschichte“ (1786), zuerst veröffentlicht unter dem Titel „Verbrecher aus Infamie“. Erzählt wird die Geschichte von Christian Wolf, der, mittellos und in seinem Äußeren von der Natur benachteiligt, die Achtung seiner Mitmenschen und die Liebe eines Mädchens erringen möchte. Um ihr Geschenke machen zu können, wird Wolf, wegen seiner Herkunft aus einer Gastwirtschaft auch ,der Sonenwirt‘ genannt, zum Wilddieb und driftet immer weiter in die Kriminalität ab. Allerdings kommt er an den Punkt, an dem er bereut und den Landesherrn um Gnade bittet. Diese wird ihm verweigert und er am Ende der Todesstrafe zugeführt. Der Handlung liegt eine „wahre Geschichte“ zugrunde, die Schiller von seinem Stuttgarter Lehrer Jacob Friedrich Abel gehört hatte. Gleich zu Beginn appelliert der Erzähler an „die republikanische Freiheit des lesenden Publikums, dem es zukömmt, selbst zu Gericht zu sitzen“ (Schiller 1954, 8). Schillers Text zielt auf das Urteil des Lesers, der gewissermaßen in die Position des Richters versetzt werden soll. Der Erzähler selbst stellt sich als Geschichtsschreiber dar, der zwei Möglichkeiten hat: „Entweder der Leser muß warm werden wie der Held, oder der Held wie der Leser erkalten“ (Schiller 1954, 8). Die erste Methode, die auf Affekterregung und Identifizierung setzt, verwirft Schillers Erzähler bemerkenswerterweise, denn, so erläutert er, sie würde die zitierte Freiheit des Publikums beleidigen. Redner und Dichter müssten das „Herz ihres Lesers durch hinreißenden Vortrag“ (Schiller 1984, 8) bestechen; er aber entscheidet sich für die zweite Methode, nämlich den Helden erkalten zu lassen, und das bedeutet, nicht nur seine Handlungen zu erzählen, sondern auch sein Wollen und seine Motive. Hinter der Erzählung steht also ein anthropologisch-psychologisches Interesse am individuellen Menschen. Gleichwohl ist Schillers Erzähler natürlich Redner und Dichter, der sich zum Advokaten seines Protagonisten macht und dabei mit allen Mitteln der Rhetorik operiert. Starke Metaphern prägen den Text (z. B. „Schärfe des Gesetzes“ [Schiller 1954, 11], „Schlachtopfer der Gesetze“ [Schiller 1954, 12]) und die Erzählung ist dem Prinzip der Evidenz, dem vor Augen Stellen verpflichtet. So spricht der Erzähler gleich zu Beginn davon, dass der Leser den Helden „seine Handlung nicht bloß vollbringen sondern auch wollen sehen“ (Schiller 1954, 8; Hervorhebung sehen M. W.-E.) müsse. Auch hier wird immer wieder die Gerechtigkeit aufgerufen, die sprachlich personifiziert erscheint. Wolfs Gnadengesuch ist ein flammendes rhetorisches Plädoyer, das auf Affizierung des Lesers zielt – und von Seiten des Erzählers ist es ein geschickter rhetorischer Schachzug, seinen Protagonisten hier selbst sprechen zu lassen:
Es ist Gnade, um was ich flehe. Einen Anspruch auf Gerechtigkeit, wenn ich auch einen hätte, wage ich nicht mehr geltend zu machen. – Doch an etwas darf ich meinen Richter erinnern. Die Zeitrechnung meiner Verbrechen fängt mit dem Urteilspruch an, der mich auf immer um meine Ehre brachte. Wäre mir damals die Billigkeit minder versagt worden, so würde ich jetzt vielleicht keiner Gnade bedürfen.
Lassen Sie Gnade für Recht ergehen, mein Fürst! Wenn es in Ihrer fürstlichen Macht steht, das Gesetz für mich zu erbitten, so schenken Sie mir das Leben. Es soll Ihrem Dienste von nun an gewidmet sein. (Schiller 1954, 25)
Rhetorisch gesehen kommt hier die Figur der sermocinatio zum Einsatz, mit welcher in der Rede vorgeblich die Rede eines anderen wiedergegeben wird. Die Forschung hat hervorgehoben, dass der Geschichtsschreiber-Erzähler am Ende der Geschichte vollends zum Dichter, ja zum Dramatiker mutiert, denn das Ende wird in dialogischer Wechselrede zwischen Dichter und Delinquent hochdramatisch ausgestaltet (vgl. Borgstedt 1954, 378). Der Schluss, an dem sich Wolf mit den Worten „Ich bin der Sonnenwirt“ (Schiller 1954, 29) zu erkennen gibt, stellt eine rhetorische Klimax dar, die ihre Wirkung auf die Leserschaft nicht verfehlt, so dass deren Urteil nicht mehr ausgesprochen werden muss. Es richtet sich gegen das an Wolf tatsächlich vollstreckte Todesurteil. Dabei unterliegt der Erzählung als Argument eine mehrfache enthymemische Struktur. Wolfs eindringlich vorgetragenes Versprechen, ein besserer Mensch zu werden, legt den Freispruch nahe, allerdings wird die Prämisse, dass der Sonnenwirt tatsächlich ein zuverlässiger und ehrlicher Mensch ist, nicht ausgesprochen. Schillers Erzählung ist durchzogen von Anspielungen auf eine andere, eine göttliche Gerechtigkeit, die der offensichtlich irrenden irdischen Gerechtigkeit entgegengesetzt ist. Daraus darf die Leserin den Schluss ziehen, und Wolfs Worte am Ende legen das nahe, dass auch der ihn verurteilende Oberamtmann sich bald vor Gott verantworten müsse. Die urteilende Leserschaft muss also zu dem Befund kommen, dass das vollzogene Urteil falsch und ein anderes Urteil möglich gewesen wäre (vgl. dazu Arnold/Wagner-Egelhaaf 2023).
Das Recht spielt auch bei Heinrich von Kleist (1777–1811) eine hervorgehobene Rolle. Die rhetorische Dimension der literarischen Verarbeitung von Rechtsmotiven vollzieht sich in Kleists Lustspiel Der zerbrochne Krug (1805/6 fertiggestellt) über den gezielten Einsatz von Tropen. Die Szene ist eine Gerichtsstube, in welcher der Dorfrichter Adam über einen im Zimmer von Eve, der Tochter von Frau Marthe, zu Bruch gekommenen Krug zu Gericht sitzen soll. Adam versucht, den Verdacht auf Eves Verlobten Rupprecht zu lenken. Allerdings kommt just am Verhandlungstag der Gerichtsrat Walter auf Visitation und greift in Adams willkürliche Verhandlungsführung ein. Am Schluss stellt sich heraus, dass es Adam selbst war, der des Nachts in Eves Kammer eindrang, sie zu erpressen suchte und sexuelle Gefälligkeiten von ihr verlangte. Komische Effekte entstehen über die Art und Weise, wie Adam sich über das ganze Stück versucht herauszureden, während sein Schreiber Licht, der nicht umsonst einen sprechenden Namen trägt, von Anfang an Verdacht schöpft. Er trifft den Richter dabei an, wie er sich das Bein verbindet und erkundigt sich, was geschehen ist:
ADAM: Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße.
Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
Den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.
[…]
Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.
LICHT: Unbildlich hingeschlagen?
ADAM: Ja, unbildlich.
Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein. (Kleist 1991, 287, V. 3–16).
Gleich zu Beginn wird also deutlich, dass das Lustspiel seine Komik aus dem Spiel zwischen eigentlicher und uneigentlicher Rede gewinnt: Richter Adam ist auch im moralischen Sinn wie sein Urvater Adam ,gestrauchelt‘, versucht aber, seine Tat als harm-, wenngleich nicht folgenloses Stolpern darzustellen. Die figura etymologica ,Straucheln‘ – ,Strauch‘ ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Wortfiguren, die zum Einsatz kommen. Dabei ist der Strauch ein konkreter Hinweis auf die reale Verführungsszene, hat der Richter Adam, als Ruprecht hinzukommt, beim Fluchtversuch durch Eves Fenster doch seine Perücke im Spalier der Frau Marthe verloren – eben jenes Beweismittel, das ihn am Ende als Schuldigen überführt. Kleists Stück ist voller sprachlicher Zweideutigkeiten, die nicht zuletzt sexueller Natur sind, wie auch das titelgebende Bild vom zerbrochenen Krug zu verstehen gibt. So ist das Drama ein Lustspiel im doppelten Sinn, dessen Protagonist den Topos des lüsternen Greises verkörpert. Dessen sprachliche Akrobatik, sein gewitztes Spiel mit Zweideutigkeiten, ist es, die für die Lust des Lesers am (erotischen) Sprachspiel sorgt.
Auch Franz Kafka (1883–1924) ist ein Autor, in dessen Werk die Rechtsthematik überaus präsent ist. Zu nennen sind sein Roman Der Prozess (1925), aber auch die Erzählungen „Das Urteil“ (1913), „In der Strafkolonie“ (1919), „Vor dem Gesetz“ (1915), „Zur Frage der Gesetze“ (entst. 1920) oder „Der neue Advokat“ (1917). K., der Protagonist des Prozesses, wacht eines Morgens auf und es wird ihm mitgeteilt, dass er verhaftet sei. Er ist sich keiner Schuld bewusst und man kann ihm nicht sagen, worin sein Vergehen besteht. Merkwürdigerweise bleibt er weiterhin auf freiem Fuß. Doch er folgt einer Vorladung zur Untersuchung seines Falls und damit beginnt ein höchst undurchsichtiger Prozess, an dessen Ende K. getötet wird, ohne dass deutlich geworden wäre, wessen er beschuldigt wird. Das Gerichtsverfahren folgt keiner nachvollziehbaren Logik und auch die Hierarchien sind intransparent, selbst für die beteiligten Beamten, wie K. von einem Advokaten erfährt (vgl. Kafka 1925/2008, 206). Auch das Gerichtsgebäude folgt einer labyrinthischen und mehr noch, einer offensichtlich sich permanent verändernden Ordnung. Zwar beruft sich K. am Beginn der Untersuchung noch auf die Rhetorik, wenn er in seiner Verteidigungsrede sagt: „Ich will nicht Rednererfolg, […] er dürfte mir auch nicht erreichbar sein. Der Herr Untersuchungsrichter spricht wahrscheinlich viel besser, es gehört ja zu seinem Beruf“ (Kafka 1925/2008, 74). Wie sich bereits andeutet, findet das rhetorische Stilprinzip der perspicuitas keine Beachtung. Zwar ist vielfach von K.s Schuld die Rede, der Begriff schillert aber zwischen juristischer, religiöser und allgemein existenzieller Bedeutung. Natürlich hat der Prozess eine Fülle von unterschiedlichen Interpretationen hervorgerufen (vgl. Hiebel 2008; Engel 2010). Indessen hält bereits Walter Benjamin fest, Franz Kafka habe „alle erdenklichen Vorkehrungen gegen die Auslegung seiner Texte getroffen“ (Benjamin 1991, 422). Gerhard Neumann beschreibt das Funktionieren der Kafka’schen Texte über die rhetorische Figur des gleitenden Paradoxes (vgl. Neumann 1968). In Anbetracht der Tatsache, dass die Handlung des Romans genauso wenig voranschreitet wie K.s Prozess und dass die Handlung wesentlich aus Reden und Gesprächen über den Prozess besteht, lässt sich wohl sagen, dass der Prozess ein sprachlich-rhetorischer Textprozess ist und dass die Aufgabe der juristischen Funktionsträger – Angeklagter, Advokat, Richter, Gerichtsdiener etc. – darin besteht, eben diesen Textprozess in Gang zu setzen und am Laufen zu halten. Dafür spricht auch, dass der Angeklagte K. nicht versucht, sich dem Prozess zu entziehen, sondern geradezu eifrig in ihn eintritt und ihn schließlich zu seiner sein ganzes Leben bestimmenden Hauptaufgabe macht. In diesem Sinne ist auch die berühmte Türhüterlegende, die Teil des Romans ist, aber separat als „Vor dem Gesetz“ veröffentlicht wurde, im wörtlichen Sinn ,Legende‘, d.h. ,zu Lesendes‘, das am Ende aber die Leserin doch außen vor lässt. Kafkas Texte werden häufig als ,Parabeln‘ verstanden. Die Parabel, oft gleichgesetzt mit dem Gleichnis, ist ein Vergleich, der zur Erzählung erweitert und, ausgehend von einem Vergleichspunkt, auf einen allgemeinen Sachverhalt übertragen wird. Im Unterschied zum Gleichnis enthält die Parabel keinen direkten Verweis auf diesen allgemeinen Sachverhalt, der damit in konstitutiver Unbestimmtheit bleibt (vgl. Elm 1991; Zymner 1991).
Gerichtsszenen werden auch in der Gegenwartsliteratur, insbesondere im Drama der Gegenwart (Gerichtsdrama; vgl. Wilhelms/Arnold 2022) häufig dargestellt. Das auf der Bühne gezeigte Rechtsgeschehen führt die Performativität, aber auch die rhetorische Verfasstheit rechtlicher Problemaushandlung vor Augen. So basiert etwa Juli Zehs (geb. 1975) Roman Corpus Delicti. Ein Prozess (2009), der in einem deutlichen intertextuellen Bezug zu Kafkas Prozess steht, auf einem von der Autorin zunächst verfassten Theaterstück. Und tatsächlich wurde der Roman nach seinem Erscheinen von zahlreichen Theatern wieder für die Bühne adaptiert. Zehs dystopischer Roman (s.a. Dystopia) spielt im Jahr 2057 in einem Überwachungsstaat, der das Ziel verfolgt, seinen Bürgern ein gesundes und schmerzfreies Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Gewissermaßen als Gegenleistung werden die Selbstkontrolle des Einzelnen und die permanente Selbstbeobachtung verlangt. Mia Holl, die Protagonistin, beugt sich dem System nicht und gerät deshalb in die Fänge dieser Gesundheitsdiktatur. Es kommt zu zahlreichen Verhandlungen ihres Falls. An einer letzten Verhandlung nimmt sie in einen Käfig eingesperrt teil. „Mia findet es nicht unangenehm, in einen Käfig gesperrt zu sein. Auf dieses Weise kann sie das Spektakel wie aus einer Theater-Loge verfolgen“ (Zeh 52013, 264), heißt es dazu im Text. Die theatrale Aufführung von Recht bzw. Unrecht geht einher mit zahlreichen das Recht betreffenden Sentenzen, in denen rhetorisch verknappt Rechtskritik geübt wird, wie etwa „Unser Rechtssystem ist in manchen Punkten ein wenig überempfindlich“ (Zeh 52013, 81), „Das Recht ist ein Spiel, bei dem alle mitspielen müssen“ (Zeh 52013, 82, 88) oder „Selbst vor Gericht ist Wahrheit eine subjektive Angelegenheit. Glauben und Wissen sehen einander zum Verwechseln ähnlich. Man kann mit Recht fragen, ob sie nicht dasselbe sind“ (Zeh 52013, 132).
Ein großer Bühnenerfolg war Ferdinand von Schirachs (geb. 1964) Theaterstück Terror (2014). Das Stück wurde auf zahlreichen Bühnen des In- und Auslands aufgeführt und auch als Fernsehfilm adaptiert. Zur Verhandlung steht der Fall eines Kampfjet-Piloten, der ein von einem Terroristen in seine Gewalt gebrachtes Flugzeug eigenmächtig abschoss und damit den Tod von 164 Menschen in Kauf nahm, um zu verhindern, dass der Terrorist die Maschine in ein vollbesetztes Stadion abstürzen lässt, wie dieser angedroht hat, wobei voraussichtlich 70.000 Menschen ums Leben gekommen wären. Dieser Fall wird nun auf der Bühne verhandelt, mit der Besonderheit, dass das Theaterpublikum in die Position von Schöffen gebracht werden, die am Ende tatsächlich ein Urteil fällen und d.h. über den Fall abzustimmen haben. Wenn bereits Schiller in seiner Erzählung „Der Verbrecher aus verlorener Ehre“ an das Urteil des Publikums appelliert, wird die Urteilsfindung des Publikums hier realiter umgesetzt. Damit wird eine Grenze von Realität und theatraler Fiktion überschritten, insofern das reale Theaterpublikum in einer realiter auf der Bühne des Theaters gespielten fiktionalen Handlung zum Mitspieler wird und sein reales Urteil zum fiktionalen Fall abgibt. Da auf der Bühne des Theaters eine an einen reale Gerichtsprozess angelegte Verhandlung inszeniert wird, gibt es zahlreiche Redeauftritte. Den Anfang macht der vorsitzende Richter, der – und hier steht er noch an der Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion – das Publikum auf seine Rolle einschwört. Darauf verliest die Staatsanwältin die Anklage. Zeugen werden vernommen, ebenso der Angeklagte. Der zweite Akt beginnt mit dem ausführlichen Plädoyer der Staatsanwältin, darauf folgt das Plädoyer des Verteidigers. In beiden Fällen handelt es sich um hochrhetorische Auftritte – schließlich geht es darum, das Publikum von der jeweiligen Position zu überzeugen. Damit kehrt von Schirachs Theaterstück gewissermaßen zur Urszene der Rhetorik zurück (vgl. o. 2.1). Rhetorisch geschickt zeichnet die Staatsanwältin erst einmal ein positives Bild des Angeklagten:
Hohes Gericht, verehrte Damen und Herren Richter – um es gleich zu sagen: Der Angeklagte ist kein Krimineller. Seine Handlungen sind weit von dem entfernt, was wir sonst in einem Gerichtssaal untersuchen. Er hat weder seine Ehefrau noch deren Liebhaber getötet, er hat nicht geraubt, nicht betrogen, nicht gestohlen. Im Gegenteil: Lars Koch hat nach bürgerlichen Maßstäben bisher ein tadelloses Leben geführt, er hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es gibt nicht das Geringste an ihm auszusetzen. Und ich kann sagen, dass mich seine Aufrichtigkeit und der Ernst seiner Überlegungen beeindruckt haben. Lars Koch ist kein Angeklagter, der versucht, seine Tat mit seiner Kindheit, einer psychischen Störung oder irgendeiner anderen Erklärung zu entschuldigen. Er ist hochintelligent, besonnen, ein Mann, der in der Lage ist, Recht von Unrecht zu unterscheiden. Er kann das vermutlich sogar besser als die meisten Menschen. Alles, was Lars Koch tat, tat er im vollen Bewusstsein, in größter Klarheit. Er war davon überzeugt, dass es das Richtige war. Und er ist es noch. (von Schirach 2015, 114)
Damit macht sie klar, dass sie gegenüber dem Angeklagten nicht voreingenommen ist. Umso wirkungsvoller ist dann aber ihre argumentative Wendung, wenn sie im Folgenden darlegt:
Wir brauchen […] etwas Verlässlicheres als unsere spontanen Überzeugungen. Etwas, wonach wir uns jederzeit richten und an dem wir uns festhalten können. Etwas, was uns Klarheit im Chaos verschafft – eine Richtschnur, die auch in den schwierigsten Situationen gilt. Wir brauchen: Prinzipien.
Diese Prinzipien, verehrte Damen und Herren Richter, haben wir uns selbst gegeben. Es ist unsere Verfassung. Wir haben uns entschlossen, jeden Einzelfall nach ihr zu entscheiden. Jeder Fall ist an ihr zu messen und an ihr zu prüfen. An ihr – nicht an unserem Gewissen, nicht an unserer Moral und schon gar nicht an einer anderen, höheren Macht. Recht und Moral müssen streng voneinander getrennt werden.
Es hat lange gedauert, bis wir es begriffen haben: Genau das ist das Wesen des Rechtsstaats. Sie alle wissen, wie teuer wir diese Erkenntnis bezahlt haben. Nur das darf für alle verpflichtend sein, was Gesetz geworden ist. Ein wirkliches Gesetz, das der Verfassung entspricht und in einem komplizierten demokratischen Verfahren von unseren Parlamenten erlassen wurde. Und deshalb sind Gesetze, auch wenn sie manchen von uns unmoralisch und falsch vorkommen, trotzdem gültig. Wir haben nur die Möglichkeit, sie wieder aufzuheben. Und moralische Einstellungen? Ganz gleich, wie richtig sie uns erscheinen – sie binden niemanden. Nur Gesetze können das.
(von Schirach 2015, 118 f.).
Wenn dann der Verteidiger die Position der Staatsanwältin nochmals zuspitzt, um seine gegenteilige Haltung zu profilieren, geht es nicht zuletzt darum, das Publikum, d.h. die Geschworenen auch emotional anzusprechen:
Meine Damen und Herren Richter, haben Sie der Staatsanwältin zugehört? Haben Sie verstanden, was sie sagte? Sie will, dass Sie Lars Koch wegen eines Prinzips verurteilen. Wirklich, genau das hat sie gesagt – wegen eines Prinzips sollen Sie ihn lebenslänglich einsperren. Wegen eines Prinzips sollten 70 000 Menschen sterben. Es ist mir gleichgültig, wie dieses Prinzip genannt wird – ob es „Verfassung“ heißt oder „Würde des Menschen“ oder ganz anders. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank hat sich Lars Koch nicht nach Prinzipien gerichtet, sondern nur nach dem, was richtig war. Eigentlich könnte mein Plädoyer hier zu Ende sein. (von Schirach 2015, 124)
Im Folgenden verweist er auf andere Fälle, in denen das kleinere Übel dem größeren vorgezogen wurde (vgl. von Schirach 2015, 127 f.) – seit jeher dienen Beispiele (exempla) in der Rhetorik der Veranschaulichung und Steigerung der Überzeugungskraft. Der Verteidiger operiert mit rhetorischen Fragen (vgl. von Schirach 2015, 124 f., 129) und setzt hyperbolische Appellativa ein: „[…] wir müssen begreifen, dass wir im Krieg sind“ (von Schirach 2015, 130). Der vorsitzende Richter ergreift am Ende das Wort, seinerseits ein historisches Beispiel bemühend, das nochmals auf die Problematik des Rhetorischen anspielt:
Der griechische Philosoph Karneades hielt 155 Jahre vor Christus in Rom an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Vorträge. Am ersten Tag begründete er brillant eine Fülle von Rechtsthesen, am zweiten Tag verwarf er sie ebenso brillant wieder. Die Zuhörer waren empört. Dabei bewies Karneades nur, dass die Wahrheit keine Frage der Argumentation ist. (von Schirach 2015, 131).
Offensichtlich steht die Empörung der Zuhörer:innen, das sog. ,gesunde Volksempfinden‘, dafür, dass Rhetorik nicht alles kann und darf und es eine unrhetorische Wahrheit gibt. Tatsächlich aber enthält das Stück zwei unterschiedliche Urteile; je nachdem, wie das jeweilige Publikum entscheidet, trägt der Richter am Ende den vorbereiteten Freispruch oder die vorbereitete Verurteilung vor. Für beide Entscheidungen kann argumentiert werden. Welche Entscheidung der Wahrheit näher kommt, ist damit nicht gesagt. In der Mehrzahl der Fälle, d.h. der Aufführungen des Stücks, wurde auf Freispruch des Angeklagten plädiert. Damit scheint eine moralische über eine normative Wahrheit den Sieg davongetragen zu haben (zur Kritik von Terror vgl. Schild 2016). Von Schirachs späteres Theaterstück Gott (2020), in dem es um einen Fall selbstbestimmten Sterbens bzw. assistierten Suizids geht, funktioniert nach dem gleichen Prinzip des realen Publikumsentscheids, war aber längst nicht mehr so erfolgreich wie Terror, wohl weil das Prinzip nicht mehr so neu und Aufsehen erregend war wie beim früheren Drama.
3.3. Recht als Literatur
Dass Recht und Literatur aufgrund ihrer für beide zutreffenden sprachlichen Verfasstheit grundsätzlich miteinander verwandt sind, ist ein wesentlicher Denkansatz des teilweise auf einer dekonstruktiven Grundlage argumentierenden amerikanischen Law and Literature-Movements. Tatsächlich kann die beiderseitige sprachliche Konstituiertheit den Gedanken nahelegen, dass sowohl Recht als auch Literatur nicht zuletzt mit rhetorischen Mitteln ihre jeweiligen Überzeugungsziele erreichen. Indessen liegt der Fokus des Law as Literature-Ansatzes darin, das Recht mit literarischen Mitteln zu lesen und damit zu bereichern oder gar zu korrigieren. Richard Weisberg schreibt: „The poetic method always insists on the unity of the words used with the sense expressed by those words. When applied to law, it thus captures something essential that otherweise goes unexpressed“ (Weisberg 1992, 6). Und mit Bezug auf Benjamin N. Cardozo, der als einer der Gewährsleute des Law and Literature-Movements gilt, hält er fest: „Words create law, for Cardozo. They neither distort it nor stand in its way. Words do not translate the thought of justice, words are justice, and words can be the absence of justice (Weisberg 1992, 6). Klaus Lüderssen trägt ein zugespitztes Verständnis von Law as Literature vor, wenn er schreibt „Von Law as Literature reden wir, wenn Rechtssätze – sei es durch Konkretisierung bestehender Vorschriften, sei es durch neue Vorschriften – zustande kommen, welche die insoweit vielleicht bessere suada der Literatur übernehmen“ (Lüderssen 22002, 54).
Als eine Art Gründervater des Law and Literature-Movement wird Benjamin N. Cardozo (1870–1938) angesehen. Cardozo war Richter am Supreme Court der USA und veröffentlichte bereits 1924/25 einen Aufsatz unter dem Titel „Law and Literature“ in der Yale Review. Darin unterstreicht er die Rolle der Rhetorik für die Wirkung rechtlicher Aussagen:
The opinion will need persuasive force, or the impressive virtue of sincerity and fire, or the mnemonic power of alliteration and antithesis, or the terseness and tang of the proverb, and the maxim. Neglect the help of these allies, and it may never win its way. (Cardozo 1967, 342)
Das klassische Werk des amerikanischen Law and Literature-Movement ist James B. Whites (geb. 1938) The Legal Imagination: Studies in the Nature of Legal Thought and Expression aus dem Jahr 1973. White hatte klassische Philologie, Englische Literatur und Rechtswissenschaft studiert. Zum Zeitpunkt des Erscheinens von The Legal Imagination lehrte er Rechtswissenschaft an der University of Colorado. Dass im Titel des Werks die Einbildungskraft (Imagination), eine zentrale Kategorie insbesondere der romantischen Poetik, so prominent herausgestellt wird, verweist bereits auf den Bereich von Kunst und Literatur. In seiner „Introduction to the Student“ schreibt White entsprechend, dass Rechtswissenschaft als eine Kunst zu betrachten sei (vgl. White 1973, [xxxv]). Und der Fokus auf den Ausdruck (Expression) im Titel stellt einen Bezug zur Rhetorik her. Tatsächlich geht es dem Verfasser darum, Studierende der Rechtswissenschaft zu lehren „to write as lawyer, judge, and legislator, and to reflect as a mind and a person on what he has done, to speak in his own voice about his experience of writing and thinking” (White 1973, [xix]). Im Sinne eines Lehrbuchs enthält Whites Buch Denk- und Schreibaufgaben zur praktischen Übung juristischen Scheibens. Wichtig sei es indessen, so der Autor, von außerhalb des Rechts auf das Recht zu schauen – und in seinem Fall ist dieser Außenstandpunkt die Literatur. Vor diesem Hintergrund wird der Jurist geradezu zum Schriftsteller („the lawyer as writer“ [White 1973, (xxxv)]). Wenn White seine Leser:innen auffordert, sich vorzustellen, was einem Urteilsspruch vorausgeht, wird sein rhetorischer Grundansatz deutlich:
But of course a great deal preceded that statement [gemeint ist das Urteil; M. W.-E.]; the people of the law have already had a great deal to say about the meaning of the event [das Ereignis, das zum Rechtsfall wurde; M. W.-E.]. Who has described the event and in what languages has he spoken? What of his experience did each express and what remains unstated? What part of what was said was expressed verbally and what part unverbally? […] Your study of what the lawyer does with words can be regarded as the study of the rhetoric (in the ancient sense of that term) of the language of the law. (White 1973, 4 f).
Es geht also um eine Rhetorik der Rechtssprache – aus der Perspektive der klassischen Rhetorik und der Literatur. So ist im Folgenden von einer spezifischen Rhetorik der Todesstrafe die Rede (vgl. White 1973, 127), von einer „Professional Rhetoric“ (White 1973, 157), von einer „Rhetoric of the Statute“ (White 1973, 225). Beispielsweise werden die Leser:innen aufgefordert, die Kategorien ,Klarheit‘ und ,Präzision‘, die häufig als Merkmale des juristischen Sprechens angesehen werden, kritisch zu reflektieren und in Frage zu stellen. Zur Illustration und Übung werden Passagen aus der Literatur herangezogen, z.B. ein Abschnitt aus Mark Twains (1835–1910) Life on the Mississippi (1883), anhand dessen Vor- und Nachteile von Fachsprachen reflektiert werden sollen. Metapher, Ironie und Ambiguität stellt White am Beispiel verschiedener literarischer Texte als spezifische Möglichkeiten der Sprachkontrolle vor (vgl. White 1973, 57–77), die zwar nicht unbedingt vom Rechtspraktiker anzuwenden sind, ihm aber doch ein Gefühl vermitteln sollen, wie jenseits vermeintlich eindeutiger juristischer Diktion produktiv und kontrolliert mit Sprache umgegangen werden kann. Ein eigener Abschnitt (Chapter 6B) ist der Argumentation und den Überzeugungsmitteln Ethos, Pathos und Logos gewidmet. Juristische Argumentation ist White zufolge ebenfalls eine Kunst und heißt „thinking and speaking well“ (White 1973, 807). White diskutiert hier u.a. die Frage, ob und in welchem Maß die Überzeugungskraft des Arguments im Argument selbst liegt oder in der Autorität der Person, die das Argument vorträgt. Auch hier verdeutlicht ein Beispiel aus der Literatur das Problem:
“Sir James Johnston (sic) happened to say that he paid no regard to the arguments of counsel at the bar of the House of Commons, because they were paid for speaking. Johnson: ‘Nay, Sir, argument is argument. You cannot help paying regard to their arguments, if they are good. If it were testimony, you might disregard it, if you knew that it were purchased. There is a beautiful image in Bacon, upon this subject: testimony is like an arrow shot from a long bow; the force of it depends upon the strength of the hand that draws it. Argument is like an arrow from a cross-bow, which has equal force though shot by a child.’” Boswell, The Life of Samuel Johnson, III, 298 (Glover ed. 1901). (White 1973, 814).
Literatur hilft, so lässt sich Whites Ansatz zusammenfassen, das Recht besser zu verstehen – und sie trägt in der Ausbildung von Jurist:innen zur besseren Ausübung des Rechts bei. Sein Argument ist in dem Maße rhetorisch, in dem es nicht nur auf rhetorische Mittel verweist, sondern sie selbst durch Zitate, Bilder, Vergleiche und Beispiele zum Einsatz bringt. Die Rhetorik erscheint explizit hervorgehoben im Titel von Whites 1985 erschienener Essaysammlung Heracles’ Bow: Essays on the Rhetoric and Poetics of the Law. White legt hier einen umfassenden Rhetorikbegriff zugrunde, indem er das Recht als einen Teil der Rhetorik fasst. Rhetorik, so schreibt er,
should be seen not as a failed science nor as an ignoble art of persuasion (as it often is) but as the central art by which culture and community are established, maintained, and transformed. This kind of rhetoric – I call it “constitutive rhetoric” – has justice as its ultimate subject, and of it I think law can be seen as a species. (White 1985, 28)
Auch der amerikanische Philosoph Ronald Dworkin (1931–2013) zieht die Literatur zum besseren Verständnis des Rechts heran, indem er die Nähe von Recht und Literatur über die gemeinsame Notwendigkeit der Interpretation begründet. Rhetorisch liegt seinem Ansatz eine Vergleichsoperation zugrunde („comparing legal interpretation with interpretation in other fields of knowledge, particularly literature“ [Dworkin 1985, 146]). Beide, Recht und Literatur, sind Dworkin zufolge von Ambiguität geprägt (vgl. Dworkin 1985, 147) und eben deshalb müssen sie interpretiert werden. Um zu erläutern, welche Rolle Interpretation im Recht spielt, spricht Dworkin ausführlich über das Problem der Interpretation in der Literatur, wo sie offensichtlich eine ausgeprägtere Evidenz besitzt. Dabei diskutiert er auch die Rolle der Autorintention – und negiert ihre Relevanz. Um deutlich zu machen ,how law is like literature‘, verwendet auch Dworkin ein sprechendes Bild als Vergleich:
I want to use literary interpretation as a model for the central method of legal analysis, and I therefore need to show how even the distinction between artist and critic might be eroded in certain circumstances. Suppose that a group of novelists is engaged for a particular project and that they draw lots to determine the order of play. The lowest number writes the opening chapter of a novel, which he or she then sends to the next number, who adds a chapter, with the understanding that he is adding a chapter to that novel rather than beginning a new one, and then sends the two chapters to the next number, and so on. Now every novelist but the first has the dual responsibilities of interpreting and creating because each must read all that has gone before in order to establish, in the interpretive sense, what the novel so far created is. He or she must decide what the characters are “really” like; what motives guide them; what the point or theme of the developing novel is; how far some literary device or figure, consciously or unconsciously used, contributes to these, and whether it should be extended or refined or trimmed or dropped in order to send the novel further in one direction rather than another. This must be interpretation in non-intention-bound style because, at least for all novelists after the second, there is no single author whose intentions any interpreter can, by the rules of the project, regard as decisive.
[…] Deciding hard cases at law is rather like this strange literary exercise. The similarity is most evident when judges consider and decide common law cases; that is, when no statute figures centrally in the legal issue, and the argument turns on which rules or principles of law “underlie” the related decisions of other judges in the past. (Dworkin 1985, 158 f.)
Auch wenn der sog. ,Kettenroman‘ eher eine Ausnahme literarischen Schaffens ist, so stellt das Beispiel doch ein starkes (rhetorisches) Argument dafür dar, wie Rechtspraxis und literarische Praxis einander beleuchten können. Für Dworkin ist dabei wichtig, dass es nicht auf die Intention der einzelnen Richterin oder des einzelnen Autors ankommt, sondern dass Geltung über die Bezugnahme vorausgegangener Urteile bzw. Texte zustande kommt.
3.4. Rhetorische Geltungsbegründungen in Recht und Literatur
,Geltung‘ (vgl. etwa Wittreck 2014) ist ein facettenreicher Zentralbegriff für das Recht und die Rechtswissenschaft. Er wird nicht nur verwendet, um zeitliche und räumliche Wirkungsgrenzen von Rechtsnormen zu bestimmen, sondern dient auch als Topos, unter dem die Normativität des Rechts und das Verhältnis von Recht und Moral verhandelt werden. Zugleich werden im juristischen Diskurs fortlaufend unterschiedliche Auffassungen von konkreten Rechtsinhalten geltend gemacht. Dabei zeigt sich, dass Geltung eng mit Anerkennung verbunden ist. „Wenn etwas ,geltend gemacht‘ oder ,zur Geltung gebracht‘ wird, dann ringt die entsprechende Äußerung um eine objektive Anerkennung“, schreibt etwa Stefan Kirste (Kirste 2016, 665). In diesem ,Ringen‘ sind Begründungen und Rechtfertigungen von entscheidender Bedeutung. Je überzeugender sie sind, umso höher ist die Chance auf Einverständnis und Anerkennung. Die Geltung des Rechts ist deshalb jedenfalls in einer pragmatischen Sicht auf das Recht rhetorisch konstituiert (vgl. Arnold 2019).
Im Gegensatz zur Rechtswissenschaft ist der Geltungsbegriff in der Literaturwissenschaft kein eingeführter Terminus. Indessen hat es Versuche gegeben, ihn für Literatur und Wissenschaft fruchtbar zu machen, etwa wenn es darum geht, dass sich die mittelalterliche Literatur neben Religion und Recht Geltung zu verschaffen sucht (vgl. Kellner/Strohschneider/Wenzel [Hgg.] 2005) oder wenn im Bereich der Literaturtheorie der Ruf nach verbindlichen Normen laut wird (vgl. Schönert 2015). Kirste vermerkt zurecht, dass Geltung nicht ,überhaupt‘ und ,absolut‘ besteht, sondern dass sie sich vielmehr auf ein konkretes Sinnsystem bezieht und er zitiert Carl Schmitt, der geschrieben hat, dass Geltung fortwährend aktualisiert werden muss – Geltung muss sozusagen geltend gemacht werden (vgl. Kirste 2016, 667). Dazu gehört, dass begründet werden muss, warum und auf welcher Grundlage etwas gelten soll. Das gilt im Bereich des Rechts selbst für jene rechtspositivistische Geltungstheorien, denen zufolge die Geltung von Rechtsnormen von keinerlei inhaltlichen Mindestanforderungen (wie etwa einem Mindestmaß an Gerechtigkeit) abhängt. Wenn Kelsen etwa schreibt: „Mit dem Worte Geltung bezeichnen wir die spezifische Existenz einer Norm“ (Kelsen 1960, 9), so muss doch auch er die Grundlage dieser spezifischen Existenz erklären. Kelsens berühmte Grundnormtheorie – auf die diese Geltendmachung hinausläuft – macht also letztlich die Geltung des Rechts geltend und lässt sich schon deshalb auch als rhetorisches Unterfangen lesen (vgl. auch Bulygin 1990). Geltungsbegründungen können – rhetorisch gesehen – als Teil der Argumentation gesehen werden. Dworkins Beispiel des Kettenromans (vgl. o. 3.3) führt vor Augen, wie Geltung durch Interpretation und Evaluation performativ hergestellt wird: Wie eine Autorin, die den Roman auf der Grundlage der von anderen Autor:innen verfassten Kapitel weiterschreibt, diese erst lesen und verstehen muss, so muss sich auch ein Richter auf Rechtsnormen oder vorausgegangene Urteile berufen, die durch diese Anerkennung in einem neuen Sinnzusammenhang Geltung erlangen (vgl. Arnold 2021).
Auch wenn ,Geltung‘ in der Literaturwissenschaft bislang kein eingeführter disziplinärer Terminus ist (vgl. aber Arnold/Wagner-Egelhaaf 2023), lässt sich auch im Bereich der Literatur zeigen, wie Geltung durch Rekurs auf vorausgegangene Autoritäten rhetorisch hergestellt wird. Dies wird gerade bei einem so offenkundig im rhetorischen Paradigma verankerten Autor wie Johann Christoph Gottsched deutlich, der seiner Critischen Dichtkunst (vgl. o. 2.) eine eigenhändige Übersetzung der Ars Poetica des Horaz vorausstellt und damit nicht nur deren Geltung in der sog. Querelle des anciens et des modernes bekräftigt, sondern die Geltung der eigenen Position im Deutsch-Schweizer Literaturstreit in Szene setzt. Da Geltung nicht sichtbar, gleichwohl aber wirksam ist, stellt sie sich nicht zuletzt im Medium der Sprache dar, d.h. darin, wie über sie gesprochen wird. Geltung kann stillschweigend vorausgesetzt werden, sie kann aber auch behauptet, beschworen, in Frage gestellt werden. Und eben hier findet Rhetorik ein offensichtliches Betätigungsfeld.
Nachweise
Johann Christoph Adelung (1785): Ueber den deutschen Styl, Erster Theil, Berlin: Christian Voß und Sohn.
Sergej Arkad'evič Andreevskij (2000): Izbrannye trudy i reči [Ausgewählte Werke und Reden], Tula: Avtograf.
Sergej A Andrejewskij (1958): Das Buch vom Tode: Ein Tagebuch aus der Zeit der letzten Zaren, Übersetzt und bearbeitet von Ilona Koenig, Stuttgart: J. F. Steinkopf.
Aristoteles (2002): Rhetorik. Übersetzung, Einleitung und Kommentar v. Christof Rapp, 2 Bde., Berlin: Akademie-Verlag.
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Stefan Arnold stefan[dot]arnold[at]uni-muenster[dot]de (3.4)
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Zitationsvorschlag
Stefan Arnold, Tetyana Dagovych, Nicola Kramp-Seidel, Marcus Schnetter, Martina Wagner-Egelhaaf (2023): Rhetorik, in: Thomas Gutmann, Eberhard Ortland, Klaus Stierstorfer (Hgg.), Enzyklopädie Recht und Literatur (Stand: 13. August 2023)
doi: 10.17879/79948688804
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